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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
2. April 1974

W. Brandt umreißt in einer 10-Punkte-Erklärung die Position der SPD: Unsere Mitglieder und Freunde rufe ich auf, sich durch die ernsten und schwerwiegenden Rückschläge dieser Wochen nicht entmutigen zu lassen. Durch intensive gemeinsame Anstrengungen können und müssen wir den Durchbruch zu neuen Erfolgen erzielen. Das setzt voraus: wir müssen den Ursachen der Vertrauenseinbußen schonungslos nachgehen. Nur so werden wir neue Herausforderungen bestehen können. Die politische Position der SPD, wie sie im Godesberger Programm, im Wahlprogramm 1972 und in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 dargelegt sind, gelten unverändert und sind für die gesamte Partei verbindlich. Allerdings müssen wir uns die erschwerten Bedingungen unserer politischen Arbeit bewußt machen und sie den Mitbürgern in verständlicher Sprache erklären. Wir müssen zu den Wählern gehen, uns mit ihnen aussprechen, ihre Sorgen ernst nehmen, auch Unzulänglichkeiten nicht verschweigen.
Es gibt gewichtige objektive Ursachen für die Schwierigkeiten, mit denen wir deutschen Sozialdemokraten es gegenwärtig zu tun haben. Unsere SPD ist eine lebendige Partei und wird es bleiben.
Die theoretische Fundierung der Politik ist wichtig, aber die Partei ist kein Debattierklub, sondern sie ist verantwortlich für das Geschick eines großen Industriestaates. Innerparteiliche Diskussionen dürfen die politische Handlungsfähigkeit nicht lahmen. Selbstfabrizierte Verunsicherungen darf man nicht dulden oder begünstigen; sie müssen entschlossen abgewehrt werden. Eine »Doppelstrategie« gegen die eigene Partei und deren Politik darf es nicht geben. Sozialdemokratische Entschlossenheit bedeutet: intern diskutieren und nach außen - unter Wahrung der Gewissensfreiheit und ohne imperatives Mandat - einheitlich auftreten! Als Volkspartei sucht der demokratische Sozialismus seine Identität mit der Mehrheit des Volkes. Die SPD läßt sich von niemanden in die Klassenkampfvorstellungen des vorigen Jahrhunderts zurückdrängen, die der heutigen Zeit nicht mehr entsprechen. Ohne die Mitte gibt es in der Demokratie keine Mehrheit. Wer die Mitte preisgibt, opfert seine Regierungsfähigkeit. Sozialdemokratische Entschlossenheit bedeutet, die Mitte zu behaupten. Es ist erforderlich, sich von einzelnen zu trennen, die die Godesberger Grundlagen und die Grundwerte des demokratischen Sozialismus verlassen, indem sie Aktionseinheiten mit Kommunisten praktizieren. Das gilt gleichermaßen für solche, die auf andere Weise die gebotene Solidarität verletzen. Wer eine andere Partei unterstützt, gehört nicht in die SPD. Unsere Partei muß intakt sein, um ihre Rolle in Staat und Gesellschaft spielen zu können. Nur so kann sie auch die - längerfristig notwendige -Koalition mit den Freien Demokraten in entscheidendem Maße konstruktiv prägen. Die Zusammenarbeit in der sozialliberalen Koalition ist durch Respekt und Loyalität geprägt.



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net edition fes-library | Juni 2001