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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
19./21. Okt. 1973

Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD führt in Duisburg ihre erste Bundeskonferenz mit 300 Delegierten durch. W. Brandt, H. Wehner und H. Rohde referieren.
H. Rohde erklärt: Die Arbeitnehmer sind weder in der Gesellschaft noch in der SPD ein Flügel. Sie sind die Substanz des gesellschaftlichen Prozesses. Es ist für die Sozialdemokratie und für die ganze Gesellschaft von grundlegendem Belang, den Arbeitnehmern in der politischen Willensbildung und in den politischen Institutionen ein entsprechendes Gewicht einzuräumen. H. Rohde weist daraufhin, daß z.Z. nahezu 3000 SPD-Betriebsgruppen in Betrieben und Verwaltungen, rund 260 Arbeitsgemeinschaften auf Ortsvereins- und Unterbezirksebene sowie 22 Bezirks- und Landesarbeitsgemeinschaften die organisatorische Grundlage der Arbeitsgemeinschaften bilden.
Der Vorsitzende des DGB, H. O. Vetter, anerkennt zwar, daß die Regierung der sozial-liberalen Koalition die erste Regierung in diesem Lande ist, die die Frage der Mitbestimmung anpackt und lösen will, er fordert aber die SPD auf, bei der Regelung nicht dem Koalitionspartner zu viele Zugeständnisse zu machen und verlangt das gesetzliche Verbot der Aussperrung.
Auf dieser Konferenz kommt es zu heftigen Diskussionen. Die Delegierten verlangen, das Recht des Bürgers auf öffentliche Einrichtungen in allen Lebensbereichen steht vor dem Recht auf individuelles Eigentum. Das private Eigentum an Produktionsmitteln soll von einer bestimmten Größenordnung der Unternehmen an aufgehoben werden. Banken und Versicherungen sind in öffentliches Eigentum zu überführen.
Die Massenmedien müssen gesellschaftspolitischen Kontrollen unterliegen. Die Preispolitik von großen Schlüsselunternehmen ist zu kontrollieren. Auf den energischen Einspruch von H. Schmidt werden Preiskontrollen nicht als direkte Eingriffe in die Preispolitik definiert, sondern als Offenlegung der Kostenkalkulation mit Eingriffsmöglichkeiten bei Verdacht des Mißbrauchs der Marktbeherrschung.
Für die Mehrheit der Delegierten ist der Grad der Integration im ärztlichen Bereich - frei praktizierende Ärzte, Krankenhäuser und öffentlicher Gesundheitsdienst - zu erhöhen, evtl. auch durch Verstaatlichung. Für die Mitbestimmung ist die Parität unbedingt erforderlich, eine Sondervertretung für leitende Angestellte wird strikt abgelehnt.
Die Finanzierung des Reformprogramms setzt eine Umverteilung der Steuerlast zugunsten der unteren Einkommensschichten voraus. Steuererhöhungen sind nur dann akzeptabel, wenn die Arbeitnehmereinkommen dadurch nicht belastet werden.
Als Vorsitzender wird H. Rohde gewählt, der als Schwerpunktaufgaben für die Arbeitsgemeinschaft nennt: Eine Gesamtstrategie zur Humanisierung des Arbeitslebens zu entwickeln, die mehr ist als sozialpolitische Teilkorrektur; die Entwicklung eines politischen Bildungsprogramms für Arbeitnehmer und die Förderung der aktiven Mitarbeit von Sozialdemokraten in allen Bereichen der Arbeitnehmervertretung.



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net edition fes-library | Juni 2001