Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag: 22. Mai 1973

Das Präsidium der SPD stellt unmittelbar nach dem Abschluß des Besuches von Generalsekretär L. I. Breschnew in der Bundesrepublik fest: Die Erwartungen, die mit dem deutsch-sowjetischen Vertrag verknüpft waren, haben sich zum überwiegenden Teil bereits in weniger als drei Jahren nach dem Abschluß verwirklicht. Das Viermächte-Abkommen hat die Bindungen zwischen der Bundesrepublik und Berlin bestätigt und damit einen wesentlichen Krisenherd im Herzen Europas entschärft. Das Ergebnis der Gespräche zwischen W. Brandt und L. I. Breschnew, hat dies noch einmal deutlich und für beide Seiten verbindlich unterstrichen. Das Präsidium begrüßt nachdrücklich den hervorgehobenen Willen beider Seiten, die wechselseitigen Verbindungen zwischen Bürgern und Organisationen in beiden Staaten zu fördern.

Die bayerische Staatsregierung beschließt mit acht gegen sechs Stimmen beim Bundesverfassungsgericht eine Einstweilige Verfügung zu beantragen, die es dem Bundespräsidenten untersagt, das Gesetz über die Ratifizierung des Grundvertrages zu verkünden sowie anschließend eine Normenkontrollklage einzubringen, um die Verfassungsmäßigkeit des Vertrages feststellen zu lassen und zwar macht sie geltend: Der Grundvertrag verstößt gegen das Gebot der Wahrung der staatlichen Einheit Deutschlands; verletzt das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes und die Rechte des anderen Teils Deutschlands auf Beitritt zur Bundesrepublik sowie die der Bundesrepublik obliegenden Schutz- und Fürsorgepflicht gegenüber den Deutschen in der DDR und ist mit den Vorschriften des Grundgesetzes betreffend Berlin unvereinbar.