Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag: 5. Juni 1972

Die Langzeit-Kommission der SPD legt einen umfangreichen Entwurf eines ökonomisch-politischen Orientierungsrahmens 1973-1985 vor.
Der Entwurf nennt drei Prioritäten: Bildung und Wissenschaft; Verkehrsinfrastruktur und Städtebau; Wohnungswesen und kommunale Gemeinschaftsdienste. Der Anteil der öffentlichen Ausgaben am Sozialprodukt soll von jetzt 29 % auf 34 % bis 1985 steigen. Das sei nur möglich, erklärt der Vorsitzende der Kommission, H. Schmidt, wenn man eine hohe Wachstumsrate zugrundelege, die durch Produktivitätsfortschritte erreicht werden müsse. Zur Frage der Finanzierung heißt es, die Mehreinnahmen, die sich bei einer Verwirklichung der Parteitagsbeschlüsse für die Steuerreform ergeben würden, seien wahrscheinlich noch nicht ausreichend, um das langfristige Programm verwirklichen zu können. Eine Änderung der Tarife sei deshalb nicht ausgeschlossen. Für Bildung und Wissenschaft strebt die Kommission eine durchschnittliche jährliche Steigerungsrate von 9,2 % an. 1985 sollen für diesen Bereich 7,6 % des Bruttosozialproduktes (gegenwärtig 4,1) ausgegeben werden. Die Steigerungsraten für Verkehrsinvestitionen sollen 8,9 und die für Städtebau, Wohnungswesen und kommunale Gemeinschaftsdienste 6,5 % betragen. Die Aufwendungen für die Sicherheit nach außen werden jährlich eine Steigerung der staatlichen Aufwendungen von 4,8 % erfordern. Der Bedarf für den Verteidigungsbereich sei jedoch von der internationalen Entwicklung abhängig.
Der Entwurf wird umgehend den Parteimitgliedern und der Öffentlichkeit zur Diskussion übergeben. Der Parteivorstand geht davon aus, daß der Entwurf alle zwei Jahre der Korrektur sowie der Fortschreibung bedarf; er wird deshalb eine ständige Arbeitsgruppe mit dieser Aufgabe beschäftigen, die auch für Anfragen aus der Parteiorganisation zur Verfügung steht.