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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
17. Mai 1972

Vor der Schlußabstimmung über die Ostverträge erklärt C. Schmid für die SPD: Unsere geschichtliche Vergangenheit und die , geographische Lage im Herzen Europas verpflichten uns, einen eigenen deutschen Beitrag zur Sicherung des Friedens zu leisten. Die vorliegenden Verträge bezeugen den Friedenswillen der Bundesrepublik und bilden die Voraussetzung für den Übergang zu einem Nebeneinander und möglichen Miteinander.
Mit dem Warschauer Vertrag wird ein Schlußstrich unter die leidvolle Geschichte des deutsch-polnischen Verhältnisses in der Vergangenheit gezogen. Die Wunden, die der Zweite Weltkrieg geschlagen hat, sind noch nicht verheilt. Eine Aussöhnung verlangt unseren beiden Völkern die Überwindung bitterer Gefühle ab. Die Bundesrepublik wird nach diesem Vertrag die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens nicht mehr in Frage stellen. Dieser Schritt wird zu einer allmählichen Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen beitragen. Unseren Landsleuten aus den früheren deutschen Ostgebieten hat der Zweite Weltkrieg ein besonderes Opfer auferlegt. Sie sind aufgerufen, den Weg der beiden Völker in eine glücklichere Zukunft mit zu bahnen.
Die Verträge stimmen mit der Politik unserer Verbündeten in der NATO und unseren europäischen Freunden überein und sind ein Beitrag zu der ihnen allen gemeinsamen Friedenspolitik. Damit ermöglichen die Verträge die Fortsetzung der europäischen Einigung.
Diese Verträge widersprechen nirgends den Verpflichtungen, die das Grundgesetz uns auferlegt und bilden eine entscheidende Voraussetzung für die Regelung, die zur Überwindung der Spannungen innerhalb Deutschlands notwendig sind.

In namentlicher Abstimmung stimmen für den Vertrag mit der Sowjetunion 248 Abgeordnete, dagegen 10 und 238 enthalten sich. Dem Vertrag mit der Volksrepublik Polen stimmen 248 Abgeordnete zu, mit Nein stimmen 17 und 231 enthalten sich.

Der Bundestag stimmt einer von allen im Bundestag vertretenen Parteien eingebrachten Entschließung zu: Zu den maßgebenden Zielen unserer Außenpolitik gehört die Erhaltung des Friedens in Europa und der Sicherheit der Bundesrepublik. Die Verträge mit Moskau und Warschau sollen diesen Zielen dienen. Sie sind wichtige Elemente des Modus vivendi, den die Bundesrepublik mit ihren Nachbarn herstellen will. Die Verträge gehen von den heute tatsächlich bestehenden Grenzen aus, deren einseitige Änderung sie ausschließen. Die Verträge nehmen eine friedensvertragliche Regelung für Deutschland nicht vorweg und schaffen keine Rechtsgrundlage für die heute bestehenden Grenzen. Das unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung wird durch die Verträge nicht berührt. Die Politik der Bundesrepublik, die eine friedliche Wiederherstellung der nationalen Einheit im europäischen Rahmen anstrebt, steht nicht im Widerspruch zu den Verträgen, die die Lösung der deutschen Frage nicht präjudizieren.
Mit der Forderung auf Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts erhebt die Bundesrepublik keinen Gebiets- oder Grenzänderungsanspruch. Der Bundestag stellt fest, daß die fortdauernde und uneingeschränkte Geltung des Deutschlandvertrages und die mit ihm verbundenen Abmachungen und Erklärungen von 1954 sowie das Fortgelten des zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR am 13. September 1955 geschlossenen Abkommens von den Verträgen nicht berührt wird. Die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und auf Berlin werden durch die Verträge nicht berührt. Die Bundesrepublik steht fest im Atlantischen Bündnis, auf dem ihre Sicherheit und ihre Freiheit nach wie vor beruhen. Sie wird die Politik der europäischen Einigung zusammen mit ihren Partnern unbeirrt fortsetzen mit dem Ziel, die Gemeinschaft stufenweise zu einer politischen fortzuentwickeln. Die Bundesrepublik bekräftigt ihren festen Willen, die Bindungen zwischen Westberlin und der Bundesrepublik gemäß dem Vier-Mächte-Abkommen und den deutschen Zusatzvereinbarungen aufrechtzuerhalten und fortzuentwickeln. Sie wird auch in Zukunft für die Lebensfähigkeit der Stadt und das Wohlergehen ihrer Menschen Sorge tragen. Die Bundesrepublik tritt für die Normalisierung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und der DDR ein. Sie geht davon aus, daß die Prinzipien der Entspannung und der guten Nachbarschaft in vollem Maße auf das Verhältnis zwischen den Menschen und Institutionen der beiden Teile Deutschlands Anwendung finden werden.
Diese Entschließung wird mit 491 Stimmen und 5 Enthaltungen angenommen.



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net edition fes-library | Juni 2001