Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Bei der Kranzniederlegung am Denkmal für die Opfer des Warschauer Gettos kniet Bundeskanzler W. Brandt für eine Gedenkminute nieder.
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
7. Dez. 1970
In Warschau unterzeichnen Bundeskanzler W. Brandt und Bundesaußenminister W. Scheel den Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen.
In der Präambel bekunden beide Seiten - in der Erwägung, daß mehr als 25 Jahre seit Kriegsende vergangen sind und eingedenk dessen, daß in beiden Ländern inzwischen eine neue Generation herangewachsen ist, der eine friedliche Zukunft gesichert werden soll - den Wunsch, dauerhafte Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben zu schaffen.
Beide Seiten stellen übereinstimmend fest, daß die Oder-Neiße-Grenze die westliche Staatsgrenze Polens ist und bekräftigen die Unverletzlichkeit ihrer bestehenden Grenzen auch in Zukunft und verpflichten sich gegenseitig zur uneingeschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität. Beide Seiten werden sich in ihren gegenwärtigen Beziehungen von den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen leiten lassen und bekennen sich zur Lösung aller Streitfragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln. Außerdem wollen beide Seiten weitere Schritte zur vollen Normalisierung und umfassenden Entwicklung ihrer gegenseitigen Beziehungen unternehmen.
Aus Anlaß der Vertragsunterzeichnung informiert die polnische Regierung die Bundesregierung über Maßnahmen zur Lösung humanitärer Probleme, insbesondere der Familienzusammenführung und des Besuchs von Familienangehörigen.
W. Brandt erklärt: Dieser Vertrag konnte nur nach ernster Gewissensforschung unterschrieben werden. Wir haben uns nicht leichten Herzens hierzu entschieden. Wir dürfen nicht vergessen, daß dem polnischen Volk nach 1939 das Schlimmste zugefügt wurde, was es in seiner Geschichte hat durchmachen müssen. Großes Leid traf auch unser Volk, vor allem unsere ostdeutschen Landsleute. Dieser Vertrag bedeutet nicht, daß wir Vertreibungen nachträglich legitimieren. Wir müssen unseren Blick in die Zukunft richten und die Moral als politische Kraft erkennen. Wir müssen die Kette des Unrechts durchbrechen. Indem wir dies tun, betreiben wir keine Politik des Verzichts, sondern eine Politik der Vernunft.