Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Die Bundeskonferenz der Jungsozialisten in Mainz ist der Auffassung, daß jede Deutschlandpolitik davon auszugehen hat, daß mit der Bundesrepublik und der DDR faktisch zwei deutsche Staaten mit unterschiedlicher Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bestehen. Es bleibt unser Ziel, diese beiden Staaten auf friedlichem Wege in einem deutschen Staat wieder zu vereinen. Die Möglichkeit, daß eine konsequente Friedenspolitik den Fortbestand der beiden Staaten zur Folge haben könnte, ist nicht auszuschließen. Daher muß es Aufgabe unserer Politik sein, das Auseinanderleben der Menschen zu verhindern, bestehende Verbindungen zu erhalten und neue zu schaffen. Dazu sind Verhandlungen der zuständigen Stellen auf allen Ebenen mit unbegrenztem Themenkreis erforderlich.
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
8./10. Dez. 1967
Voraussetzungen dieser Politik der aktiven Kooperation sind: Aufgabe des Alleinvertretungs-Anspruchs der Bundesrepublik. Die DDR muß von der Bundesregierung als gleichberechtigter Verhandlungspartner anerkannt werden. Abkommen mit der DDR dürfen auch nicht an der Frage der völkerrechtlichen Anerkennung scheitern.
Die Bundesrepublik erneuert ihre Gewaltverzichtserklärungen und strebt mit allen Staaten, insbesondere auch mit der DDR, einen Austausch solcher gegenseitigen Erklärungen an. Die Bundesrepublik erkennt die Oder-Neiße-Grenze an.
Die Bundesrepublik strebt ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem an. Elemente dieses Systems müssen sein: Verzicht der Bundesrepublik auf Besitz und Mitbesitz an Nuklearwaffen, schrittweise Abrüstung und Errichtung eines europäischen Inspektionssystems.
Die Annäherung der beiden deutschen Staaten ist nicht nur eine Angelegenheit der Regierungen, sondern auch Aufgabe der gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere der Jugendorganisationen. Gegenseitige Informationen und möglichst umfangreiche Kontakte sind die Mittel zur Erreichung dieses Zieles. Derartige Kontakte zur Jugend im anderen Teil Deutschlands sind nicht ohne die FDJ und die anderen Jugendorganisationen in der DDR möglich.
Nach der Annahme dieser Entschließung verlassen zahlreiche Delegierte den Kongreß.
Die Bundeskonferenz lehnt mit großer Mehrheit den Entwurf der Bundesregierung zur Notstandsgesetzgebung ab.
Mit großer Sorge verfolgen die Jungsozialisten die Entwicklung der politischen Willensbildung innerhalb der Partei. Sie verlagere sich in immer stärkerem Maße von der Mitgliedschaft auf den Parteivorstand und die Bundestagsfraktion. Anstelle einer Erörterung der zentralen politischen Fragen, über die in der Partei starke Meinungsunterschiede herrschen (Politik der Großen Koalition, Notstandsgesetze), in einer breiten, verbindlichen Diskussion durch die Mitgliedschaft und durch einen außerordentlichen Parteitag treten bevorzugt Arbeitstagungen, die zwar keine verbindlichen Beschlüsse fassen, aber in der Öffentlichkeit den Eindruck von demokratisch legitimierten Entscheidungen der Gesamtpartei vermitteln.
Die Bundeskonferenz fordert den Vorstand der Partei auf, sämtliche noch bestehenden Unvereinbarkeitsbeschlüsse aufzuheben.
Kollektive Ausschlußbeschlüsse entsprechen nicht dem Charakter einer Volkspartei. Vielmehr ist in jedem Einzelfall parteischädigendes Verhalten nachzuweisen.
P. Corterier wird in einer Kampfabstimmung mit 110 gegen 78 Stimmen neuer Bundesvorsitzender.
Vertreter des linken Flügels innerhalb der Jungsozialisten, vor allem aus Hessen-Süd, Schleswig-Holstein, Südbayern und dem Niederrhein, hatten zum ersten Mal vor der Konferenz Absprachen getroffen.