DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

DEKORATION DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG DEKORATION


TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
2. Juli 1964

Parteivorstand, Parteirat und Kontrollkommission der SPD verabschieden die »Bildungspolitischen Leitsätze« als Grundlage sozialdemokratischer Bildungspolitik. Die SPD sieht in der Bildungspolitik die wichtigste Gemeinschaftsaufgabe unseres Volkes.
Erziehungsziel ist der mündige Bürger, der sein eigenes Leben selbstbewußt führt und sich in mitbürgerlicher Verantwortung im öffentlichen Leben bewährt. Nur er sichert auf die Dauer Bestand und Lebendigkeit unserer Demokratie.
Erziehung und Unterricht haben die Aufgabe, junge Menschen die Wirklichkeit in ihren bestimmenden Grundlagen und geschichtlichen Quellen, in ihrer Mannigfaltigkeit wie in ihrer Widersprüchlichkeit erkennen und erleben zu lassen.
Die Bundesrepublik ist hinter der Entwicklung des Bildungswesens in vielen Industrienationen erheblich zurückgeblieben. Um auch in diesem Bereich die europäische Integration zu ermöglichen, muß das deutsche Schulwesen umsichtig und entschlossen weiter entwickelt werden. In Schulversuchen sind neue Entwicklungsmethoden zu erproben.
Nach den Auffassungen der SPD sind dafür u. a. erforderlich: Das Schulsystem wird von der überkommenen vertikalen Gliederung in einen horizontalen Stufenaufbau überführt werden, der den Alters- und Entwicklungsstufen der Schüler entspricht. In der Grundstufe werden die Kinder nicht in einem Alter getrennt, in dem nur in Einzelfällen besondere Befähigungen erkannt werden können. Nach der Vereinbarung der europäischen Erziehungsminister ist spätestens vom zehnten Lebensjahr an für alle Schüler eine lebende Fremdsprache zu lehren. In Ländern mit vierjähriger Grundschule ist die Einführung einer Förderstufe im fünften und sechsten Schuljahr ein Schritt zur Grundstufe.
In der Mittelstufe werden alle Schüler neben einem gemeinsamen Kernunterricht in Kursen nach ihrer unterschiedlichen Befähigung gefördert.
Schritte zu diesem Ziel sind:
Verbesserte Übergangsmöglichkeiten zwischen der heutigen Volksschuloberstufe, der Mittel-(Real-)Schule und der Mittelstufe des Gymnasiums. Zusammenlegung dieser Schularten zu einer organisatorischen Einheit.
Die Schulorganisation muß für alle Schüler zureichende Wahlmöglichkeiten vorsehen, um jeden Jugendlichen die seiner Leistungsfähigkeit und seinen Interessen entsprechende Förderung gewähren zu können. Der Unterricht darf die Mithilfe des Elternhauses nicht voraussetzen.
Alle Lehrer werden an wissenschaftlichen Hochschulen ausgebildet. In der Schülermitverantwortung bewährt sich die heranwachsende Jugend selbständig an eigenen Aufgaben und macht ihre ersten demokratischen Erfahrungen.
Berufsausbildung ist eine öffentliche Aufgabe. Die berufliche Ordnung der modernen Arbeitswelt verlangt die Verminderung der Zahl der Ausbildungsberufe. Auf eine breitangelegte Grundausbildung folgt die berufliche Spezialisierung. Die Ausbildungszeiten sind nach den Leistungsforderungen der einzelnen Berufe zu differenzieren. Überbetriebliche Ausbildungsstätten werden eingerichtet, wo die sachlichen oder personellen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Ausbildung in den Betrieben fehlen. Die Berufsschule als berufsbegleitende Teilzeitschule ist Partner des betrieblichen Ausbildungswesens.
Technischer Fortschritt und Wandlungen der Wirtschaftsstruktur erfordern ständige Fortbildung und berufliche Neuorientierung. Der Fernunterricht ist für diese Aufgabe besonders geeignet. Er ist zum festen Bestandteil des öffentlichen Unterrichts und Schulwesens zu entwickeln. Die gesellschaftlichen Anforderungen von heute machen es nötig, daß sich zahlreiche Gruppen und das Gemeinwesen selbst mit ergänzenden Einrichtungen und Maßnahmen an der Erziehungsaufgabe beteiligen. Ihre Bemühungen sind zu fördern und so auszugestalten, daß sie den Menschen helfen, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten.
Nur ein umfassendes System der Ausbildungsförderung sichert den unterschiedlichen Befähigungen volle Entfaltung.
Der demokratische Staat hat die Pflicht, das Recht der Erwachsenen auf Bildung zu sichern. Jedem Arbeitnehmer wird ein gesetzlicher Anspruch auf einen Bildungsurlaub von zehn zusammenhängenden Arbeitstagen zugestanden. Die Erwachsenenbildung ist gleichberechtigter Teil des öffentlichen Bildungswesens.
Wenn die Verbindung von Forschung und Lehre der Hochschulen erhalten oder wieder ermöglicht werden soll, sind Strukturwandlungen erforderlich.
Das System der Parallelordinariate ist konsequent auszubauen, um das Verhältnis der Zahl der Ordinarien zu der der Studierenden zu verbessern. Der akademische Mittelbau muß neu strukturiert und differenziert werden. Die organisatorische Gliederung der Hochschule muß die starren Fakultätsgrenzen überwinden und neue Sachzusammenhänge berücksichtigen. Die oberste Verantwortung für die akademische und wirtschaftliche Verwaltung der Hochschulen ist entweder zwischen einem selbständigen Kanzler in Dauerstellung und dem wechselnden Rektor aufzuteilen oder in der Hand eines Rektors oder Präsidenten zu vereinen, der langfristig oder auf Lebensdauer bestellt wird. Die Hochschullehrerlaufbahn muß in allen Stufen anziehender für den wissenschaftlichen Nachwuchs gemacht werden. Die Habilitation ist auch ohne Habilitationsschrift möglich. Das Studium wird in Grund-, Haupt- und Fortgeschrittenenstudium gegliedert. Zwischenprüfungen ermöglichen den Studenten eine Leistungskontrolle. Die Abschlußprüfungen verlangen den Nachweis einer dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Ausbildung. Zu bewerten ist nicht das Gedächtnis, sondern das Verständnis und die Fähigkeit zu eigener wissenschaftlicher Arbeit. Bibliotheken sind planmäßig auszubauen und mit modernen technischen Hilfsmitteln zu versehen.
An den Universitäten und Hochschulen sind die Erfolgsaussichten der Studenten aus Entwicklungsländern zu verbessern.
Die Spitzengremien der SPD beschließen, ihren Anteil an den zusätzlich vom Bundestag für die Erstattung der Wahlkampfkosten beschlossenen Mittel nicht für Wahlkämpfe zu benutzen, sondern sie für ein gesellschaftspolitisches Bildungsprogramm zu verwenden.
Alle Volks- und Mittelschulen sowie höhere Schulen erhalten die Möglichkeit, ihre Bibliotheken mit Literatur über das Zeitgeschehen zu vervollständigen. Aus einem Katalog von 48 Büchern kann jede Schule für 200 DM Bücher bestellen. Für Studenten- und Lehrlingswohnheime und Soldatenbüchereien soll zusätzliche Literatur über das Zeitgeschehen beschafft werden.
Es sollen Maßnahmen zur Förderung der Schülermitverwaltung und Unterstützung von Schülerzeitungen eingeleitet werden. Dieses Angebot nutzen 11 361 Schulen aus, die über 110 000 Bücher bestellen.



Vorhergehender StichtagInhaltsverzeichnisFolgender Stichtag


net edition fes-library | Juni 2001