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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
4. Okt. 1931

Reichskonferenz oppositioneller Sozialdemokraten in Berlin, 88 Delegierte, die 25 von 33 Bezirken vertreten, nehmen teil.
M. Seydewitz hält das Hauptreferat und begründet die Notwendigkeit, eine neue Partei zu gründen. Als Parteinamen schlägt er vor:

»Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands«. Er führt den Konflikt der Linken mit der Partei auf die mangelnde Meinungsfreiheit in der SPD zurück. Nach links tendierende Zeitungen habe der Parteivorstand systematisch durch die »Konzentration A. G.« zur Aufgabe ihrer Opposition gezwungen. Daher hätte die Linke ein eigenes Publikationsorgan wie die »Fackel« benötigt. Die vom Parteivorstand vorgeschützten organisatorisch-disziplinarischen Ausschlußgründe gegen ihn und K. Rosenfeld seien nicht die wirklichen Motive gewesen, sondern vielmehr die tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten über die politische Taktik, besonders in der Frage der Tolerierung H. Brünings. Der Bruch mit der Partei um einer organisatorischen Frage willen sei für die Opposition ungünstiger als wenn sich der Konflikt an einer politischen Frage entzündet hätte, etwa im Oktober bei der Diskussion des Reichstages über die Notverordnungen. Es habe nicht an Vermittlungsversuchen gefehlt, vor allem habe sich O. Bauer bemüht. Die neue Partei werde eine besonders scharfe Abgrenzung gegenüber den Kommunisten einhalten.

K. Zweiling erläutert den Entwurf eines »Provisorischen Aktionsprogramms«. Das Programm wendet sich gegen die durch die Weltwirtschaftskrise heraufbeschworene Kriegsgefahr und verpflichtet die Partei zur Förderung aller Friedensbestrebungen, besonders der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Bei Ausbruch eines Krieges muß die Partei »mit allen, auch revolutionären Mitteln« für die Beendigung des Krieges und den Sturz der kapitalistischen Klassenherrschaft kämpfen.

Zur ökonomischen Situation stellt das Aktionsprogramm fest, daß die Wirtschaftskrise ein Stadium erreicht habe, in dem sie aus sich selbst heraus eine fortschreitende Verschärfung erfahre. Die Bourgeoisie vermöge mit kapitalistischen Mitteln die Krise nicht mehr zu bannen, daher müsse als einziger Ausweg eine sozialistische Wirtschaftspolitik propagiert - die sog. Wirtschaftsdemokratie wird jedoch abgelehnt - und der Sturz des Kapitalismus vorbereitet werden: »Der Sozialismus wird zur Tagesaufgabe unserer Zeit«.

Das Aktionsprogramm kritisiert an der KPD die »Revolutionsspielerei«, ihre »Putschtaktik«, die »Spaltungspolitik in den Gewerkschaften und den proletarischen Kultur-, Sport- und Wirtschaftsorganisationen«, den »diktatorisch-zentralistischen Organisationsapparat« und ihre »Politik der Unehrlichkeit«.
Über die SPD heißt es im Programm lediglich, daß ihre Politik »nur der herrschenden Klasse zur Kulisse dient«.
Die SAP will »an die besten Traditionen der Vorkriegs-Sozialdemokratie« anknüpfen.

Im Kapitel »Der Kampf um die Macht« wird festgestellt: Komme die Arbeiterklasse »auf demokratischem Wege« zur Macht, so wolle man die Herrschaft »demokratisch« handhaben, nur im Falle der Machteroberung im Bürgerkrieg solle die Regierung in der »Form der proletarischen Diktatur« ausgeübt werden.

E. Eckstein spricht über das provisorische Organisationsstatut. Im Gegensatz zur SPD ist darin der Ortsverein und nicht der Bezirksverband Grundlage der Organisation.

Der Parteitag besteht nur aus gewählten Delegierten; Mitglieder des Parteivorstandes, des Parteiausschusses und der Reichstagsfraktion haben beratende Stimme. Die Redaktionen der Parteiorgane sollen auch »solchen Ansichten Raum geben, die der Meinung des Parteivorstandes oder ihrer eigenen Meinung widersprechen«. Der Parteivorstand ist nicht berechtigt, »gegen den Willen der Mitglieder des Bezirks, Unterbezirks oder einer örtlichen Organisation in Fragen einzugreifen, in denen die politische oder geschäftliche Haltung der Zeitungen im Einklang mit der Haltung der Parteimitglieder ist, in deren Verbreitungsgebiet das Blatt erscheint«. Gegenüber dem SPD-Statut wird das Parteiausschlußverfahren erschwert. Für Vertreter der Partei in der Verwaltung, in Parlamenten und Wirtschaftsunternehmen setzt der Parteitag ein Höchstgehalt fest. Besoldete Angestellte der Partei können niemals Mitglieder einer Instanz sein, die ihre Tätigkeit zu überwachen hat; sie werden von der Organisation, deren Geschäfte sie leiten sollen, auf ein Jahr gewählt.

H. Ziegler referiert über das Verhältnis der SAP zu den Gewerkschaften. Er begründet eine Resolution, in der festgestellt wird, daß die Gewerkschaften innerhalb des Kapitalismus die verschärfte Ausbeutung und das soziale Elend nicht mehr zu bannen vermögen und daher »den Niedergangsprozeß des Kapitalismus« beschleunigen müssen. Die gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen müssen »auf breiter Basis national und international vorbereitet, geführt und bis zum Entscheidungskampf um den Sozialismus« gesteigert werden, der allein die Lösung der Krise verspreche.

H. Ziegler grenzt sich scharf von der Spaltungspolitik der KPD in den Gewerkschaften ab und setzt sich für ein Bekenntnis der SAP zur Erhaltung der Einheit der Gewerkschaften ein.
Am Ende der Reichskonferenz wird einstimmig die Gründung der »Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands« (SAPD) beschlossen. Ebenfalls einstimmig angenommen werden das provisorische Aktionsprogramm, das vorläufige Organisationsstatut und ein »Aufruf an alle Proletarier«, der die deutsche Arbeiterschaft zur Sammlung in der SAP auffordert.
Die SAP will sich der »Sozialistischen Arbeiter-Internationale« (SAI) anschließen und einen Schutzbund als Gegenstück zum Reichsbanner bilden.
Zu Vorsitzenden werden K. Rosenfeld, M. Seydewitz und H. Ströbel gewählt, Mitglieder des Parteivorstandes werden A. Portune, E. Eckstein, K. Zweiling und Gertrud Düby. Organ der SAPD wird die »Sozialistische Arbeiterzeitung« unter der Redaktion von R. Kleineibst. H. Ströbel tritt Ende 1931 wieder zur SPD über.



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