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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
8. Sept. 1931

Die SPD-Reichstagsfraktion betont in einer Entschließung: »Die außerordentliche Vertiefung der Krise der Weltwirtschaft durch die Erschütterung der Kreditorganisationen und die dadurch heraufbeschworenen Gefahren machen die Aufrechterhaltung und Sicherung der Lebenshaltung des deutschen Volkes zur wichtigsten Aufgabe der Politik. Das erfordert eine Führung der Außenpolitik, die das durch den nationalsozialistischen Lärm erzeugte Mißtrauen beseitigt und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Völker schafft. Im Zentrum dieser Politik muß die deutsch-französische Verständigung stehen, die auf wirtschaftlichem und politischen Gebiet angestrebt und zu einer dauernden Zusammenarbeit ausgestattet werden muß. Von besonderer Bedeutung wird die Führung der Handelspolitik sein. Das deutsche wie das internationale Interesse erfordert energische Schritte zur Herabsetzung des Zollniveaus der europäischen Staaten als Mittel zur Milderung der Wirtschaftskrise und als Gegenwirkung gegen die neuen schutzzöllnerischen Gefahren die von England drohen. Eine Außen- und Wirtschaftspolitik, deren Ziel vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Mächten ist, ist die Vorbedingung zur Wiederherstellung des deutschen Kredits. Die Krise hat die schweren Gefahren des kapitalistischen Systems enthüllt. Um noch fürchterlichere Zusammenbrüche zu verhindern, mußte das Reich zwei Großbanken stützen. Der Einsatz öffentlicher Mittel erfordert die dauernde Kontrolle des Reiches über diese Banken und die Fortführung unter gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten.«
Wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Bankpolitik für die Aufrechterhaltung der gesamten deutschen Wirtschaft wird deshalb die Errichtung eines Amtes für Bankpolitik verlangt, das mit allen Vollmachten zur Information über die Privatbanken und zum Eingreifen im volkswirtschaftlichen Interesse ausgestattet sein müßte.
Der Schutz der gemeinwirtschaftlichen Interessen erfordere in gleicher Weise eine wirksame Beeinflussung der Kartell- und Tarifpolitik durch die Organe des demokratischen Staates. Erneut wird deshalb ein Kartellamt für notwendig erachtet, ebenso die Reform des Aktienrechts, das den Mißbrauch mit dem Mehrstimmenrecht und den Depotaktien unterbinde, die Haftbarkeit der Aufsichtsräte sichere und weitgehende Publizität und Offenlegung zur Pflicht machen müsse.
Ferner wird Druck auf die Kartellpreise, Verminderung der Handelsspanne und der schädlichen Preisbindungen der zweiten Hand verlangt. Um eine neue Verringerung der Kaufkraft hintanzuhalten, wird die Verhinderung jeden weiteren Lohnabbaues gefordert. Die Entschließung tritt ferner ein für die Durchführung der40-Stunden-Woche, Schaffung einer Winterhilfe, Gewährung zusätzlicher Naturalleistungen von Kartoffeln und Kohlen neben der bisherigen Geldunterstützung für Arbeitslose. Schließlich wird eine Herabsetzung der hohen Pensionen und Gehälter in öffentlichen und privaten Verwaltungen und Betrieben und rücksichtsloser Kampf gegen den Faschismus verlangt.



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net edition fes-library | Juni 2001