Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. -
[Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
USPD Parteitag in Leipzig. 188 Delegierte. Tagesordnung: Die Politik der USPD (W. Dittmann); Programmfragen (G. Ledebour); die Internationale Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Parteien (A. Crispien); das Organisationsstatut (R. Lipinski); das Kommunalprogramm (K. Herz).
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
8./12. Jan. 1922
A. Crispien bezeichnet als die Aufgaben des Parteitages die Steuerpolitik, die Koalitionspolitik und die Einigung des Proletariats. W. Dittmann betont die Bereitschaft der USPD, in eine rein sozialistische Regierung einzutreten. Ein Zusammengehen mit der KPD sei unmöglich. Die Koalitionspolitik sei das Haupthindernis der Einigung des Proletariats. Die Einigung werde nur auf dem Boden des Klassenkampfes kommen. Die USPD bekenne sich weiter zur Diktatur des Proletariats. Der Parteitag bestätigt die Grundsätze von Leipzig und Halle. In den Vordergrund werden als wirtschafts und sozialpolitische Kampfziele die Fortführung der sozialen Gesetzgebung, die Bekämpfung jeder Verlängerung der Arbeitszeit, die Ablehnung jeder Beschränkung der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts, die Erweiterung der Rechte der Betriebsräte, die Verwirklichung des Grundsatzes, daß der Staat die Pflicht zur Erhaltung bedürftiger, arbeitsunfähiger oder arbeitsloser Mitglieder der Gesellschaft habe und die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsrechts, gestellt.
Die USPD bekämpfe auf das entschiedenste neue indirekte und Verbrauchssteuern; die Grundlage der Finanzreform müsse die Erfassung der Sachwerte sein, die schärfste Besteuerung der Spekulationsgewinne, die Erhöhung der Ausfuhrabgaben zur Erfassung der Valutagewinne und die Sozialisierung der Schlüsselindustrien, insbesondere des Kohlenbergbaues.
In Protestresolutionen fordert der Parteitag die sofortige Zurückziehung der Sowjettruppen aus dem okkupierten Georgien und wendet sich gegen die barbarische Behandlung politischer Gefangener in Sowjetrußland sowie gegen Abtrennungsgelüste im Westen.
Der Parteitag fordert die deutsche organisierte Arbeiterschaft auf, die Kontrolle der Munitionsfabriken so durchzuführen, daß jede Munitionserzeugung unmöglich werde.
Ein neues Organisationsstatut wird angenommen.
Bei seinem Bericht über die Internationale Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Parteien prägt A. Crispien in seinem Enthusiasmus den oft zitierten und mißverstandenen Satz: »Wir kennen kein Vaterland, das man Deutschland nennt. Unser Vaterland ist die Erde, ist das Proletariat.«
Nach dem Geschäftsbericht stellt die USPD 7222 Stadt- und Gemeindevertreter, 438 Kreistagsabgeordnete, 124 Landtagsabgeordnete, 64 Provinziallandtagsabgeordnete, 61 Reichstagsabgeordnete, 15 Mitglieder des Reichsrates, des Staatsrates und Minister.
Beiträge sind für 300 659 Mitglieder bezahlt, die USPD hat 48 Tageszeitungen, die Jugendorganisationen 12 000 Mitglieder, deren Zeitung »Freie Jugend« eine Auflage von 9000 Exemplaren.
Zu Vorsitzenden werden A. Crispien (181), W. Dittmann (164), G. Ledebour (124), zum Kassierer K. Ludwig (183), zu Sekretären Luise Zietz (181), F. Künstler (157), zu Beisitzern P. Brühl (181), R. Hilferding (155), R. Krille (182), J. Moses (182), Anna Nemitz (184), K. Rosenfeld (144), Mathilde Wurm (166), in den Parteirat P. Berten (183), R. Dißmann (174), F. Donalies (184), A. Henke (180}, H. Knauf (184), B. Menke (180), F. Peters (182), Toni Sender (173), F. Seger (182), J. Simon (182), in die Kontrollkommission Lore Agnes (183), W. Bock (184), G. Fuchs (182), M. Güth (183), A. Karsten (184), A. Schwarz (183) und R. Wengels (184) gewählt.