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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
13. April 1945

Politische Gefangene des Konzentrationslagers Buchenwald veröffentlichen nach der Befreiung durch amerikanische Truppen das »Buchenwalder Manifest«:
»Wir haben Gefängnis, Zuchthaus und Konzentrationslager ertragen, weil wir glaubten, auch unter der Diktatur für die Gedanken und Ziele des Sozialismus und für die Erhaltung des Friedens arbeiten zu müssen.
Solange Faschismus und Militarismus in Deutschland nicht restlos vernichtet sind, wird es keine Ruhe und keinen Frieden bei uns und in der Welt geben.
Kriegsverbrecher und Kriegsverlängerer sind nach den Geboten des internationalen Rechts von deutschen Gerichten zu bestrafen.
Wir erstreben einen neuen Typ der Demokratie, die sich nicht in einem leeren, formelhaften Parlamentarismus erschöpft, sondern den breiten Massen in Stadt und Land eine effektive Betätigung in Politik und Verwaltung ermöglicht.
Das privilegierte Berufsbeamtentum ist abzuschaffen und durch ein hochqualifiziertes, sauberes, sozial modernes Volksbeamtentum zu ersetzen.

Die DAF ist in eine einheitliche Gewerkschaft zu überführen. Diese vom Staate unabhängige Gewerkschaftsorganisation soll die Selbstverwaltung und Selbstverantwortung der Arbeiter, Angestellten und Beamten für ihre sozialen Geschicke erneuern und stärken.

Deutschland kann ökonomisch nur auf sozialistischer Grundlage wieder aufgebaut werden.

Wir erklären feierlich, daß niemand von uns an eine Enteignung des bäuerlichen Besitzes denkt. Der Großgrundbesitz ist einzuziehen und gemeinwirtschaftlich zu verwalten.
Eine neue Währung und eine Sozialisierung der Banken und Versicherungsanstalten unter Führung der öffentlichen Bankanstalten sollen die Grundlagen einer gesunden Wirtschaftspolitik schaffen.

Staatsmonopole für Massenverbrauchsgüter sollen fiskalisch und preisregulierend wirken.

Bergwerke, die gesamte Energieerzeugung, die Schwerindustrie und das Verkehrswesen sind zu sozialisieren.
Zur Befriedigung des dringenden Massenbedarfs sind alle Verbrauchsgüterindustrien staatlich zu lenken. Der Wiederaufbau der Städte und die Wohnungsbeschaffung sind nach demselben Gesichtspunkt zu regeln. Ein Planwirtschaftsamt hat den sozialistischen Wiederaufbau zu leiten.
Wir bekennen uns zur schuldrechtlichen Verpflichtung der Wiedergutmachung der Schäden, die das deutsche Volk durch den Hitlerismus angerichtet hat. So entschieden wir Kontributionen und Vasallendienste ablehnen, so aufrichtig wollen wir dazu beitragen, daß durch Abtragung einer festbestimmten Wiedergutmachungsschuld eine neue Atmosphäre des Vertrauens zu Deutschland geschaffen wird.

Wir wünschen, baldigst in die Weltorganisation des Friedens und der Sicherheit aufgenommen zu werden und besonders als Richter und Partei in der internationalen Gerichtsbarkeit einen Beitrag zu leisten, der von anderen Völkern als wertvoll anerkannt werden soll.

Die deutsche Außenpolitik muß im engsten Einvernehmen mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken geführt werden. Unser oberstes Ziel ist, in Zusammenarbeit mit allen sozialistisch geführten Staaten zu einer europäischen Staatsgemeinschaft zu kommen, die unserem schwergeprüften Kontinent durch eine europäische Gemeinschaft Ordnung und Wohlstand verbürgt.
Die erste Voraussetzung dafür sehen wir in der deutsch-französischen und deutsch-polnischen Verständigung und Zusammenarbeit, die zweite im Eintritt Deutschlands in den angelsächsischen Kulturkreis.
Dazu brauchen wir einen neuen Geist. Er soll verkörpert werden durch den neuen Typ des deutschen Europäers. Uns kann niemand umerziehen, wenn wir es nicht in Freiheit selbst tun.
Zu all diesem ist die Einheit der sozialistischen Bewegung unerläßlich.
Begründet auf die Gedanken des Klassenkampfes und der Internationalität und auf das Bewußtsein, daß die Verwirklichung des Sozialismus nicht eine Frage des Zukunftsstaates, sondern die unmittelbare Gegenwartsaufgabe ist, wollen wir die Einheit der sozialistischen Bewegung als eine Einheit des praktischen Handelns, der proletarischen Aktion herstellen. Freiheit in der Diskussion und Disziplin in der Durchführung der Beschlüsse werden es uns ermöglichen, alle ehrlichen sozialistischen Kräfte zusammenzufassen.«
Dieses Manifest ist unterzeichnet u. a. von H. Baumeister, H. Brill, B. Kautsky, E. Schilling, E. Thape.



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net edition fes-library | Juni 2001