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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
3./4. Juli 1943

In New York findet eine »Landeskonferenz deutschsprachiger Sozialdemokraten und Gewerkschafter in den USA« statt. Die eingeladenen Mitglieder von »Neu Beginnen« lehnen in einem Protestschreiben die Teilnahme ab, weil die Konferenz nicht nach demokratischen Grundsätzen zusammengesetzt sei. Auf dieser Konferenz sprechen S. Marck über den Kampf der deutschen Arbeiterschaft, A. Grzesinski über die staatliche Neugestaltung Deutschlands, F. Kursen über Jugenderziehung im Nachkriegsdeutschland, Hedwig Wachenheim über Maßnahmen gegen Anarchie und Hunger, F. Stampfer über den Wiederaufbau der Arbeiter-Internationale, A. Braunthal und S. Aufhäuser über gewerkschaftliche Probleme sowie Howard J. Mc Murray, Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses, über internationale Sicherheit.
Die Konferenz spricht sich gegen eine Zusammenarbeit mit Kommunisten aus.
In einer Resolution »Zur politischen Lage« erklären die Konferenzteilnehmer:
»Mit Stolz erinnern wir an die Tatsache, daß die sozialdemokratische Reichstagsfraktion als einzige Parteivertretung am 23. März 1933 im Reichstag, der schon von bis an die Zähne bewaffneter SA und SS umstellt war, das Ermächtigungsgesetz für Hitler abgelehnt hat; mit Stolz stellen wir fest, daß ungezählte sozialdemokratische und Gewerkschaftsfunktionäre den illegalen Kampf gegen das Naziregime führen. Diese Feststellungen berechtigen uns, unsere Stimme zu erheben: Wir verurteilen auf das schärfste alle Verbrechen der Naziregierung, die Deutschland versklavt, entehrt, verarmt und in einen neuen Weltkrieg gestürzt hat, und wir verurteilen mit Entsetzen und tiefstem Mitgefühl die furchtbare Ausrottung des jüdischen Bevölkerungsanteils in Deutschland und den anderen Ländern und auf das schärfste Hitlers Überfälle auf friedliche Länder, von Österreich und der Tschechoslowakei angefangen, bis zu Sowjetrußland.

Wir fordern, daß nach dem Ende dieses Krieges die Nazi-Bewegung, die Naziregierung und alle ihre Einrichtungen bis auf die Wurzel ausgerottet werden und daß die Nazi-Verbrecher, große und kleine, zur Rechenschaft gezogen und die verwirkte Strafe erhalten.
Wir treten entschieden dafür ein, daß dem deutschen Volke wiederum die Gelegenheit zur demokratischen Entwicklung gegeben werde, nachdem die Nazi-Einrichtungen beseitigt und Deutschland abgerüstet worden ist.
Die freiheitliche Zukunft des deutschen Volkes erfordert die Vergesellschaftung der Schwerindustrie und des Großgrundbesitzes. Schon die Weimarer Republik wurde von der militärischen, schwerindustriellen und agrarischen Reaktion sabotiert. Nur wenn diesen Kräften, die den Nazis mit zur Macht verholten haben, ihre wirtschaftliche Grundlage entzogen wird, besteht die Sicherheit, daß die zweite deutsche Republik einen dauerhafteren Bestand haben wird als die erste.
Wir vermögen von Amerika aus nicht abzusehen, ob sich in Deutschland in dem zu erwartenden Zusammenbruch des Nazi-Regimes und der von ihm gestützten Militärmacht eine von demokratischen Kräften getragene revolutionäre Bewegung entfalten wird. Sollte das aber geschehen, so erheben wir jetzt schon unsere Stimme gegen jeden etwaigen Versuch, diese Bewegung einzudämmen. Nichts ist für die zukünftige Entwicklung eines freien Deutschlands wichtiger als die Wiederbelebung der von den Nazis grausam ertöteten politischen Willensbildung der deutschen Arbeiterschaft.
Wir haben das auf jahrzehntelange Zusammenarbeit gestützte Vertrauen zur deutschen Arbeiterschaft, dem einzigen Bevölkerungsteil, den Hitler nie erobert hat, daß auf ihr die Zukunft Deutschlands ruht. Darüber hinaus, daß sie der Garant des europäischen Friedens sein wird, sobald ihre kraftvollen Organisationen wiedererstanden sind.«
Die Landeskonferenz dankt in einer Erklärung der »American Federation of Labor« dem »Jewish Labor Committee« und der »German Labor Delegation« für die Rettungsaktion nach dem Zusammenbruch Frankreichs, »die Hunderte von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern vor der Auslieferung in schmähliche Gefangenschaft oder gar vor dem Tode bewahrte«. Die »Resolution an das deutsche Volk« ruft zum Aufstand gegen Hitler auf.



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net edition fes-library | Juni 2001