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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
17. Sept. 1939

Unter dem Titel »Die Partei« schreibt F. Stampfer im »Neuen Vorwärts«: »Von dem, was die Zukunft bringt, wissen wir sicher nur das eine: einmal wird aus dem blutigen Grauen des Krieges der Tag heraufkommen, der dem Volk seine Freiheit wiederbringt. An diesem Tage wird auch die Sozialdemokratie wieder da sein. Aus den Schützengräben, den Gefängnissen, den Konzentrationslagern werden die Genossen kommen, die seit der Vorhitlerzeit bewährten, und die jungen, die sich im unterirdischen Kampf ihre Sporen verdient haben. An diesem Tage wird die Treuhänderpflicht des alten Parteivorstandes erfüllt sein. Er wird sein Mandat in die Hände der Genossen zurücklegen, die berufen sind, der Partei eine neue Führung zu geben.

Neue Probleme werden mit neuen Mitteln zu lösen sein. Der Geist muß der alte bleiben. Denn von ihm hängt die Zukunft Europas ab. Soll dieser unser Erdteil sich aus dem Elend und der Schande seiner Gegenwart noch einmal erheben, so muß es gelingen, das deutsche Volk in seiner Mitte zum Glied einer neuen europäischen Ordnung zu machen, einer Ordnung des Friedens, der Freiheit und des Rechts. Deutschland muß ein demokratischer Staat in einem demokratischen Europa sein. Das heißt, die große Aufgabe, die die Partei schon unter der Führung Bebels in Angriff genommen, und die sie in den vierzehn Jahren der Verwirklichung näher gebracht hat, muß wieder in Angriff genommen und zur Vollendung geführt werden. Das sind die Fundamente, die gefestigt sein müssen, ehe ernstlich vom Sozialismus gesprochen werden kann - ohne sie geht es doch nur immer in Bürgerkriege, neue Völkerkriege und neue blutige Despotien. Sozialismus ohne Freiheit ist Widerspruch in sich selbst, elender Volksbetrug.

Die alte Partei hat Fehler gehabt, die ich an der verjüngten in Zukunft nicht wiedersehen möchte. Ihr fehlten Glanz und Farbe, Anreiz der Phantasie, fortreißender Wille zur Tat. Bei klaren Konzeptionen auf außenpolitischem und verfassungsrechtlichem Gebiet, schwankte sie in anderen Fragen, weltanschaulichen, wehrpolitischen und vor allem wirtschaftspolitischen bedenklich. Festhalten an verjährten Phraseologien bei gänzlich veränderten Verhältnissen schuf mitunter eine bedenkliche Diskrepanz zwischen Wort und Tat.

Aber diesen Schwächen standen auch große Vorzüge gegenüber, von denen ich die Rechtschaffenheit, Nüchternheit und Sachlichkeit der Bewegung am meisten schätze.

Dem Kapitel der deutschen Emigration sei ein baldiger und guter Abschluß gewünscht. Die Genossen draußen und drinnen werden sich in den langen Jahren der Trennung in manchen Dingen auseinandergelebt haben, und die Heimkehrer werden manchem Mißtrauen begegnen. Kämen sie zurück als ein wirrer Haufen miteinander streitender, gegeneinander intrigierender Sekten, so würde man sie bald dorthin zurückwünschen, woher sie gekommen sind. Wenigstens jetzt muß jeder einsehen, daß die Zeit für kleinliche Streitigkeiten vorbei ist. Einigkeit ist das Gebot der Stunde!«


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net edition fes-library | Juni 2001