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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
5./8. Juli 1939

Kongreß des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) in Zürich. 106 Delegierte vertreten 19 Landeszentralen und 35 Delegierte 21 Internationale Berufssekretariate, die fast 19 Millionen Arbeitnehmer repräsentieren. Tagesordnung u.a.: Die Gewerkschaftsbewegung und der Kampf zur Vorbeugung und Milderung der Wirtschaftskrisen. Das Problem der Arbeitslosigkeit und der Arbeitszeitverkürzung. (C. Mertens); Aktionsplan für den Frieden. Programm zur Lösung aller Streitfragen, die die Völker trennen und den Frieden bedrohen. (L. Jouhaux); Die Probleme der Taktik und Politik der Gewerkschaften. Die Stellung der gewerkschaftlichen Organisationen im Staat. (E. Kupers).
Mit 60 gegen 5 Stimmen bei 18 Enthaltungen wird der Beschluß von Oslo (17./21. Mai 1938) bestätigt.
In den dem Kongreß vorgelegten »Richtlinien der Gewerkschaften zur Krisenvorbeugung und Krisenbekämpfung« zeigt die internationale Gewerkschaftsbewegung Mittel und Wege auf, deren energische und konsequente Anwendung es auch im Rahmen des kapitalistischen Wirtschaftssystems und auf der Basis der heutigen Wirtschaft ermöglichen würde, einen wirtschaftlichen Zusammenbruch im Umfange der letzten großen Weltwirtschaftskrise, die dem Faschismus den Boden geebnet hat, zu verhüten. Der Kongreß appelliert an die Weltöffentlichkeit und an die breiten Bevölkerungsschichten aller Länder, den Kampf der Gewerkschaften für die Organisierung einer auf die Bedarfsdeckung der Völker und die Erhöhung des Lebensstandards der Arbeitnehmer gerichteten Planwirtschaft zu unterstützen.
»Demokratische Planwirtschaft ist die moderne Organisationsform der Wirtschaft und der Gesellschaft. Die internationale Gewerkschaftsbewegung weist hierzu darauf hin, daß in fast allen Ländern eine Umstellung der Wirtschaft zu beachten ist, die allgemein charakterisiert ist durch die Interventionen der öffentlichen Körperschaften im Wirtschaftsleben.

Zugleich betont die internationale Gewerkschaftsbewegung mit Nachdruck, daß die faschistischen Diktaturen die Ursache der wirtschaftlichen Gefahren sind, die heute drohend über der ganzen Welt lasten und das Wirtschaftsleben und damit den sozialen Aufstieg der Menschheit hemmen.«

In der Resolution »Friedensaktion« heißt es: »Der Gewerkschaftskongreß verurteilt aufs neue die Politik der Gewalt und des Angriffs der totalitären Staaten gegen den Bestand, das Recht und die Freiheiten des Volkes.

Die Vernichtung Abessiniens, die Unterjochung Österreichs und der Tschechoslowakei, die Zerstörung der spanischen Republik, der Angriff auf China und der Raub Albaniens sind Etappen einer Politik der Eroberung und der Vorherrschaft, gegen die sich alle freien Gewissen auflehnen.

Die Arbeiterschaft kann die Siege der Gewalt über das Recht nicht als endgültig betrachten. Um den Frieden wirksam und sofort zu verteidigen, gibt es nur eine einzige Haltung: keine Konzessionen an die Gewalt! Der Kongreß begrüßt die Besinnung, die in den letzten Monaten in der Haltung der Demokratien eingetreten ist, die entschlossen sind, keinen Angriff mehr zu dulden und die Lösung aller Konflikte, die auftauchen können, durch die Methoden des Rechts und der Gerechtigkeit zu erzwingen.

Der Vorstand des IGB wird beauftragt, alle Maßnahmen zu treffen, damit die Landeszentralen bereit sind, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um den vorsätzlichen Angriff zu verhindern und zu vermeiden, daß die von allen Völkern gefürchtete Katastrophe - der Krieg - eintritt.«

Der Kongreß verurteilt »jede nationalistische Haßpropaganda und jeden Unterschied, der zwischen irgend einer Bevölkerungsgruppe irgend eines Landes gemacht wird, und insbesondere die antisemitische Propaganda, die die bevorzugte ideologische Waffe aller faschistischen und reaktionären Elemente in ihrem Kampf für die Macht geworden ist gegen die Freiheiten der Arbeiter und sogar das Bestehen der Organisationen der Arbeiterklasse. Ferner ist der Antisemitismus ein Mittel in der internationalen Politik des Dritten Reiches, das der ganzen Welt seinen Willen aufzwingen will.

Der Kongreß nimmt zur Kenntnis, daß sich die jüdischen Arbeiter trotz der antisemitischen Propaganda zu Recht als Staatsbürger ihrer Länder betrachten, in denen sie die gleichen Pflichten annehmen und die gleichen Rechte verlangen wie die anderen Staatsbürger. Dieser Kampf für die staatsbürgerliche Gleichheit der Juden wird ohne Vorbehalt vom IGB unterstützt. Der Kongreß protestiert auf das energischste gegen die barbarische Verfolgung der Juden in den faschistischen Ländern, die mit besonderer Tragik zum Ausdruck kommt in den auf den Meeren herumirrenden Schiffen mit Juden, die aus ihrem Vaterland vertrieben worden sind und die kein Land aufzunehmen wünscht«.
W. Citrine (Großbritannien) als Präsident und W. Schevenels (Belgien) als Generalsekretär werden bestätigt.



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net edition fes-library | Juni 2001