Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag: 30. Jan. 1938

Der »Neue Vorwärts« veröffentlicht einen Aufruf der Sopade »Nach fünf Jahren - Die Sozialdemokratie klagt an«, in dem sie das Bekenntnis ihrer Todfeindschaft gegen die nationalsozialistische Diktatur erneuert. Die Partei sei nicht tot. Die Diktatur selbst erkenne sie als eine lebendige Macht an, indem sie mit ihrer Gestapo und ihren Gerichten Krieg gegen sie führe.
»Während die Diktatur zum Kriege rüstet, bereitet sie auch schon die Lügen vor, mit denen sie ihn führen will. In ihrem angeblichen Kampf gegen den Bolschewismus sieht sie den Vorwand für ihre räuberischen Absichten. Um sich selber als unschuldig erscheinen zu lassen, behauptet sie, die Emigranten seien es, die die fremden Mächte zu einem Krieg gegen Deutschland hetzen.
Die deutsche Sozialdemokratie weist diese Behauptungen als eine freche Lüge zurück. Sie wiederholt ihre Erklärung, daß sie, die Partei des Friedens, nie den Krieg gewollt hat und ihn auch heute nicht will. Nicht auf den Spitzen fremder Bajonette kann dem deutschen Volk die Freiheit gebracht werden, es muß sie sich selbst erobern, wenn sie dauerhaft sein soll.
Die deutsche Sozialdemokratie sagt ihren Anhängern, daß der Kampf gegen die Diktatur noch lange dauern und daß er noch unendlich viele Opfer kosten wird. Aber sie glaubt an das deutsche Volk und die deutsche Arbeiterklasse. Sie rufe nicht zu übereilten Entschlüssen und vorschnellen Taten, wohl aber zur Sammlung aller Kräfte, zur geduldigen Vorbereitung und zur steten Bereitschaft. Niemand weiß, wann der Tag kommt. Jeder sollte wissen: Wenn er kommt, werden wir da sein!«