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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
12. Febr. 1933

Der Chefredakteur des »Vorwärts«, F. Stampfer, fordert in einem offenen Brief die Kommunisten zu einem Nichtangriffspakt mit der SPD auf. Der kommunistische Reichstagsabgeordnete E. Torgler lehnt diesen Vorschlag ab und schlägt statt dessen vor, daß die Arbeiter beider Parteien innerhalb der Betriebe praktisch zusammenarbeiten sollen. Es soll ein gemeinsamer Massenselbstschutz geschaffen werden und gemeinsame Aktionsausschüsse in Betrieben.
Im Moskauer Rundfunk äußert sich ein Vertreter der Kommunistischen Internationale (Kl) dahin, daß wegen des Sonderzustandes in Deutschland Kompromisse rein aktueller Art und auf bestimmte Zeit beschränkt, eine dringende Notwendigkeit seien, um die Aktionsfähigkeit der Arbeiter im entscheidenden Augenblick zu heben. Die Lage in Deutschland sei so, daß eine Ausnahme von der grundsätzlichen Ablehnung von Kompromissen gemacht werden müsse. Daß die Einheitsfront geschaffen werden
müsse, sei klar. Es frage sich nur, welcher Weg dazu der beste und vor allen Dingen der schnellste sei.
Der Berliner Bezirksausschuß der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) richtet an den ADGB-Ortsausschuß ein Schreiben, um in einer Aussprache eventuell gemeinsam zu ergreifende Schritte vorzuschlagen. Der Ortsausschuß antwortet darauf, daß er selbstverständlich stets für eine Einheit der Arbeiterschaft sei, daß aber nur zentrale Verhandlungen zu einem Ziele führen können.

Die Eiserne Front hält einen Führerappell ab. Etwa 5000 Funktionäre der Gewerkschaften, des Reichsbanners, der Partei und der Arbeitersportler nehmen daran teil. Der stellvertr. ADGB-Vorsitzende P. Graßmann führt dabei aus: »Der neue Reichskanzler hat der organisierten Arbeiterschaft den Kampf angesagt. Sie wird nicht ins Mauseloch kriechen, sondern den Kampf aufnehmen in der festen Zuversicht, ihn erfolgreich zu bestehen.
Die deutsche Arbeiterschaft würde diesen Kampf viel leichter durchkämpfen, wenn sie einig wäre. Es ist aber das Furchtbare dieser Tage, daß von den unzähligen Leitungen der Kommunistischen Partei alles getan wird, die jetzt so dringend notwendige Einheitsfront aller klassenbewußten Arbeiter und Angestellten nicht zustande kommen zu lassen. Die kommunistischen Führer und Parteiredakteure, die zwar viel von Einheitsfront reden und schreiben, sich aber nach wie vor in den wüstesten Beschimpfungen ergehen gegen die Führer der in der Sozialdemokratie und den freien Gewerkschaften organisierten Arbeiter und Angestellten, ahnen offenbar nicht, daß die Bildung der Einheitsfront von unten herauf von Tag zu Tag gewaltige Fortschritte macht. In der Stunde der höchsten Gefahr wird diese Einheitsfront von der gesamten Arbeiterschaft geschlossen werden, und zwar über die Köpfe der kommunistischen Führer hinweg, wenn diese die Zeichen der Zeit nicht erkennen können. Die Einheitsfront ist heute bereits für alle da, die guten Willens sind, nämlich in den Gewerkschaften, in der Eisernen Front.
Die deutsche Arbeiterschaft kann versichert sein, daß die sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Führer in Not und Gefahr zu ihr stehen werden. Sie rechnen aber auch damit, daß die Arbeiterschaft ihnen vertraut. Der Appell der Führer des arbeitenden Berlin ist eine Stunde des heiligen Gelöbnisses, nicht eher zu ruhen, bis der Feind niedergerungen, die Bahn frei gemacht ist zum Sozialismus.«



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net edition fes-library | Juni 2001