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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
22. Jan. 1933

Betriebsrätekonferenz des ADGB und des AfA-Bundes in Berlin zur Vorbereitung der Betriebsrätewahlen. Tagesordnung: Die Betriebsräte in der Wirtschaftskrise (C. Nörpel); die Arbeiterinnen und das Mitbestimmungsrecht (Gertrud Hanna); die Rechtsprechung zum Betriebsrätegesetz (E. Bührig).
In seiner Eröffnungsrede erklärt Th. Leipart: »Uns wird der Vorwurf gemacht, wir tolerieren die Regierung Schleicher. Zunächst einmal: die Gewerkschaften sind keine politische Partei, sind es nicht und wollen es nicht sein. Wir haben unsere Sozialdemokratische Partei. Wir als Gewerkschaften haben gar nicht die Befugnis, aber auch gar nicht die Möglichkeit, etwa eine Regierung zu stürzen, und deswegen kann von Tolerierung keine Rede sein.
Wir als Gewerkschaften müssen aber mit jeder Regierung rechnen, auch wenn sie gar nicht unser Vertrauen hat. Wir müssen, weil wir auf dem Posten an der Spitze der Gewerkschaftsbewegung stehen, mit jedem Arbeitsminister über die Interessen der Arbeiterschaft verhandeln. Wir müssen mit jedem Wirtschaftsminister über unsere wirtschaftlichen Auffassungen verhandeln, um sie bekanntzumachen und durchzusetzen. Und wenn das nicht genügt, mit diesen Ressortministern zu verhandeln, dann müssen wir auch zum Reichskanzler gehen, er mag heißen, wie er will.

Es wird darauf hingewiesen, die Partei befinde sich in der schärfsten Opposition und die Gewerkschaften nicht. Die Gewerkschaften stehen zu jeder Regierung in Opposition, die Gewerkschaften führen mit jeder Regierung dauernd Krieg, Kleinkrieg. Die Gewerkschaften können sich und werden sich niemals an eine Regierung binden.

Man erhebt gegen uns den Vorwurf, daß wir bereits unsern Frieden mit dem Faschismus gemacht hätten - gegen uns, die wir doch wohl die stärkste Säule der Eisernen Front sind!«
Im Aufruf zur Betriebsrätewahl heißt es u. a.: »Die Wirtschaftsnot und Arbeitsnot gaben Anlaß, die Parteipolitik in die Betriebe hineinzutragen und das Betriebsrätegesetz ohne Rücksicht auf seinen Zweck und sein Ziel allein nur für parteipolitische Agitation und Propaganda auszunutzen. Dadurch wurde die sachliche Arbeit vieler Betriebsvertretungen zum Schaden der Belegschaft erheblich gestört. Mit diesen Bestrebungen gilt es bei den kommenden Betriebsräteneuwahlen aufzuräumen.
Das wichtige Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten muß wieder für sachliche Arbeit im Interesse der Arbeiterklasse fruchtbar gemacht werden.

Gerade die Betriebsräte wissen aus nunmehr über zwölfjähriger Erfahrung, wie wenig in den Betrieben mit Parteiparolen und Phrasen, wieviel aber in täglicher mühsamer Kleinarbeit für die Belegschaften zu erhalten und zu erreichen ist.
Der Kampf der Kommunisten und Nationalsozialisten in den Betrieben richtet sich gegen die Gewerkschaften und damit gegen die Interessen der Arbeiterklasse. Nur aus dem Erfolg der Arbeit starker Gewerkschaften empfangen die Betriebsräte ihre Aufgaben und die Grundlage für deren Durchführung. Es gilt daher, die Betriebsrätewahlen 1933 durchzuführen unter der Parole

für die Einheit der Gewerkschaftsbewegung,

gegen jede parteipolitische Zersplitterung.«

Bei den letzten Betriebsrätewahlen 1931 erhielten die Vertreter des ADGB und des AfA-Bundes 83,6 %, die der christlichen Gewerkschaften 7,9 %, die der Gewerkvereine 1,1 %, der Kommunisten 3,4 %, der Nationalsozialisten 0,5 % und Sonstige 3,5 % der Stimmen.


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net edition fes-library | Juni 2001