Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. -
[Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Parteitag in Jena. 387 Delegierte. Tagesordnung: Arbeitslosenfürsorge (J. Timm); Steuerfrage (E. Wurm, A. Südekum); Maifeier (F. Ebert). Nach der Diskussion in der Presse erörtert auch der Parteitag noch einmal das Problem des Massenstreiks. Während der Parteivorstand sich gegen die ganze Massenstreikdiskussion ausspricht, vertritt L. Frank die Losung: In Preußen kommt entweder eine Wahlreform oder es kommt ein Massenstreik. Der Parteitag lehnt die von Rosa Luxemburg vorgelegte Resolution mit 333 gegen 142 Stimmen ab, die eine offensive, entschlossene und konsequente Taktik der Partei auf allen Gebieten fordert, da nur eine Taktik, die den Schwerpunkt des Kampfes in die Aktion der Massen verlege und alle Maßregeln ergreife, damit das deutsche Proletariat bei den kommenden Kämpfen für alle Fälle gerüstet dastehe, Erfolg verspreche. Die Resolution des Parteivorstandes bestätigt den Beschluß von Mannheim (1906). Sie fordert die entrechteten Massen auf, im Kampf gegen das Dreiklassenwahlrecht alle Kräfte anzuspannen in dem Bewußtsein, daß dieser Kampf ohne große Opfer nicht siegreich durchgeführt werden könne. Die Parteimitglieder werden deshalb verpflichtet, unermüdlich für den Ausbau der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen zu wirken. Der Parteitag billigt mit 336 gegen 140 Stimmen das Verhalten der Fraktion bei der Abstimmung über die Militärvorlage und vertritt die Auffassung, nach der für die Bewilligung von Steuern nicht allein deren Art, sondern auch ihr Verwendungszweck maßgebend sein soll. Von den Parteiangestellten wird erwartet, daß sie ihren Tagesverdienst am 1. Mai an den Maifeierfonds abliefern. Die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten haben während der Tagung des Reichstages vollzählig zur Stelle zu sein, damit nicht bei sehr wichtigen Abstimmungen durch das Fehlen der Abgeordneten die Entscheidung gegen die SPD falle. Zum Studium der Agrarfrage soll eine Kommission eingesetzt werden. Zur herrschenden Arbeitslosigkeit verlangt der Parteitag rasche Maßnahmen zur Linderung der Not, unter anderem durch eine Erweiterung der Sozialgesetzgebung. Die öffentlich-rechtliche Arbeitslosenversicherung könne vollständig nur durch die Reichsgesetzgebung herbeigeführt werden. Bis zur Verwirklichung sei das System kommunaler Zuschüsse zu den gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützungen zu fordern. Zu Parteivorsitzenden bei 473 Stimmen werden H. Haase (467) und F. Ebert (433), zum Kassierer 0. Braun (458), zu Sekretären: F. Bartels (269), A. Gerisch (466), H. Molkenbuhr (440), H. Müller (442), W. Pfannkuch (468), Ph. Scheidemann (445) und Luise Zietz (450) und zu Beisitzern 0. Wels und R. Wengels gewählt. Der vorn linken Flügel als Sekretär vorgeschlagene R. Dißmann erhält 211 Stimmen. Zu Kontrolleuren werden W. Bock (Vorsitzender) (373), F. Brühne (436), E. Ernst (427), A. Geck (309), F. Geyer (247), C. Hengsbach (347), H. Stubbe (315), J. Timm (368) und Clara Zetkin (288) gewählt.
1. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
14./20. Sept. 1913