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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
1. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
13./20. Sept. 1903

Parteitag in Dresden, 263 Delegierte. Tagesordnung: Mitarbeit von Parteimitgliedern an bürgerlichen Zeitungen; Taktik der Partei a) Reichstagswahlen, b) Vizepräsidialfrage, c) die revisionistischen Bestrebungen; Maifeier (R. Fischer).

A. Bebel wendet sich in seinem Referat gegen alle revisionistischen Bestrebungen. Er fordert, daß die Sozialdemokratie auf dem Boden des unversöhnlichen Klassenkampfes gegen die bestehende Ordnung weiter voranschreite: »Solange ich atmen und schreiben und sprechen kann, soll es nicht anders werden. Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesellschaft und dieser Staatsordnung bleiben.«

Nach Angriffen von F. Mehring werden vor allem H. Braun, Lily Braun, W. Heine und P. Göhre der Mitarbeit an der bürgerlichen Presse beschuldigt. Die Mehrheit des Parteitages lehnt die Mitarbeit an der bürgerlichen Presse ab.

Auf dem Parteitag wird die nach E. Bernsteins Aufsatz und G. v. Vollmars Rede begonnene Revisionismus-Diskussion fortgesetzt. Die Fraktion soll ihren Anspruch auf den Posten des 1. Vizepräsidenten und eines Schriftführers geltend machen, aber ablehnen, höfische Verpflichtungen zu übernehmen. Die revisionistischen Bestrebungen werden auf das entschiedenste verurteilt, »unsere bisherige bewährte und sieggekrönte, auf dem Klassenkampf beruhende Taktik in dem Sinne zu ändern, daß an Stelle der Eroberung der politischen Macht durch Überwindung unserer Gegner eine Politik des Entgegenkommens an die bestehende Ordnung der Dinge tritt. Die Folge einer derartigen revisionistischen Taktik wäre, daß aus einer Partei die auf die möglichst rasche Umwandlung der bestehenden bürgerlichen in die sozialistische Gesellschaftsordnung hinarbeitet, also im besten Sinne des Wortes revolutionär ist, eine Partei tritt, die sich mit der Reformierung der bürgerlichen Gesellschaft begnügt«. Die Sozialdemokratie könne einen Anteil an der Regierungsgewalt innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft nicht erstreben. Nur elf Delegierte, darunter E. Bernstein, stimmen gegen diese Resolution. Die meisten »Revisionisten« stimmen dafür, da sie erklären, daß die in der Resolution verurteilten Bestrebungen nicht die ihren seien.

Ein Antrag, der unter anderem von K. Kautsky, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin unterstützt wird, die Frage des Generalstreiks auf die Tagesordnung des nächsten Parteitages zu setzen, wird mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

Es werden wiedergewählt: A. Bebel (272), P. Singer (286), A. Gerisch (286), I. Auer (270), W. Pfannkuch (286); zu Beisitzern: W. Eberhardt und R. Wengels; zu Kontrolleuren: H. Meister (266), A. Kaden (247), W. Bock (253), F. Brühne (217), Clara Zetkin (215), H. Koenen (206), A. Geck (199), F. J. Ehrhart (191) und/. Pfarr (162).

Der »Vorwärts« hat eine Auflage von 78 000, die »Leipziger Volkszeitung« von über 30 000, das »Hamburger Echo« von 37 400 Exemplaren erreicht.

Der Verlauf des Parteitages wird in sozialdemokratischen Zeitungen vor allem wegen der polemischen Schärfe der Diskussion kritisiert.


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net edition fes-library | Juni 2001