Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Unter der Überschrift "Am Ende des vierten Kriegsjahres" schreibt das "Correspondenzblatt":
Stichtag:
27. Juli 1918
"Ungeheuer viel hat das deutsche Volk ertragen. Und mehr denn einmal hofften die, die auf seinen Zusammenbruch spekulierten, es würde eines Tages unter der Last der Bürde zusammenbrechen. Wenn diese Spekulation versagte, so weil die Erkenntnis unser Volk aufrechterhielt, daß, wenn dieser Zusammenbruch eintreten würde, eine noch viel schlimmere Leidenszeit hereinbrechen müßte, als die Kriegszeit uns auferlegt. Wir sehen in dem wüsten Treiben unserer Gegner, die mit kalter Berechnung die wirtschaftlichen Leiden unseres Volkes steigerten, um höhnend den Zeitpunkt festzustellen, wann das deutsche Volk vor Hunger kraftlos zusammenbrechen würde, einen gefühllosen Kampf gegen wehrlose Frauen und Kinder ...
Die Völker der Mittelmächte sind von diesem Empfinden getragen. Die Friedenssehnsucht nimmt uns gefangen. Aber nicht um die Hoffnungen im Lager der Gegner zu erfüllen, die des naiven Glaubens sind, unser Volk würde verräterisch im eigenen Lande die Geschäfte derjenigen besorgen, die bereit sind, uns ihre militärische Macht fühlen zu lassen. Wenn Ihr Arbeiter im Ausland glaubt, daß wir zu diesem verräterischen Streich fähig wären, so irrt Ihr Euch und Ihr dürft weder auf diese Hoffnung Euren Sieg aufbauen, noch wird der Friede mit Deutschland jemals so geschlossen werden. Ihr werdet nicht triumphieren über ein Volk, das moralisch für immer gerichtet wäre, wenn es einer aus aller Welt zusammengeholten Soldateska unsere Familie preisgeben würde. ...
Wenn die großen Kulturstaaten Europas, die die Führenden in diesem Kampfe sind, während 44 Jahre innerhalb ihrer Staatsabgrenzung leben konnten, sich wirtschaftlich und kulturell entwickelten, dann ist es der helle Wahnsinn, um eines vermeintlich mit Recht zu beanspruchenden Landbesitzes Millionen von Menschen zu opfern und Länder zu verwüsten, die auf viele Jahre ihres Wohlstandes beraubt sind. Klar und offen haben wir wiederholt dieses Friedensprogramm aufgestellt, aber bis heute vermissen wir die Zustimmung, auf die wir hofften."