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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
12./17. Juni 1916

Der Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine in Berlin begrüßt rückhaltlos das offene Bekenntnis des Reichskanzlers am 5. Juni im Reichstag zur Gleichberechtigung "aller Volksgenossen" und zu einer freiheitlichen Gestaltung der inneren Verhältnisse des Vaterlandes.
"Die Gewerkvereine werden ihr äußerstes daran setzen, den Erklärungen des Reichskanzlers gegen alle Widersacher zum Erfolge zu verhelfen, da nur durch die Verwirklichung dieser Erklärungen eine dauernde Sicherung der großen Erfolge des Krieges gewährleistet werden kann. Dem Volke dürfen wirtschaftliche, soziale und politische Rechte, für die es sich längst als reif erwiesen hat, nicht vorenthalten werden, wenn schwere Erschütterungen vermieden werden sollen."
Die Delegierten vertreten den Standpunkt, daß mit dem Eintritt geregelter Verhältnisse der übermäßigen Verwendung weiblicher Arbeitskräfte die notwendigen Schranken gesetzt werden müssen. Schon jetzt soll begonnen werden, an Stelle einer unbegrenzten Arbeitszeit eine gesetzlich geregelte Arbeitszeit für Arbeiterinnen festzusetzen.
Die Delegierten verlangen die rasche Einsetzung der im Hausarbeitsgesetz von 1911 vorgesehenen Fachausschüsse und deren Umwandlung in Lohnämter.
Der Verbandstag fordert ein Reichsarbeitsrecht, das genügend Rechtsgarantien für Staatsarbeiter für deren Verzicht auf das Streikrecht enthalten muß, um deren Wünsche geltend machen zu können und "mit allem Nachdruck den wirksamen und zweckdienlichen Ausbau aller bestehenden sozialen Einigungseinrichtungen mit einem Reichseinigungsamt an der Spitze und die Einführung des Verhandlungszwanges, ohne daß eine Einschränkung des Streikrechts erfolgen darf."
Das Kriegsernährungsamt wird u.a. dringend ersucht, für eine gleichmäßige Verteilung der Lebensmittel zu sorgen und den Lebensmittelwucher abzuschaffen.
Der Verbandstag erwartet von der Reichsregierung, daß die kommenden finanziellen Lasten gerecht verteilt werden nach dem Grundsatz: Schonung der Minderbemittelten und prozentual steigende Heranziehung der Bemittelten. Die Vermögens- und Erbschaftssteuer ist auszubauen.
Reichsregierung und Bundesstaaten werden aufgefordert, der nach dem Krieg zu befürchtende Wohnungsnot durch Mietsteigerungen mit der Unterstützung und Förderung der auf Selbsthilfe beruhenden Baugenossenschaften und durch Wohnungsinspektionen zu begegnen. Kriegsinvaliden ist das Wahlrecht auch dann zu gewähren, wenn sie aus öffentlichen Mitteln Unterstützungen erhalten.
Der Verbandstag spricht "die Erwartung aus, daß in der Kriegsverletztenfürsorge, soweit sie die Arbeiter betrifft, deren Organisationen die weitgehendste Mitwirkung eingeräumt wird. Andererseits muß aber auch von den Arbeitern in den Betrieben erwartet werden, daß sie sich der Pflichten gegenüber ihren kriegsbeschädigten Mitarbeitern bewußt sind, ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen und alles aufbieten, um ihnen das Fortkommen zu erleichtern".
Als Nachfolger von Goldschmidt wird G. Hartmann mit 36 gegen 4 Stimmen zum Vorsitzenden des Verbandes gewählt.



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