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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
5. Juni 1916

Der Reichstag nimmt - auch mit den Stimmen der SPD - eine Novelle zum Reichsvereinsgesetz an, nach der die Vorschriften über politische Vereine und deren Versammlungen "auf Vereine von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht aus dem Grunde anzuwenden" sind, "weil diese Vereine auf solche Angelegenheiten der Sozialpolitik oder Wirtschaftspolitik einzuwirken bezwecken, die mit der Erlangung oder Erhaltung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen oder mit der Wahrung oder Förderung wirtschaftlicher oder gewerblicher Zwecke zugunsten ihrer Mitglieder oder mit allgemeinen beruflichen Fragen im Zusammenhange stehen".
Damit wird auch 16- und 17jährigen Jugendlichen die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften zugestanden, sofern sich diese von der Behandlung allgemeiner politischer Fragen fernhalten.
In der gleichen Sitzung stimmt die SPD der Kriegsgewinnsteuer zu, während die Erhöhung verschiedener indirekter Steuern, wie die Erhöhung der Post- und Telegrafengebühren, der Tabaksteuer von ihr abgelehnt wird.
In der Begründung für diese Novelle werden zur Sozialpolitik u.a. gerechnet Fragen des Koalitionsrechts, die öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Stellung der Berufsvereine, das Einigungswesen, das Tarifvertragswesen, die Lohnregelung, der Arbeiterschutz, die Arbeiterversicherung, der Kinderschutz, der Heimarbeiterschutz und die Hausarbeit, die Volksernährung, die Volksgesundheit, die Volksbildung, das Wohnungswesen, die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte und ähnliche Einrichtungen. Fragen der Wirtschaftspolitik seien u.a. die Lebensmittelversorgung, Preisbildung, Zölle, Steuern. Auch Teile des bürgerlichen Rechts wie Arbeits- und Dienstverträge und des Strafrechts wie Nötigung, Bedrohung und Erpressungen im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen können nun von den Gewerkschaften behandelt werden. Als rein politische Fragen werden die auswärtige Politik sowie Verfassungs- und Wahlrechtsprobleme bezeichnet.
Die Freistellung der Gewerkschaften vom Begriff des politischen Vereins erstreckt sich nicht auf "rein politische Angelegenheiten". Die Gewerkschaften werden mit dieser Novelle von der Pflicht entbunden, Verzeichnisse ihrer Vorstandsmitglieder und ihre Satzungen bei den Polizeibehörden einzureichen.



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net edition fes-library | 1999