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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
7. August 1915

Das "Correspondenzblatt" schreibt unter dem Titel "Ein Kriegsjahr": "Der Kampf gilt augenblicklich der Freiheit nach außen, aber er wird auch geführt um die Freiheit im Innern. Die verbitternde Politik der Nadelstiche und der Entrechtung darf keinen Boden mehr in Deutschland haben. Die Zeit ist nicht geeignet, sich näher mit diesen Fragen zu beschäftigen, so lange der Feind vor den Toren steht. Aber wir halten es doch für angebracht, daran zu erinnern, daß die vom Reichskanzler im Reichstage angekündigte Neuorientierung der inneren Politik eine größere Bedeutung erlangen muß als eine gewöhnliche Redewendung. ...
Der Burgfrieden ... gehört zu den Erscheinungen des Krieges, die nicht ohne Einfluß auf kommende Zeiten bleiben dürfen. ...
Erfreulicher gestaltete sich das burgfriedliche Zusammenwirken der verschiedenen Gewerkschaftsrichtungen in mehreren wichtigen Fragen, und der Gedanke ist von Hirsch-Dunckerscher Seite zuerst ausgesprochen worden, dieses Zusammenwirken auch nach dem Kriege fortzusetzen. Wir haben unsere zustimmende Ansicht damals sofort kundgegeben und auch von christlicher Seite ist unter Vorbehalt die gleiche Auffassung geäußert worden. Inzwischen ist in mehreren Fragen ein solches Zusammenwirken erfolgt und die Erfahrungen werden lehren, daß damit den Arbeiterinteressen gedient wird. An eine Aufgabe der grundsätzlichen Stellung der einzelnen Richtungen ist selbstverständlich nicht zu denken. Die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten müssen ausgetragen werden. ...
Solange die Klassengegensätze zwischen Kapital und Arbeit in der Welt bestehen bleiben, werden die Gewerkschaften Kampforganisationen bleiben und bleiben müssen, um die Arbeiterinteressen wahrnehmen zu können. Aber sie werden ihre Taktik und ihre Methoden selbst bestimmen, sie werden diese den tatsächlichen Verhältnissen des praktischen Lebens anpassen, wie sie es bisher getan haben. Für die Wolkenkuckucksheimer Philosophie ist in diesen mühesamen und opfervollen Kämpfen keine Verwendung.
Wenn wir also einen kurzen Rückblick auf das vergangene Kriegsjahr werfen, muß es uns mit Genugtuung erfüllen, daß es unserem Volke gelungen ist, durch einmütiges Zusammenhalten und treue Pflichterfüllung auf der ganzen Linie den Ansturm der Feinde zurückzuschlagen. Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß dieses auch fernerhin gelingen wird, gelingen muß, denn eine Niederlage würde in erster Linie der Arbeiterklasse Deutschlands tödliche Wunden schlagen. Wir haben in Deutschland auch eine Arbeiterkultur zu verteidigen und wichtige, in schweren Kämpfen errungene Fortschritte auf sozialem, wirtschaftlichem und politischem Gebiete. Und darum kann es nur eine Parole geben: Durchhalten, bis unsere Gegner zum Frieden geneigt sind. An dem Friedenswillen des deutschen Volkes kann heute wie zuvor kein Zweifel bestehen. ... Solange die Feinde nicht zum Frieden geneigt sind, erfordern sowohl unsere geographische Lage wie auch die ureigensten Interessen der Arbeiterklasse das unverbrüchliche Zuammenhalten aller Volkskreise."



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