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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
30. November / 3. Dezember 1913

Der dritte christlich-nationale Arbeiterkongreß in Berlin erwartet, daß die neuerdings auftretenden Bestrebungen zur Einschränkung des Koalitionsrechts der Arbeiter bei Regierung und Parlament entschiedene Zurückweisung finden, da jede Beeinträchtigung der Rechte der Arbeiter den heftigsten Widerstand aller Arbeiter ohne Unterschied der Partei hervorrufen müssen und geeignet sind, die Klassengegensätze zu verschärfen.
Der Kongreß empfiehlt, als wirksames Mittel zur Abwehr gegen die antisozialen Strömungen die Stärkung der auf christlichem und nationalem Boden stehenden Organisationen der Arbeiter und Angestellten.
Der Kongreß verurteilt entschieden das terroristische Verhalten der freigewerkschaftlichen Organisationen gegenüber nicht sozialdemokratisch organisierten Arbeitern. Auf der anderen Seite jedoch wendet sich der Kongreß ebenso energisch gegen den Unternehmerterrorismus, der insbesondere durch die Führung schwarzer Listen, durch die Unternehmerarbeitsnachweise und durch die Förderung der gelben Bewegung angewendet wird. Die gelben Bestrebungen sind entschieden abzulehnen, weil sie das soziale Verantwortlichkeitsgefühl untergraben und eine Brutstätte des für das staatsbürgerliche Zusammenleben verderblichen Egoismus sind.
Der Kongreß fordert:
die Aufhebung des § 153 der Gewerbeordnung als eines gegen die Arbeiter und Angestellten gerichteten Ausnahmegesetzes;
den Ausbau des Koalitionsrechts in dem Sinne, daß Maßnahmen zur Verhinderung des Gebrauches des Koalitionsrechts, von welcher Seite sie auch kommen mögen, unter Strafe gestellt werden;
das Streikpostenstehen ist gegenüber der Polizeiwillkür als ein im wirtschaftlichen Kampfe erlaubtes Mittel zu erklären;
die Sicherung und weitere Ausgestaltung des Tarifvertrages und die Errichtung eines Reichseinigungsamtes;
ein einheitliches Vereinsrecht der Landarbeiter für das ganze Deutsche Reich;
die Schaffung eines einheitlichen Staatsarbeiterrechts.
Für die Arbeitslosenfürsorge sollen Verwaltungsbehörden die privaten Produktionsleiter, Kartelle, Syndikate auf eine größere Stetigkeit des Arbeitsmarktes durch zweckmäßige Verteilung der vorhandenen Arbeiten achten. Kultivierung von Ödländereien, größere Aufforstungen, Verbesserung der Verkehrsmittel sollen bei großer Arbeitslosigkeit insbesondere in Angriff genommen werden.
Die Beschäftigung von Ausländern soll unterbleiben, solange einheimische Arbeiter vorhanden sind. Die Arbeitsvermittlung ist reichsgesetzlich zu regeln. Als erstrebenswertes Ziel der öffentlichen Arbeitslosenfürsorge wird die reichsgesetzliche Regelung der Arbeitslosenversicherung bezeichnet. Bis zur Behebung der Schwierigkeiten empfiehlt der Kongreß das Genfer System; zu den Kosten haben die Versicherten, die Gemeinden, Bundesstaaten und das Reich beizutragen.
Auf dem Kongreß kommt es zu Meinungsverschiedenheiten mit den Vertretern der Berliner Richtung der katholischen Arbeitervereine, die sich gegen das Streikrecht und für den "Arbeitswilligenschutz" aussprechen und danach faktisch nicht mehr dem Deutschen Arbeiterkongreß angehören.



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