Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Auf dem SPD-Parteitag in Jena sagt A. Bebel in seiner Eröffnungsrede zur Marokkokrise: "Wir werden einem Zustand entgegengehen, der meiner Überzeugung nach nur noch mit einer große Katastrophe enden kann und enden muß".
Stichtag:
10./16. September 1911
In der Diskussion über den Marokkokonflikt wird dem Parteivorstand vorgeworfen, er habe es in dieser Situation an Initiative mangeln lassen. Bei der drohenden Kriegsgefahr habe er nicht schnell genug eine Friedensaktion entfaltet, ein Vorwurf, der von den Parteivorstands-Mitgliedern zurückgewiesen wird.
Der Parteitag erhebt nachdrücklichsten Protest gegen jeden Versuch, einen männermordenden Krieg zwischen Kulturvölkern hervorzurufen, der notwendig ein Weltkrieg werden müßte und mit einer allgemeinen Katastrophe enden würde. Der Parteitag erwartet, daß insbesondere die deutsche Arbeiterklasse jedes mögliche Mittel anwendet, um einen Weltkrieg zu verhindern. Er fordert die sofortige Einberufung des Reichstages, damit der Volksvertretung Gelegenheit gegeben werde, ihre Meinung zu äußern und den volksfeindlichen Machinationen entgegenzutreten. Die Fraktion wird darüber hinaus ersucht, einen Antrag einzubringen, wonach die Reichsregierung verpflichtet werden könne, in Fällen internationaler Verwicklungen den Reichstag einzuberufen und die gewählte Volksvertretung über die Verhandlungen mit der auswärtigen Regierung zu unterrichten. Unter stürmischer Zustimmung des Parteitages erwähnt A. Bebel, daß er schon 1904 gegenüber Reichskanzler B. v. Bülow gesagt habe, wenn ein großer Krieg komme, stehe die Existenz der bürgerlichen Gesellschaft auf dem Spiele, und nicht die Sozialdemokraten seien es, die das herbeigeführt hätten.
Gegen die Verfolgung der proletarischen Jugendbewegung durch Polizei, Schulaufsichtsbehörde und Justiz wird entschieden protestiert. Alle jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen werden vor dem Eintritt in bürgerliche Jugendvereine und vor der Teilnahme an bürgerlichen Jugendbestrebungen gewarnt.
Der Parteitag verabschiedet Forderungen, die der Lebensmittelteuerung entgegenwirken sollen.
Gegen alle Parteimitglieder, die sich weigern, dem Nürnberger Beschluß von 1908 nachzukommen, einen Tagesverdienst am 1. Mai zu zahlen, soll das Ausschlußverfahren eingeleitet werden.