Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Der Verbandstag der Gewerkvereine in Berlin fordert eine Neuregelung des Koalitionsrechts, vor allem sind alle dieses Recht einschränkenden Verbote und Strafbestimmungen zu beseitigen. Die §§ 152 und 153 sind aufzuheben.
Stichtag:
16./21. Mai 1910
"Die Berufsvereine, die sich durch ihre Satzungen verpflichten, bei allen Streitigkeiten das zuständige Gewerbe- oder Kaufmannsgericht oder die zuständige Arbeitskammer vor Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter als Einigungsamt anzurufen, haben das Recht, die Eintragung in das Vereinsregister nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu beantragen. Das Einspruchsrecht der Verwaltungsbehörde wegen sozialpolitischer Bestrebungen des Vereins und die Bestimmungen über die Einrichtung des Mitgliederverzeichnisses werden für solche Vereine aufgehoben."
Die Gewerkvereine verlangen nun auch staatliche Zuschüsse für alle Verbände, die Arbeitslosenunterstützung zahlen.
"Der Verbandstag richtet an die Ortsvereine und Ortsverbände erneut das dringende Ersuchen, auf eine zahlreichere und tatkräftigere Beteiligung an den sozialen Wahlen Bedacht zu nehmen. Zu diesen Wahlen gehören insbesondere die zu Gewerbegerichten, Krankenkassen, unteren Verwaltungsbehörden, Landesversicherungsanstalten und Schiedsgerichten. Keine dieser Wahlen darf ohne Beteiligung der Gewerkvereine vor sich gehen.
Besonders ist viel Wert zu legen auf eine Beteiligung an den Wahlen zu den Ortskrankenkassen. Es ist nicht angängig, dort den Gegnern das Feld fast uneingeschränkt zu überlassen."
"Der Verbandstag bedauert, daß gegenwärtig nicht ein einziger Gewerkvereinler dem Reichstage bezw. einem Landtage angehört. Der Verbandstag hält es für dringend notwendig, daß sowohl der Vorsitzende des Verbandes wie auch andere Führer der Gewerkvereine in die Parlamente gewählt werden. In Wahrung der partei- und kirchenpolitischen Unabhängigkeit der Gewerkvereine ist den Kollegen die Wahl der Partei zu überlassen, für die sie als Kandidat auftreten wollen."
"Die Gewerkvereine sind und bleiben religiös neutral und parteipolitisch unabhängig. Es ist dringende Pflicht aller Mitglieder, neben der Mitgliedschaft bei den Gewerkvereinen, auch ihrer Pflicht als Staatsbürger durch Eintritt in eine politische Partei Genüge zu leisten.
Als selbstverständlich wird vorausgesetzt, daß jedes Mitglied die Freiheit zu politischer Betätigung hat.
Die parteipolitische Betätigung der Gewerkvereinsmitglieder als Staatsbürger darf nicht innerhalb der Gewerkvereine erfolgen, sondern muß in den Parteien selbst bezw. in deren Versammlungen und Einrichtungen geschehen."