Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Der SPD-Parteitag in München verabschiedet eine umfangreiche Resolution zur Arbeiterversicherung: "Die Versicherungsgesetze des Deutschen Reiches, die hauptsächlich erlassen wurden, die Armenkassen vor Überlastung und die Unternehmer vor Schadenersatz zu bewahren, entsprechen in keiner Beziehung den Anforderungen der Arbeiterklasse. Jedoch ist durch die Erfahrung der Beweis erbracht, daß mit der Versicherung allgemeine Übelstände bekämpft und deren schlimmste wirthschaftliche Folgen gemildert werden können. Deshalb fordert der Parteitag: Ausdehnung der Versicherung auf alle Arbeiter und diesen wirthschaftlich gleichstehenden Personen; Vereinheitlichung der Versicherung; volle Selbstverwaltung durch die Versicherten; Heranziehung aller Klassen zur Tragung der Kosten; Bekämpfung von Volkskrankheiten durch die Arbeiterversicherung; weiteren Ausbau der Unfallversicherung und der Maßnahmen zur Verhütung von Berufskrankheiten insbesondere zu diesem Zweck; Einsetzung von Vertrauenspersonen behufs Kontrolle der Betriebe; die Vertrauenspersonen sind von den Versicherten aus ihren Kreisen zu wählen und aus öffentlichen Mitteln zu besolden; voller Schadenersatz der Verletzten und deren Hinterbliebenen; Unterstützung von Schwangeren, sobald gegen das Ende der Schwangerschaft durch den normalen Schwangerschaftszustand bedingte Anzeichen sich geltend machen, welche die Arbeit erschweren, und von Wöchnerinnen für die Dauer von wenigstens 6 Wochen vom Tage der Entbindung an; Organisation des Arbeitsmarktes; Einführung der Arbeitslosenversicherung; Einführung der Witwen- und Waisenversorgung."
Stichtag:
14./20. September 1902
Die Kosten für die Arbeitslosenversicherung sollen je zu einem Drittel Arbeiter, Arbeitgeber und das Reich aufbringen. Der Sozialexperte der SPD Molkenbuhr schlägt auf dem Parteitag vor, der Auflösung der arbeitereigenen Hilfskassen unter bestimmten Bedingungen (endlich) zuzustimmen.
Der Parteitag erkennt rückhaltlos die Gefahren an, die aus einem übermäßigen Genuß alkoholischer Getränke für den Kampf um die politische und wirtschaftliche und damit die physische und geistige Betreuung der Arbeiterklasse entsprängen. Er sei aber nicht in der Lage, die Agitation für die völlige Abstinenz von alkoholischen Getränken oder die Verpflichtung zur Abstinenz von alkoholischen Getränken als eine Aufgabe der Partei oder die Verpflichtung zur Abstinenz als Voraussetzung für die Parteizugehörigkeit zu erklären.