Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
In Berlin wird die "Gesellschaft für Soziale Reform", zugleich deutsche Sektion der Internationalen Vereinigung für den gesetzlichen Arbeiterschutz, vom Verfasser des Statutenentwurfs Werner Sombart als "Agitationsverein auf breiter Basis" gegründet. Sie soll die "Massen des gebildeten Bürgertums" und die Angehörigen der "Erwerbsstände" gewinnen, die öffentliche Meinung beeinflussen und so auf Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung einwirken.
Stichtag:
6. Januar 1901
Der Zweck der Gesellschaft ist: "Durch Aufklärung in Wort und Schrift die soziale Reform auf dem Gebiete der Lohnarbeiterfrage in Deutschland zu fördern. Als wesentliche Bestandteile dieser Reform erachtet sie a) den weiteren Ausbau der Gesetzgebung im Interesse der Arbeiterklasse; b) die Förderung der Bestrebungen der Arbeiter, in Berufsvereinen und Genossenschaften ihre Lage zu verbessern." Sie will vor allem die Erhaltung und den Ausbau des Koalitionsrechts, dieses Grundrechts der Arbeiter. In der weiteren Arbeit der Gesellschaft tritt neben dem Ausbau des Arbeiterschutzes vornehmlich das Schieds- und Einigungswesen sowie immer beherrschender der gesetzlich geregelte Tarifvertrag in den Mittelpunkt.
Die Gesellschaft grenzt sich zwar ideologisch gegenüber der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung ab, bemüht sich aber gleichzeitig um Kooperation mit ihr.
Das Hauptkontingent in der Mitgliederschaft und in den Führungsgremien stellen fast alle nicht sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen, die kaufmännischen und technischen Angestelltenverbände, Beamtenorganisationen sowie von der Gegenseite bis zu 23 Unternehmerverbände, Handelskammern und Firmen. Dazu treten wie auch im Verein für Sozialpolitik, Reichs- und Staatsbehörden, Stadtverwaltungen, religiös-soziale, politische, gemeinnützige Organisationen und Konsumvereine.
Damit werden erstmals konfessionelle, liberale und "nationale" Arbeitnehmerorganisationen mit Organisationen des Mittelstandes an die nichtsozialistische Industriearbeiterschaft zusammengeführt. Unterschiedliche Interessen und Zielkonflikte sind bei dieser Zusammensetzung allerdings unvermeidlich.
Die Generalkommission widersetzt sich argwöhnisch der auf Abspaltung hinzielenden Umarmung der Sozialreformer.