Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
In Köln konstituiert sich der "Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften" und verabschiedet sein Statut. Als vornehmste Aufgabe betrachtet es die "Vertretung der wirthschaftlichen Interessen der arbeitenden Stände durch die gewerkschaftliche Organisation und die Herbeiführung eines friedlichen Ausgleichs der Gegensätze zwischen Arbeiter und Arbeitgeber unter Anerkennung der selbständigen Mitwirkung der organisierten Arbeiterschaft bei Festsetzung der Lohn- und Arbeitsbedingungen". Weiter soll der Verband die "Verbindung und Fühlung der einzelnen Gewerkschaftsverbände untereinander vermitteln zwecks gemeinsamen Handelns bei besonderen, die allgemeinen gewerkschaftlichen Interessen betreffenden Fragen". Der Ausschuß des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften protestiert energisch gegen ein Hirtenwort des preußischen Episkopats, daß den christlichen Gewerkschaften das Wort "christlich" nur leerer Schall und ein Aushängeschild sei und daß "sie nur für die Sozialdemokratie jene Kreise organisierten, die einstweilen noch auf dem Boden der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung bleiben wollten".
Stichtag:
8. November 1900
Außer der Durchführung der jeweiligen Kongreßbeschlüsse und der Vermittelung gegenseitiger Unterstützung sind als solche allgemein gewerkschaftliche Aufgaben genannt: "Herbeiführung der gesetzlichen Anerkennung der Arbeiter-Berufsvereine, Schaffung gesetzlicher Instanzen zur Schlichtung und Beilegung von Streitigkeiten über Lohn- und Arbeitsbedingungen zwischen Unternehmer und Arbeiter unter Mitwirkung der organisierten Arbeiterschaft; Anregung und Herbeiführung statistischer Erhebungen über die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Arbeiter in den einzelnen Berufen".
Als weitere Aufgaben sind noch vorgesehen die Herausgabe eines eigenen "Correspondenzblattes", ferner eines Gewerkschaftsorganes für die kleineren Verbände, Erteilung von Rat und Auskunft, sowie Schlichtung auftretender Meinungsverschiedenheiten. Aus der Zentralkasse dürfen jedoch weder Darlehen noch bare Unterstützungen für Streiks oder Aussperrungen gewährt werden. Bei außergewöhnlichen Anlässen kann der Ausschuß die Sammlung von Geldern veranlassen.
Zum Vorsitzenden des Ausschusses wird A. Brust gewählt.
Der Ausschuß erklärt es als selbstverständlich und mit Nachdruck, daß "wir nach wie vor in Durchführung der gewerkschaftlichen Ziele die christlichen Grundsätze als Richtschnur anerkennen. Eine Vereinigung aller Arbeiter der verschiedenen Berufe in einheitlichen Organisationen ist allerdings das zu erstrebende Ziel, doch muß verlangt werden, daß solche Verbände in ihrer Wirksamkeit den christlichen Grundsätzen nicht widersprechen. Da unter den obwaltenden Verhältnissen in absehbarer Zeit solche Gewerkschaften ausgeschlossen erscheinen, halten wir an dem auf dem Kongreß in Mainz aufgestellten Programm fest, nach welchem unsere christlichen Gewerkschaften interkonfessionell und politisch unparteiisch auf christlicher Grundlage bestehen sollen."