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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
18. April 1897

Die Generalversammlung des Verbandes deutscher Berg- und Hüttenarbeiter in Helmstedt beschließt, um behördlichen Angriffen zu entgehen, daß die Zahlstellen nicht als selbständige Vereine gelten können. An ihrer Stelle werden Vertrauensleute vom Vorstand ernannt.
Bei den Wahlen der Knappschaftsältesten und zum Berggewerbegericht sollen Verbandsmitglieder und nicht Zechenbeamte als Kandidaten aufgestellt und unterstützt werden.
An die Generalversammlung schließt sich am 19. und 20. April der Bergmannskongreß an, der sich ausführlich mit den schlechten Arbeitsverhältnissen und der - trotz der technischen Fortschritte - steigenden Unfallzahl beschäftigt. So verunglückten 1895 912 und 1896 961 Arbeiter im deutschen Bergbau tödlich.
Die Ursachen der Unfälle liegen in einer ungenügenden Kontrolle der Grubeneinrichtungen und der nicht genügenden Beobachtung der Wetter.
Der Kongreß verabschiedet mehrere Reformvorschläge, so u.a., daß Bergrevierbeamten gesetzlich jeder Anteil an den Grubengewinnen zu untersagen ist, und die Aufstellung "praktisch gebildeter" Arbeiter als Assistenten der staatlichen Aufsichtsbeamten.
Das Gedingesystem (Akkordsystem) ist zu beseitigen, da es die Arbeiter antreibt, weniger Rücksicht auf ihre Sicherheit zu nehmen. Der Kongreß fordert die achtstündige Arbeitszeit - einschließlich der Ein- und Ausfahrt - und das Verbot der Frauen- und Kinderarbeit auf den Gruben aus gesundheitlichen und sittlichen Gründen sowie einen Mindestlohn für alle Bergarbeiter.
Die Delegierten verlangen wegen des hohen Krankenstandes bei den Bergarbeitern den sanitären und kulturellen Ansprüchen genügende Wach- und Badeeinrichtungen auf allen Gruben.
Zur Reform der Knappschaftsversicherung verabschiedet der Kongreß eine Reihe von Vorschlägen, so u.a. die Vereinheitlichung des Knappschaftswesens, einheitliche Beiträge und Renten, Beseitigung der Anrechnung anderer Renten auf die Knappschaftsrente, freie Arztwahl, Zulassung von Naturheilkundigen, Rückzahlung der Beiträge bei Aufgabe der Bergarbeit sowie die volle Selbstverwaltung der Kassen durch die Arbeiter.
"Der Kongreß erkennt an, daß zur Durchführung aller volkswirthschaftlichen Reformen zu Gunsten der Arbeiter die Organisation derselben eine absolute Nothwendigkeit ist. Jene Organisation muß derart ausgebaut sein, daß sie jedem Arbeiter den Eintritt in dieselbe gestattet. Diese Möglichkeit wird nicht geboten durch einseitige religiöse oder parteipolitische Arbeiterverbindungen, sondern sie ist geschaffen durch das Vorhandensein einer Organisation, die sich keiner religiösen und politischen Richtung anschließt. Innerhalb der Organisation muß unter allen Umständen völlige Freiheit der Mitglieder herrschen, sich außerhalb der Verbindung irgend welcher Religions- oder Parteigruppen anzugliedern. Erst in der gänzlichen Gleichgültigkeit der Arbeiterorganisation gegen die etwaige Bethätigung ihrer Mitglieder außerhalb des Verbandes in religiöser oder parteipolitischer Hinsicht, liegt die Gewähr, daß der Gedanke einer alle Arbeiter des betreffenden Berufes umfassenden Organisation verwirklicht wird.
Der Kongreß erkennt an, daß der schon bestehende 'Deutsche Berg- und Hüttenarbeiterverband' eine Arbeiterorganisation ist, die entgegen allen gegnerischen Behauptungen solche Grundlagen hat, wie sie von einem gewerkschaftlichen Arbeiterverbande verlangt werden müssen.
Weiter erklärt der Kongreß, daß gleichlaufend mit den internationalen Bestrebungen der Arbeitgeber es die unabweisbare Pflicht der Arbeiter ist, sich ebenfalls durch internationale Verabredungen für die event. kommenden Zukunftskämpfe den Rücken zu decken.
Der Kongreß schließt sich ferner den Eingaben an, die 1897 in Bochum von einer von 6.000 Bergarbeitern besuchten Versammlung an den Reichstag und das Abgeordnetenhaus gemacht wurden, in denen die gesetzliche Sicherstellung des Koalitionsrechtes der Bergarbeiter gefordert wird."

Der Sattlerkongreß in Erfurt beschließt, erneut eine Petition an die deutschen Kriegsministerien mit der Bitte zu richten, in den Verträgen, welche zwischen den Kriegsministerien und Firmen, die sich um Militärarbeit bewerben, abgeschlossen werden, sollen sich die Unternehmer verpflichten, die übernommene Arbeit in eigenen Werkstätten anzufertigen und das Weitergeben an Zwischenmeister und Hausindustrielle zu verbieten.
Ursache für die Petition sind die Übelstände, die in den letzten Jahren in der Militäreffekten-Fabrikation angewachsen sind.
Die SPD-Reichstagsfraktion soll einen Antrag einbringen, daß Arbeiten, welche in Strafanstalten angefertigt werden, mit einem sichtbaren Stempel über die Herkunft versehen sein müssen.



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