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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
25. September 1894

Nachdem seit 1892 in einigen Orten Fachabteilungen innerhalb der Arbeitervereine gebildet worden waren, einigt sich die Generalversammlung der Präsides der katholischen Arbeitervereine in Köln auf von F. Hitze aufgestellte Leitsätze, in denen u.a. festgelegt wird: Die Arbeiter haben ebensogut, wie andere Berufsgruppen, das Recht wie das Bedürfnis, sich zur Wahrung und Förderung ihrer Berufsinteressen zusammenzuschließen.
Die bestehenden Berufsvereine (Gewerk- und Fachvereine) stehen fast ausnahmslos unter sozialdemokratischem und liberalem Einfluß, sind so eine bedrohliche Gefahr für die christlichen Arbeiter.
Diese Gefahr kann nur dadurch beseitigt werden, daß entweder christliche Gewerkvereine gegründet werden, oder aber daß die christlichen Arbeiter so geschult werden, daß sie den sozialdemokratischen bzw. liberalen Einfluß zu paralysieren vermögen.
Der beste und sicherste Weg zur Erreichung einer gesunden, erfolgreichen Organisation unserer Arbeiter ist die Bildung von Fachabteilungen in den bestehenden katholischen (evangelischen) Arbeitervereinen.
Ziele der Fachabteilungen sind u.a.:
Förderung der Fachbildung, Beschaffung einer Fachbibliothek; Besprechungen, Vermittlung von entsprechenden Arbeitsstellen. Gründliche Unterweisung bezüglich der bestehenden sozialen Gesetze und Veranstaltungen; praktische Anleitung zu zweckmäßiger Mitwirkung bei Ausführung, bzw. Verwaltung derselben. Besprechungen und Erhebungen bezüglich der bestehenden Arbeiterverhältnisse, Klarlegung der Mißstände und der Wege zur Abhilfe; Mitteilung und Anregung entsprechender Verbesserungen und Einrichtungen bei den berufenen Instanzen. Gewiß kann und soll auch das letzte Mittel zur Erreichung berechtigter Wünsche und Forderungen - der Streik - den Arbeitern nicht beschränkt werden, aber schon die lokale und konfessionelle Beschränkung der Organisation wird die selbständige Aufnahme und Durchführung eines solchen kaum möglich erscheinen lassen. Jedenfalls wird der Präses und Vorstand des Vereins mit Erfolg dahin wirken, daß erst alle Mittel friedlicher Vergleichung versucht werden; nicht bloß die Gesichtspunkte der Arbeiter, sondern auch die Gegengründe der Arbeitgeber, die Schwierigkeiten und Gefahren des Streiks zur vollen Erwägung kommen, daß neben den Gegensätzen auch der Solidarität der Interessen, sowie der Gesetze der Ordnung und Gerechtigkeit nicht vergessen werden; daß der Friede immer das bewußte Ziel bleibt. Errichtung von Zuschuß-Krankenkassen, Sterbekassen usw., Vermittlung guter Arbeitsstellen usw.
Die Fachabteilungen haben sich auf die Verfolgung der materiellen Interessen zu beschränken. Feste, gesellige Vergnügungen sind ausgeschlossen. Die Fachabteilungen sind nicht selbständig, sondern Teil der Arbeitervereine.
Am 11. Oktober 1894 werden die Leitsätze auch vom Gesamtverband der evangelischen Arbeitervereine angenommen.
Doch durch die Gründung christlicher Gewerkschaften kommt es kaum zur Bildung dieser Fachabteilungen.



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