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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
23. April 1894

In einem Aufsatz zum 1. Mai heißt es im "Correspondenzblatt: "Mögen die Arbeiter sich bewußt werden, daß heute, wie zu allen Zeiten, derjenige im Rechte ist, welcher die Macht hat. Die Macht der Arbeiterklasse liegt in der Organisation.
Um nicht die Meinung aufkommen zu lassen, daß wir in diesem Sinne von der Organisation der Arbeiter alles Heil erwarten und nur darauf bedacht sein müssen, diese zu stärken, wollen wir noch besonders betonen, daß wir dieselbe als einen der wichtigsten Faktoren im Emanzipationskampf der Arbeiterklasse betrachten, daß er aber ohne direkte Antheilnahme der Arbeiterschaft an der Gesetzgebung nicht zum Siege führen wird. Aber die Vertretung der Arbeiter im Parlament wird andererseits erst dann mit vollem Erfolge vorgehen können, wenn hinter ihr die organisirte Arbeiterschaft steht, bereit, den Forderungen ihrer Vertreter den nöthigen Nachdruck zu geben. Eines soll das Andere ergänzen, und die Erfolge werden nicht ausbleiben.
Wenn heute in allen Schichten der Bevölkerung die Forderungen der Arbeiter diskutiert werden, so ist dieses nicht zum geringen Theil auf die Maifeier zurückzuführen.
Würde die Praxis, die Maifeier auf einen Sonntag zu verlegen, beibehalten sein, so würde bald ein allgemeiner Festtag, nicht aber eine Feier, welche den Charakter einer Demonstration zu tragen hat, entstanden sein. Das kann und darf nicht geschehen. Unser ganzes Bestreben muß darauf gerichtet sein, der Mai-Demonstration durch Ruhelassen der Arbeit die richtige Weihe zu geben. Können wir diese heute noch nicht, so haben wir uns darauf zu beschränken am Abend des 1. Mai in entsprechender Weise zu demonstriren. An einigen Orten haben alle oder einzelne Gewerkschaften beschlossen, am 1. Mai die Arbeit ruhen zu lassen. Dieses Vorgehen, welches als der Ausgangspunkt zur allgemeinen Arbeitsruhe am 1. Mai zu betrachten ist, verdient Anerkennung, doch läßt sich seine Nachahmung nicht allgemein empfehlen, weil über die Nützlichkeit der Durchführung nach den örtlichen Verhältnissen und der Stärke der Organisationen entschieden werden muß. Es muß zum allgemeinen Ruhelassen der Arbeit am 1. Mai kommen, und es wird kommen, sobald die gewerkschaftliche Organisation der deutschen Arbeiter die genügende Stärke erlangt hat".



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