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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
14./21. November 1892

Der SPD-Parteitag in Berlin erachtet die Arbeitsruhe für die würdigste Form der Maifeier, beschließt jedoch die Art der Manifestation nicht generell, sondern jährlich festzulegen. Er erklärt sich für 1893 gegen die Arbeitsruhe am 1. Mai. Die Verschiebung jeglicher Maikundgebung auf den ersten Maisonntag wird mit Mehrheit zurückgewiesen.
Der Parteitag nimmt zu einigen gewerkschaftlichen Fragen Stellung ("Boykott, Kontrollmarke, Produktivgenossenschaften" als Folge von Arbeitskämpfen), lehnt indessen eine Ergänzung der vom Referenten, I. Auer, zu dem genannten Punkt beantragten Resolution ab. In dieser Ergänzung wird erneut die Pflicht eines jeden Parteimitglieds betont, "der für seinen Beruf am Orte bestehenden Gewerkschaftsorganisation anzugehören und sich deren Beschlüssen zu fügen, soweit sie den gewerkschaftlichen Boden nicht verlassen und keine Verletzung der Parteigrundsätze enthalten. Der Parteitag befürchte nicht, daß die gewerkschaftliche Zentralorganisation dazu führen könnte, der Partei Kämpfer und Mittel zu entziehen; er erkenne vielmehr an, daß auch in diesen Gewerkschaften die für den Klassenkampf notwendige Erziehung des Proletariats erfolge." Die Ablehnung dieses Antrages wird mit der Erklärung begründet, daß man bereits auf dem Parteitag zu Halle zu dieser Frage Stellung genommen habe.
Die Partei "kann die Gründung von Genossenschaften nur da gutheißen, wo sie die soziale Existenzermöglichung von im politischen ...Kampf gemaßregelten Genossen bezwecken..." Parteigenossen müssen die Unterstützung davon abhängig machen, daß genügend Mittel für eine gesunde finanzielle Grundlage zur Verfügung stehen und Garantien für geschäftskundige Leitung und Verwaltung gegeben sind.
"Im Übrigen haben die Parteigenossen ... den Glauben zu bekämpfen, daß Genossenschaften im Stand seien, die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu beeinflussen, die Klassenlage der Arbeiter zu heben, den politischen und gewerkschaftlichen Klassenkampf der Arbeiter zu beseitigen oder auch nur zu mildern.
Der Boykott ist ... eine Waffe, die nur unter der aktiven Theilnahme der großen, heute noch nicht organisirten Massen wirksam in Anwendung gebracht werden kann. Der Boykott kann daher mit Aussicht auf Erfolg nur in den Fällen in Vorschlag gebracht werden, wo es sich um Fragen handelt, an denen weite Arbeiterkreise mit tiefgehendem Interesse betheiligt sind, insbesondere auch um Zurückweisung von Bestrebungen, welche eine politische Schädigung der Arbeiterklasse bezwecken.[...]
Die Kontroll- oder Schutzmarke hat den Zweck, dem Käufer einer Ware zu zeigen, daß bei deren Herstellung die jeweiligen Forderungen der betreffenden Gewerkschaftsorganisation in Bezug auf Lohnhöhe und Arbeitsbedingung erfüllt werden.[...]
Nur... als eine der Waffen im gewerkschaftlichen Kampfe, kann die Kontroll- oder Schutzmarke die Unterstützung der Parteigenossen beanspruchen. [...] Die Parteigenossen haben gegen die Kontrollmarke sich in allen Fällen zu erklären, wo ihrer Einführung der Gedanke zu Grunde liegt, mittelst derselben den gewerkschaftlichen Kampf überflüssig zumachen..."
Mit dem Staatssozialismus habe die Partei nichts gemein. Soweit er sich mit der Sozialreform oder Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen beschäftige, sei er ein System der Halbheiten, das seine Entstehung der Furcht vor der Sozialdemokratie verdanke und bezwecke, durch kleine Konzessionen die Arbeiterklasse der Sozialdemokratie zu entfremden.
Den Antisemitismus bekämpfe die Sozialdemokratie als eine gegen die natürliche Entwicklung der Gesellschaft gerichtete Erscheinung.



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