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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
11. April 1890

Der preußische Minister des Innern wendet "dieser ernsten Angelegenheit - dem 1. Mai - seine größte Aufmerksamkeit" zu und erläßt eine ausführliche Instruktion an sämtliche Regierungspräsidenten Preußens, "nach der übereinstimmend ... verfahren werden soll". Diese Instruktion sendet die Reichsregierung mit fast gleichem Wortlaut am 17. April an die einzelnen Bundesregierungen, die sich beeilen, danach zu handeln. Die Behörden erwarten am 1. Mai Arbeitsniederlegungen "in einer Anzahl von Orten und Betrieben oder doch in größeren industriellen Etablissements" sowie Demonstrationen, Versammlungen und eine Petitionsbewegung zur Einführung des Achtstundentages.
Dagegen sieht die Instruktion folgende Maßnahmen vor: Aufforderung zur Arbeitsruhe am 1. Mai, ohne Innehaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, sei nach Paragraph 110 des Strafgesetzbuches sofort strafrechtlich zu verfolgen. Arbeitgebern und Arbeitswilligen sei polizeilicher "Schutz" bereitzustellen, gegen Agitatoren seien Paragraph 153 der Gewerbeordnung und Paragraph 240 des Strafgesetzbuches anzuwenden. Versammlungen unter freiem Himmel und öffentliche Aufzüge seien wegen der "Gefahr für die öffentliche Ordnung" zu verbieten und polizeilich zu verhindern, Versammlungen in geschlossenen Räumen auf Grund des Sozialistengesetzes zu untersagen. In den Brennpunkten der Arbeiterbewegung, wo die Maifeier Ausgangspunkt einer "umfangreichen und längeren Arbeitseinstellung" werden könne, seien die Polizeikräfte zu verstärken. Auf Beschluß der preußischen Regierung wird schließlich nachträglich noch angeführt: "In denjenigen Orten, in welchen umfangreiche Kundgebungen zu erwarten und insbesondere auch Ruhestörungen zu befürchten sind, sollen die Militärbehörden rechtzeitig von der Sachlage und von den zur Bewältigung etwaiger Ruhestörung getroffenen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt werden."
In Hamburg teilt der Militärbefehlshaber dem Senat mit, daß sich ein Infanterieregiment am 1. Mai und den folgenden Tagen bereithalte, um "jederzeit zum Ausrücken bereit" zu sein.
Die meisten Arbeiterversammlungen und alle Demonstrationen am 1. Mai werden in Hamburg verboten. Eine Ausnahme bilden lediglich eine Anzahl Vergnügungen am Abend des 1. Mai, denn "eine Art von Ventil sollte man den erregten Massen offen lassen".
Der "Verband der Eisenindustrie Hamburgs" beschließt, eine Arbeitseinstellung am 1. Mai mit einer achttägigen Aussperrung der Arbeiter sämtlicher angeschlossenen Fabriken und Werke zu beantworten.



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