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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
3. Mai / 6. Juni 1889

Der größte deutsche Streik beginnt im Ruhrgebiet ohne Mitwirkung der Gewerkschaften. Die Bergleute fordern die Achtstundenschicht, 15 Prozent Lohnerhöhung, Beseitigung der Lohnabzugssysteme und Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Der Streik beginnt am 3. Mai mit Teilstreiks in Essen und dem Ausstand der Gelsenkirchener Bergarbeiter am 4. Mai und erfaßt nach staatlichen Beschwichtigungsversuchen trotz brutalen Vorgehens des Militärs im Streikgebiet ab 5. Mai - wobei es Tote und Verwundete gibt - und nach Ablehnung der Forderungen durch den Unternehmerverband am 11. Mai rund 90 Prozent aller Ruhrbergarbeiter. Die noch unorganisierten Bergarbeiter stehen teilweise unter kirchlichem, zum geringeren Teil unter Einfluß sozialdemokratischer Bergarbeiter. Der Streik greift ab 10. Mai auf die schlesischen Reviere und am 13. Mai auf das Aachener Revier über, so daß Mitte Mai rund 115.000 Bergarbeiter gleichzeitig streiken. Am 20. Mai beginnen rund 8.000 sächsische Bergarbeiter den Streik.
Wilhelm II. empfängt, trotz gegensätzlicher Auffassung O. von Bismarcks, am 14. Mai eine Delegation streikender Ruhrbergarbeiter und am 15. Mai eine Grubendelegation. Verhandlungen beider Deputationen führen zur Unterzeichnung des unverbindlichen Berliner Protokolls vom 15. Mai, das nicht die Billigung der Grubenherren findet. Der Unternehmerverband des Ruhrreviers sieht sich am 18. Mai zu einem Kompromißangebot gezwungen. Die Belegschaftsdelegierten beschließen am 19. Mai, auf der Grundlage des Kompromißangebots, den Streik zu beenden. Nach Wiederaufnahme der Arbeit am 21. Mai weisen die Unternehmer jegliche Forderungen zurück; ein Teil der Belegschaftsdelegierten beschließt darum am 24. Mai mit 69 zu 48 Stimmen die Fortsetzung des Streiks. Zugleich mit 40.000 erneut ausständigen Ruhrbergarbeitern beginnen am 25. Mai 11.000 Saarbergarbeiter zu streiken. Am 21. Mai beenden die niederschlesischen, am 25. Mai die sächsischen, am 27. Mai die oberschlesischen, Anfang Juni die Aachener und am 6. Juni die Saarbergarbeiter den Streik. Der Ruhrbergarbeiterstreik zerbröckelt Ende Mai infolge Verhaftung der Streikleitungen und mangelnder Einmütigkeit, wird aber erst am 31. Mai durch Beschluß der Dortmunder Delegierten beendet, nachdem eine teilweise Erfüllung der Forderungen zugesichert ist. Dieser Bergarbeiterstreik bezieht bisher noch nicht organisierte Arbeiter in den gewerkschaftlichen Kampf ein. Der Streik trägt wesentlich dazu bei, daß das Sozialistengesetz aufgehoben und Reichskanzler O. von Bismarck gestürzt wird.
Denn auch die bürgerliche Presse kritisiert heftig das Eingreifen des Militärs gegen die Streikenden.
Dieser Streik hat aber auch zweifellos zu einer verstärkten Gründung von Gewerkschaften und zu einem beachtlichen Anwachsen der Zahl von Gewerkschaftsmitgliedern geführt. Innerhalb eines Jahres steigt die Zahl der Gewerkschaftsverbände von 41 auf 59 und die der Mitglieder auf rund 240.000. Mehr als bisher rücken die Industriearbeiter aus den Großbetrieben neben die Handwerker bzw. die Arbeiter aus den Klein- und Mittelbetrieben.



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