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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
17. November 1881

Der Reichstag wird mit einer kaiserlichen Botschaft anstelle der üblichen Thronrede eröffnet, in der der Kaiser äußert: "Wir halten es für Unsere kaiserliche Pflicht, dem Reichstag die Förderung des Wohles der Arbeiter von Neuem ans Herz zu legen, und würden Wir mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaft seines inneren Friedens und den Hülfsbedüftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen. In diesem Sinne wird zunächst der Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle vorbereitet. Ergänzend wird ihm eine Vorlage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerblichen Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt. Aber auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zu Theil werden können. Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung werden, wie Wir hoffen, die Lösung von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde."
Hiernach sollen die Arbeiter in den durch Krankheit, Unfall, Invalidität und Altersschwäche herbeigeführten Nothlagen ein Anrecht auf eine standesgemäße, vor der Armenpflege bewahrende Fürsorge gesetzlich sichergestellt werden. Dies ließe sich nur durch allgemeine Zwangsversicherung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erreichen. Für die Durchführung der Versicherung ergeben sich als natürliche Grundlagen: Gegenseitigkeit und Selbstverwaltung.
Damit beginnt der Versuch der Regierung, durch eine Reihe sozialer Gesetze - Unfall-, Alters-, Invaliden- und Krankenversicherung - die Arbeiter stärker an den bestehenden Staat zu binden. Die Handhabung des Sozialistengesetzes jedoch führt nicht zu einer Versöhnung der Arbeiter gegenüber dem Staat, sondern zu wachsendem Mißtrauen und großer Erbitterung.



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