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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
1877

Der Verbandstag des Buchbinderverbandes in Leipzig beschließt die Verbandskrankenkasse dem Hilfskassengesetz zu unterstellen. Ihre obligatorische Einführung wird jedoch abgelehnt, es sollen nur Verbandsmitglieder zu der Kasse zugelassen werden.
Ein Antrag, über einen einheitlichen Arbeitstarif nachzudenken, wird an den Ausschuß überwiesen.

Der junge katholische Priester Franz Hitze gibt sein erstes Buch heraus: "Die soziale Frage und die Bestrebungen zu ihrer Lösung mit besonderer Berücksichtigung der verschiedenen sozialen Parteien in Deutschland". F. Hitze übt in diesem scharfe Kritik an der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unter Zustimmung zu den Analysen von K. Marx und mehr noch von F. Lassalle.
F. Hitze ist davon überzeugt, daß die mechanisierte Produktion zum Sozialismus führen müsse: entweder zum "sozialdemokratischen Staatssozialismus", den er als katholische Lösung der sozialen Frage scharf ablehnt, oder zum "konservativen Sozialismus der Stände". Die ständische Neuordnung ist nur durch staatliche Maßnahmen erreichbar.
F. Hitze gibt später zwar sein Ideal der ständischen Reorganisation der Gesellschaft auf, nicht aber seine Auffassung von der Rolle des Staates. Für die Wirtschaft beharrt er auf einer berufsständischen Ordnung.

In seinem Buch "Der radikale deutsche Sozialismus und die christliche Gesellschaft" empfiehlt der evangelische Pfarrer Rudolf Todt den Arbeitern, die ihnen gemachten Konzessionen - Wahlrecht und Koalitionsfreiheit - "ernstlich und konsequent" zu gebrauchen, wobei sich die Koalitionsfreiheit nur im Unterstützungswesen auswirken soll. Die Lage lasse sich dadurch in etwa verbessern. R. Todts Einfluß in der evangelischen Kirche bleibt gering. Doch sein christlich-monarchischer Staatssozialismus, so die Forderung nach einem Vertrauensverhältnis zwischen Monarchie und Arbeiterstand für eine Politik durchgreifender Reformen sowie nach einem "Eintreten der Kirche für die berechtigten Forderungen des vierten Standes" wirken im Kathedersozialismus und im Evangelisch-Sozialen Kongreß fort.

Die Betriebsleitung des Stahlwerks Kaiserslautern schreibt ihren Angestellten ins Lohnbuch, sie sollen "es als heilige Pflicht erachten, den ihnen übertragenen Geschäftsverrichtungen die größte Aufmerksamkeit zu widmen, mit Fleiß und Ausdauer die Arbeitszeit zu benutzen, ihre ganze Fähigkeit auf ein vollkommenes Gelingen der Arbeit aufzubieten und endlich mit Material und Werkzeug sparsam umzugehen - überhaupt alle Verrichtungen so zu besorgen, als wenn es sich um ihr eigenes Interesse handele". Dieser "auf liberalen Grundsätzen beruhenden" Präambel folgen als eigentliche Arbeitsordnung noch 25 Strafparagraphen.


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net edition fes-library | 1999