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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
21. Januar 1866

In einem im "Boten vom Niederrhein" veröffentlichten Aufruf "An die Arbeiter von Essen und Umgebung" - er dient der Unterstützung eines vom lokalen ADAV geplanten Arbeitertages - heißt es u.a. :
"In ganz Europa beginnt sich der Arbeiterstand zu regen, um durch vereinte Kraft auf dem Wege des Gesetzes ein besseres materielles Los und volle bürgerliche Gleichberechtigung mit allen andern Berufsklassen zu erlangen. In England, wo die Übermacht des Kapitals lange Zeit am drückendsten war, wird das Coalitionsrecht in immer größerem Maßstabe zum Vorteil der arbeitenden Klasse angewandt und in zahlreichen Volksversammlungen wird das allgemeine Wahlrecht verlangt. Selbst in dem so schwer unterdrückten Frankreich haben die Arbeiter bereits eine Besserung der Gesetzgebung zu ihren Gunsten erlangt und harren des Tages, der ihnen ein volleres Maß der Freiheit ringen wird. Jenseits des Ozeans kämpfen die Arbeiter unter dem Schutz der freien Gesetzgebung der Vereinigten Staaten jetzt für die Beschränkung der Arbeitszeit auf acht Stunden. Leider sind wir von einem solchen Fortschritt in Deutschland noch weit entfernt; aber doch ist in allen Teilen unseres großen Vaterlandes wenigstens der unerläßlichste Anfang zu einer Besserung gemacht, indem die Arbeiter begonnen haben über ihre Lage nachzudenken, die ihnen fehlenden Rechte zu fordern und sich durch Vereine und Genossenschaften soweit selbst zu helfen, als es die engen Schranken unserer bestehenden Gesetzgebung zulassen. Arbeiter von Essen und Umgegend! Duldet nicht länger, daß sie allein in dieser großen, gemeinsamen Sache zurückstehe. Beteiligt Euch scharenweise an der bevorstehenden Versammlung und unterstützt jedes zweckmäßige Mittel, das Euch zur Besserung Eurer Lage vorgeschlagen wird. Laßt Euch nicht dadurch abschrecken, daß der Erfolg noch in weiter Ferne steht. Einmal muß angefangen werden, und wenn auch Generationen vergehen sollten, bevor sich der Arbeiterstand in der ganzen zivilisierten Welt eine wahrhaft menschenwürdige Stellung errungen hat, so wird doch kein wackerer Mann bei diese Arbeit zurückstehn wollen. Nicht stets hatten solche Bestrebungen, die ohne alle Verabredung in den verschiedensten Ländern mächtig und immer mächtiger auftraten, einen großen geschichtlichen Beruf. So ist es jetzt mit der allgemeinen Arbeiter-Bewegung, und darin liegt die Bürgschaft für einen schönen, wenn auch schwer zu erringenden Erfolg."



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