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[Seite der Druckausg.: 23 (Fortsetzung)]





III. Die Krise der Föderation


Die Sowjetunion ist ein Vielvölkerstaat, ein riesiges Imperium. Ihre Probleme wurden von einer kommunistischen Einparteiendiktatur überdeckt. Heute ist diese Union vom Zerfall bedroht. Die 15 Unionsrepubliken der UdSSR haben ihre Souveränität erklärt. Sechs von ihnen wollen unabhängig werden. Die übrigen neun streiten untereinander und mit dem Zentrum über den Entwurf eines neuen Unionsvertrages.

Die Traditionen autoritärer Herrschaftsformen in der heutigen Sowjetunion – von Aserbaidschan bis Rußland und vom Baltikum bis Mittelasien – reichen Jahrhunderte zurück. Ihre nationale Vielfalt blüht im Zuge der Umgestaltung auf. In den Regionen, in denen die bürgerliche Kultur und Zivilisation tiefere Wurzeln hatten (z.B. im Baltikum), erscheint der nationale Separatismus weniger aggressiv. Überall sind aber die neu entstandenen nationalen Bewegungen von einem starken Nationalismus und religiöser Renaissance geprägt. Dahinter stehen entweder bürokratische Gruppeninteressen oder es handelt sich um spontanen Aufruhr gegen die bürokratische Diktatur stalinistischer Prägung, die überall als "russisch" auftritt. Die Vertreter der Bürokratie auf Unionsebene sowie in den Großstädten der Republiken sind mehrheitlich russischer Nationalität. Deshalb hat das Aufbegehren gegen die bürokratische Bevormundung zugleich eine antirussische und antisowjetische Tendenz. Im Zuge der Perestrojka suchen sowohl die nationale als auch die örtliche russische Bürokratie in den Republiken – oft miteinander konkurrierend – nach Wegen zum Überleben. Durch Anfachen der nationalen Bewegungen üben sie Druck auf das russische Zentrum aus, um auf diese Weise ihre örtlichen Positionen in den Republiken zu festigen. Dabei sind sie bereit,

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auch im Tarnanzug von Kämpfern für nationale Autonomie (z.B. in der RSFSR) aufzutreten oder gar mit dem Islam zu liebäugeln (z.B. in Aserbaidschan oder Kasachstan).

Dies bedeutet jedoch nicht, daß die nationalen Bewegungen in den Unionsrepubliken nicht über ein demokratisches Potential verfügen. Schließlich sind in den drei baltischen Staaten, Armenien und Georgien nichtkommunistische Regierungen an der Macht. Auch Boris Jelzin, der erste freigewählte Präsident der RSFSR, stützt sich auf die Bewegung "Demokratisches Rußland". Insofern ist die Erwartung berechtigt, daß der soziale und antibürokratische Charakter der nationalen Bewegungen künftig weiter gestärkt wird. Andererseits könnte jedoch unter der Präsidentschaft Jelzins der russische Nationalismus als treibende Kraft hervortreten.

Wie Nationalitäten-Probleme aus russischer Sicht gesehen werden, verraten die oft wiederholten Anklagen Gorbatschows, wenn er behauptet, die Russen seien im Balti-kum, in Georgien oder Moldowa Bürger zweiter Klasse, weil sie angeblich keine eigenen Schulen bekommen. Wenn dagegen Litauer oder Moldauer in Moskau nach eigenen Schulen fragen, müssen sie sich von den Russen sagen lassen: "Wenn ihr eigene Schulen wollt, geht nach Hause". Den Mythos von den unterdrückten Russen im Baltikum haben auch die Volksbefragungen im März 1991 deutlich wiederlegt, bei denen in Lettland 72 % und in Estland 74 % der Stimmberechtigten für die Wiederherstellung der Unabhängigkeit stimmten. Dabei beträgt der Anteil der Russen an der Bevölkerung in Estland 40 % und in Lettland fast 50 %. Daß demnach die meisten Russen für die Unabhängigkeit der baltischen Staaten stimmten, bedeutet, daß sie lieber als nationale Minderheit in einem unabhängigen baltischen Staat als in der Föderation leben wollen.

Die Moskauer Zentrale verfügt nicht über ein fertiges Konzept für die Zukunft der sechs Republiken, die unabhängig werden wollen. Es scheint jedoch, daß der Prozeß der Unabhängigkeit der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen nahezu gesetzmäßig verläuft. Die Probleme im Zusammenhang mit Moldowa, Armenien und Georgien sind dagegen wesentlich komplizierter. Im Kaukasus herrschen heute bürgerkriegsähnliche Zustände. Im Gebiet Nagorny Karabach sind mit Hilfe der aserbaidschanischen Behörden und der zentralen Truppen Moskaus bereits 16 armenische Dörfer verschwunden.

Noch vor kurzem hatte es den Anschein, als ob Gorbatschow den Widerstand der Balten, vor allem der Litauer, um jeden Preis brechen wollte. Das Recht der Völker auf

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Selbstbestimmung und Unabhängigkeit kollidierte mit dem nüchternen Pragmatismus der globalen Großmachtpolitik. Im Grunde lohnt es sich jedoch nicht, für die Freiheit von 3 Millionen Litauern eine neue Eiszeit zu riskieren.

Die Einsätze der staatlichen Terrorgruppen (OMON) des sowjetischen Innenministeriums in Litauen ab Januar 1991 zeigten, wie weit Präsident Gorbatschow vom Verständnis des demokratischen Rechtsstaates entfernt ist. In einem Rechtsstaat wäre es unvorstellbar, daß sich ein örtlicher Kommandeur an der Seite einer Partei oder Gruppe mit Waffengewalt in einen zivilen Konflikt einmischt. Hätte Präsident Gorbatschow den Kommandeur, der den Schießbefehl erteilt hatte, vor Gericht gestellt, hätte er sein eigenes Ansehen, zumindest im Ausland, retten können. Statt dessen erschien Gorbatschow mit Innenminister Pugo und Verteidigungsminister Jasow im sowjetischen Parlament, um die blutigen Ereignisse in Wilnius einseitig darzustellen.

Das von Präsident Gorbatschow angestrengte und am 17. März 1991 durchgeführte Referendum über den Unionsvertrag hat seinen Zweck als Legitimierung der zentralen Macht nicht erfüllt. Die in sich widersprüchliche Frage ("Halten Sie es für nötig, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als erneuerte Föderation gleichberechtigter und souveräner Republiken zu erhalten, in der die Rechte und Freiheit der Menschen aller Nationalitäten voll garantiert werden?") diente lediglich dazu, ein Resultat im Sinne des zentralen Parteiapparates, der Bürokratie und der Armee zu erreichen sowie ein eventuelles militärisches Eingreifen in einer Republik zu rechtfertigen.

Im Grunde war die Frage unzulässig. Wenn jemand der Föderation zustimmte, bedeutete das noch lange nicht, daß er auch mit dem sozialistischen System einverstanden ist. Es fehlte auch der Hinweis auf den Unterschied zwischen Föderation und "erneuerter" Föderation.

Das Referendum wurde so, wie es von Gorbatschow gedacht war, nur in vier Republiken durchgeführt: Belorußland, Kirgisien, Tadschikistan und Turkmenien. In drei Republiken wurde eine zweite Frage gestellt: "Halten Sie es für zweckmäßig, daß sich Aserbaidschan als souveräner Staat an der Föderation souveräner Staaten beteiligt?" (Aserbaidschan); "Sind Sie damit einverstanden, daß die Ukraine auf der Grundlage der Erklärung über die staatliche Souveränität der Ukraine in der Union der souveränen Sowjetrepubliken bleiben soll?" (Ukraine). Ähnlich lautete die zweite Frage auch in Usbekistan. Kasachstan hat den Begriff "souveräne Republiken" durch "souveräne

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Staaten" ersetzt. In der RSFSR entschied die Bevölkerung auf einem zweiten Fragebogen darüber, ob die Wahl des russischen Präsidenten direkt oder indirekt erfolgen soll.

In sechs Republiken (Estland, Lettland, Litauen, Georgien, Armenien und Moldawa) wurde die Durchführung des Unionsreferendums verweigert. Die baltischen Staaten führten einen eigenen Volksentscheid über ihre Unabhängigkeit durch. Das Unionsreferendum fand in diesen sechs Republiken nur in Arbeitskollektiven und Unternehmen, die der Union unterstellt sind, d.h. für russische Minderheiten, statt. Das sowjetische Parlament erklärte den Volksentscheid in Estland und Litauen für nichtig, das Referendum in den Arbeitskollektiven dagegen, obwohl das Gesetz über die Volksbefragung dies verbietet, für gesetzmäßig. Diese Beschlüsse des Obersten Sowjets waren unzulässig. Sie hatten weniger mit Rechtsstaatlichkeit als vielmehr mit einer formal parlamentarisch bürokratischen Diktatur zu tun. Von Rechts wegen hätte das Komitee für Verfassungsaufsicht der UdSSR eingeschaltet werden müssen.

Ähnlich undemokratisch war auch die Auslegung der Ergebnisse des Volksentscheids, indem es hieß, daß "die Abstimmungsergebnisse in der Union insgesamt unter Berücksichtigung der Abstimmungsergebnisse in jeder einzelnen Republik zu bestimmen" seien. Auf diese Weise stand das Resultat schon von vornherein fest, denn 109 Millionen von rund 180 Millionen Stimmberechtigten leben in Rußland, und es war nicht anzunehmen, daß die Russen für die Selbstauflösung der Föderation stimmen würden.

Die am 24. November 1990 und am 8. März 1991 veröffentlichten Entwürfe für einen neuen Unionsvertrag hatten keine Chance, von den föderationswilligen Republiken akzeptiert zu werden, da in ihnen eindeutig das Moskauer Zentrum dominierte. Ein neuer Unionsvertrag, der Bestand haben soll, hätte nicht von oben, d.h. vom Zentrum, sondern von unten, also den Republiken, konzipiert werden müssen. Demokratische und föderative Strukturen können nicht entstehen, wenn das Zentrum eine Föderation für seine Zwecke bildet, wie Gorbatschow es mit seinen Entwürfen vorhatte, vielmehr sollte das Zentrum aufgrund des freiwilligen Zusammenschlusses der Mitgliedsstaaten entstehen und deren Zwecken dienen, wie dies ursprünglich der Beratergruppe Jelzins (Schatalin-Plan) vorgeschwebt hatte. Letztendlich schlossen die alte Elite um Gorbatschow und die neue Elite um Jelzin jedoch einen Kompromiß. Moskau machte den Republiken eine Reihe von Zugeständnissen. Rußland stimmte einem neuen Entwurf für einen Unionsvertrag im Prinzip zu.

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Der neue politische Kurs Gorbatschows in Sachen Föderation begann mit den sogenannten "9 + 1 "-Gesprächen, die am 23. April 1991 in Nowo Ogarjowo stattfanden. In einer gemeinsamen Erklärung einigten sich die neun Republiken (Belorußland, Kasachstan, Usbekistan, Aserbaidschan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenien, die RSFSR sowie die Ukraine) und das Zentrum über die unverzügliche Durchführung gemeinsamer Maßnahmen. Die "Großen Fünf" (Belorußland, Kasachstan, Usbekistan, die RSFSR und die Ukraine) trafen sich bereits am 18. April in Kiew, um ihre gemeinsame Position gegenüber dem Zentrum abzustimmen. Dieser sogenannte Gorbatschow-Jelzin-Pakt, der den raschen Abschluß eines Unionsvertrages, die Verabschiedung einer neuen Verfassung, Neuwahlen für die zentralen Staatsorgane sowie "weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Lage im Lande und Überwindung der Krise" vorsah, war ein erster Schritt zum Kompromiß zwischen der alten und neuen bürokratischen Elite über die Neuverteilung der Macht.

Der am 26. Juni 1991 veröffentlichte bisher dritte Entwurf des Unionsvertrages läßt viele Streitfragen unangetastet, die das Verhältnis zwischen Zentrum und Republiken belasten. Zu den offenen Fragen gehören der Name des Vertrages (Vertrag über die Union Souveräner Staaten) sowie der erneuerten Föderation (Union der Souveränen Sowjetrepubliken – UdSSR). Verwirrend ist dabei, daß es in einem souveränen Staat (UdSSR) souveräne Staaten geben soll.

Noch verwirrender ist der Artikel 1 des Vertragsentwurfs, in dem es heißt: "Die Staaten, welche die Union bilden, treten in sie entweder direkt oder als Mitglieder anderer Staaten ein. Alle genießen gleiche Rechte und haben gleiche Pflichten." Demnach fungieren z.B. die autonomen Republiken und Gebiete der RSFSR als unterzeichnungs- und gleichberechtigte Staaten. Sie gelten als souveräne Republiken bzw. Gebiete in dem souveränen Staat RSFSR, der wiederum Teil einer souveränen Union ist! Hinter dieser Sprachregelung – "souveräne autonome Republiken und Gebiete" – steckt die Machtfrage. Einerseits kann das Zentrum (Gorbatschow) über Jelzins Kopf hinweg in die RSFSR hineinregieren. Andererseits kann sich das Zentrum durch die zahlreichen gleichberechtigten autonomen Republiken ein russisches Übergewicht im Unionsparlament sichern.

Die Kritik der RSFSR richtet sich nicht nur gegen Artikel 1 des Entwurfs, in dem die bisherigen autonomen Territorien als gleichberechtigte souveräne Republiken anerkannt werden, sondern auch gegen Artikel 2. in dem es heißt: "Ein Bürger einer Republik, die der UdSSR angehört, ist gleichzeitig Bürger der UdSSR". Demnach ist z.B. ein

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Bürger Baschkiriens gleich Staatsbürger der UdSSR, aber nicht Staatsbürger der RSFSR, auf deren Territorium sich Baschkirien befindet. Ähnlich problematisch ist Artikel 3 des Entwurfs über das Territorium der UdSSR, weil hier praktisch innerhalb der RSFSR neue zwischenstaatliche Grenzen zwischen Rußland und den autonomen Territorien gezogen werden.

Die Widersprüche treten bereits in der Präambel zum Entwurf des Unionsvertrages zutage, in der das Selbstbestimmungsrecht der Nationen einerseits und das Recht der Republiken auf Integrität ihres Territoriums andererseits gleichberechtigt nebeneinander stehen. Da das eine gegenüber dem anderen keinen Vorrang genießt, sind Konflikte nach dem Muster von Nagorny-Karabach (Selbstbestimmungsrecht der armenischen Nation einerseits, Integrität des Staatsterritoriums von Aserbaidschan andererseits) geradezu vorprogrammiert.

Noch problematischer wird es, wenn es um die Frage geht, wer die über 130 Volksgruppen in der UdSSR vertritt, die nicht über ein autonomes Territorium verfügen, wie z.B. Deutsche, Kosaken, Kurden oder Japaner. Ebenso unbeantwortet bleibt die Frage, wie etwa das autonome Gebiet Jakutien vertreten werden soll. wenn dort nur zu 33 % Jakuten, aber 50 % Russen leben.

Die Haltung der Moskauer Zentrale ist eindeutig. Sie wendet das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts und das Prinzip der Integrität des Staatsterritoriums abwechselnd je nach Interessenlage an. Im Konflikt um Nagorny-Karabach unterstützt Moskau die territoriale Integrität des Staates Aserbaidschan und mißachtet das Selbstbestimmungsrecht der armenischen Nation, da Aserbaidschan in der Föderation verbleiben, Armenien sich jedoch von Moskau lösen will. In Georgien unterstützt Moskau dagegen das Recht der Osseten und Abchasen auf Selbstbestimmung und Autonomie bzw. gar Unabhängigkeit auf Kosten der Integrität des georgischen Staatsterritoriums, da Georgien die Unabhängigkeit anstrebt. Ähnlich verfährt Moskau gegenüber Moldowa, wo es plötzlich das Selbstbestimmungsrecht der Gagausen hochhält. Gegenüber den baltischen Staaten wendet die Moskauer Zentrale beide Prinzipien an. Die Integrität des Territoriums der UdSSR hat aus Moskauer Sicht Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der baltischen Nationen. In den einzelnen baltischen Staaten fördert Moskau dagegen das Selbstbestimmungsrecht der dortigen russischen Minderheiten.

Ein weiterer Widerspruch ergibt sich aus Teil 7 der Präambel. Danach tritt die Union der Souveränen Sowjetrepubliken als souveränes Staats- und Völkerrechtssubjekt in den

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internationalen Beziehungen die Rechtsnachfolge der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken an. Das bedeutet, daß die alte Sowjetunion untergegangen ist. In Artikel 23 heißt es dagegen, daß für die Republiken, die dem neuen Unionsvertrag nicht beitreten, weiterhin die Rechtsordnung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gilt. Das bedeutet, daß die alte Sowjetunion noch lebt und nicht untergegangen ist.

Weitere Streitfragen sind: die Nichterwähnung des Privateigentums im Vertragsentwurf, die unklare Kompetenzteilung, wonach die Republiken über Grund und Boden sowie Rohstoffe verfügen, ausgenommen Naturschätze, die das Zentrum zur Aufrechterhaltung seiner Autorität benötigt, sowie das Steuersystem, das eingleisig (RSFSR, Ukraine) oder zweigleisig (Zentrum) eingeführt werden soll.

Bislang haben sieben der neun beitrittswilligen Republiken dem Entwurf zum Unionsvertrag zugestimmt. Die RSFSR billigte ihn nur im Grundsatz. Differenzen zwischen Zentrum und RSFSR bestehen weiterhin in der Steuerfrage und im Hinblick auf den politischen Status der autonomen Republiken. Die Zustimmung der Ukraine steht noch aus, da starke politische Kräfte, vor allem in der Westukraine, den vorliegenden Vertragsentwurf ablehnen.

Wie der neue Unionsvertrag letztendlich aussehen wird und wann die Unterzeichnung erfolgt, ist noch völlig offen. Ob es gelingt, den Vertragsentwurf gegen den Widerstand der Konservativen in Partei, Armee und Verwaltung eindeutig zu formulieren und einen konföderativen Staat anzuvisieren, bleibt fraglich. Die ultrakonservative Abgeordnetengruppe "Sojus" fürchtet bereits das Ende des Einheitsstaates und lehnt deshalb den Vertragsentwurf ab. Die nationalistischen und antikommunistischen Kräfte, die den Unionsvertrag ebenfalls nicht unterzeichnen wollen, fürchten Sanktionen und repressive Maßnahmen. Die Volksfronten und Bewegungen aus den sechs Republiken, die der Union nicht beitreten wollen, schufen deshalb am 25. Mai 1991 einen eigenen Mechanismus für ständige Konsultationen ("Kischinjew-Forum"), um sich besser vor sowjetischen Militärsanktionen schützen zu können. Eine Änderung in der Haltung des Zentrums gegenüber den sechs abtrünnigen Republiken ist auch dann nicht zu erwarten, wenn aufgrund des Kompromisses zwischen der alten und der neuen bürokratischen Elite um Gorbatschow und Jelzin ein neuer Unionsvertrag sowie eine formal demokratisch bürokratische Diktatur entsteht.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2001

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