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Der Karabach-Konflikt : Moskaus Hand in Transkaukasien / Henrik Bischof. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1995. - 36 S. = 110 Kb, Text . - (Studie zur Außenpolitik ; 67). - ISBN 3-86077-369-0 Electronic ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1997 © Friedrich-Ebert-Stiftung
The Study depicts the domestic development in Armenia and Azerfaijan between 1991 and 1994 as well as the influence of Russia on the balance of power within and between the two countries. A special section is dedicated to the "treaty of the century" on oil development reached between Azerbaijan and western consortiums. The final section addresses the Karabakh conflict, the way in which Moscow has used the conflict as well as the great power rivalry (United States - Russia) and the regional powers (Iran and Turkey) in Transcaucasia. The paper also examines the issue of an OSCE peacekeeping mission in the region.
Am Anfang schien der Karabach-Konflikt eine "innere Angelegenheit"
Aserbaidschans zu sein, auf dessen Territorium Berg-Karabach liegt.
Doch dann weitete sich der Konflikt zu einem Krieg zwischen Armenien
und Aserbaidschan aus. Danach traten die südlichen Nachbarstaaten
Türkei und Iran auf den Plan, um ihre eigenen - konkurrierenden
- Interessen im Transkaukasus zu sichern. Und als nächstes
tauchten die westlichen Großmächte, USA und Großbritannien,
auf, um ihre Einflußmöglichkeiten in der Region wahrzunehmen.
Schließlich schalteten sich auch noch die internationalen
Organisationen, vor allem die KSZE/OSZE, aber am Rande auch die
UNO, "friedensstiftend" in den Konflikt ein. Inzwischen
scheint die Lösung des Karabach-Konfliktes in weite Ferne
gerückt zu sein - nicht wegen der Kompromißlosigkeit
der unmittelbar beteiligten Konfliktparteien (Armenien, Aserbaidschan),
sondern vielmehr wegen des Eigeninteresses von Drittstaaten und
Organisationen, es sei denn, Rußland gelingt es, mit Hilfe
des Karabach-Konflikts die vollständige Kontrolle über
den Transkaukasus zurückzugewinnen.
Moskaus Hand war von Anbeginn bis heute sowohl im Karabach-Konflikt
als auch bei der Destabilisierung der Regime in Armenien und Aserbaidschan
immer im Spiel. Durch die Schürung von Konflikten erreichte
Moskau eine ständige militärische Präsenz im Transkaukasus
sowie die - aus der Not geborene - GUS-Mitgliedschaft der Kaukasus-Republiken
(Armenien, Aserbaidschan, Georgien), womit die russische Hegemonie
gesichert werden soll. In der vorliegenden Studie sollen sowohl
die Politik Rußlands im Karabach-Konflikt und im Krieg zwischen
Armenien und Aserbaidschan als auch westliche Fehlleistungen dargestellt
werden. Zum besseren Verständnis wird ein kurzer Überblick
über die Entwicklung in Aserbaidschan und Armenien vorangestellt.
I. Die Entwicklung in Armenien Die Armenier sind ein indogermanisches Volk, das (im 6. Jahrh. vor Chr.) in die Region einwanderte und sich mit der Urbevölkerung (Churriter) vermischte. Sie gehören zu den ältesten Völkern des Kaukasus-Gebiets und verfügen über ein reiches nationales Kulturerbe (Baukunst und Literatur) sowie eine eigene Schrift (mit 38 Buchstaben), die auf byzantinische Wurzeln zurückgeht. Die Armenier sind Anhänger des monophysitischen Christentums. Ihre um 300 nach Chr. gegründete Gregorianische Kirche wurde Staatskirche (Oberhaupt Katholikos). Das historische Armenien gehört heute politisch größtenteils zur Türkei.
Die Ursprünge des armenischen Staates gehen auf den Sklavenhalterstaat
Urartu (9. Jahrh. vor Chr.) zurück. Als selbständiger
Staat wurde Armenien erstmals um 500 vor Chr. im Großreich
der Achämeniden und im Zusammenhang mit der Eroberung durch
die Perser erwähnt. Nach dem Zerfall des Seleukidenreiches
entstanden zwei unabhängige Teilstaaten Armeniens, das östliche
Großarmenien und das westliche Kleinarmenien, die sich zu
einer Großmacht der Antike entwickelten.
Im 3. Jahrh. nach Chr. geriet Großarmenien unter
die Herrschaft der persischen Sassaniden, um später von Rom
und Persien in Einflußzonen aufgeteilt zu werden. Im 7.
Jahrh. fielen die Byzantiner und Araber in das Land ein. Erst
im 9. Jahrh. gelang es Aschot I., erneut ein selbständiges
armenisches Königreich der Bagratiden zu schaffen, das im
11. Jahrh. von den Seldschuken und im 13. Jahrh. von den Mongolen
verwüstet wurde. Im 15. und 16. Jahrh. teilten die Perser
und Türken, im 19. Jahrh. die Russen (Jerewan) und Türken
(Kars, Ardahan, Batum) Großarmenien untereinander auf.
Kleinarmenien blieb zunächst ein römischer Vasallenstaat.
Erst 1080-1375 entstand hier unter dem Bagratiden Ruben der blühende
Feudalstaat Kilikien, der nacheinander von den Ägyptern,
den Turkmenen, den Persern und schließlich von den Türken
erobert wurde. Die Türken brachen den Widerstand der Armenier
durch blutige Pogrome 1895/96 und Völkermord 1914/15, dem
rund 1,5 Mill. Armenier zum Opfer fielen. Der Friedensvertrag
von Sèvres 1920 sah zwar ein unabhängiges Großarmenien
vor, der größte Teil Armeniens blieb jedoch bis heute
unter türkischer Herrschaft, zumal Moskau im sowjetisch-türkischen
Vertrag vom 16. März 1921 Kars, Ardahan und Artwin endgültig
der Türkei überließ. Auf dem vom russischen Zarenreich beherrschten Gebiet des östlichen Armenien entstand nach 1917 ein unabhängiger armenischer Staat unter Führung der sozialrevolutionären und nationalistischen Parteien der Daschnaken und Mussawatisten sowie der Menschewiken. 1920 wurde Armenien von der Roten Armee besetzt, und am 29. November 1920 wurde die Armenische SSR ausgerufen. 1921 mußte Sowjetarmenien weitere Gebiete an Aserbaidschan (Karabach und Nachitschewan) und Georgien (Batum, Lori und Achkalak) abtreten. Nach einem mißglückten Aufstand der Daschnaken 1921 wurde Armenien 1922 mit Georgien und Aserbaidschan zur Transkaukasischen SFSR zwangsvereinigt. Am 30. Dezember 1922 traten die drei Gebiete gemeinsam der UdSSR bei. 1936 wurde Armenien eine Unionsrepublik der UdSSR.
1989 hatte Armenien rund 3,3 Mill. Einwohner, darunter Armenier
(93,3%), Aseri (2,6%), Kurden (1,7%), Russen (1,6%) sowie Georgier,
Griechen, Juden, Ukrainer, Deutsche, Jesidi u.a. (0,8%). 1989
lebten insgesamt 1,3 Mill. Armenier auf dem Gebiet der UdSSR außerhalb
Armeniens, die meisten von ihnen in Aserbaidschan und Georgien.
Weitere 4 Mill. Armenier leben in der Diaspora (vor allem im Nahen
Osten, den USA, Australien und Westeuropa).
Das tragische Schicksal des armenischen Volkes - zwischen Moskau
und Ankara zerrissen, die Mehrheit in der Diaspora lebend, während
sich ihre Kirche gegenüber Rom und Byzanz behauptete - führte
dazu, daß die armenische nationale Frage trotz Russifizierung
und Sowjetisierung auch unter der kommunistischen Herrschaft virulent
blieb. Die Besonderheit der kommunistischen Nomenklatura Armeniens
lag darin, daß viele ihrer Mitglieder - als Nationalkommunisten
der ersten Stunde im Sowjetblock - sich sowohl mit den in der
Stalinzeit liquidierten armenischen Revolutionären als auch
mit den Daschnaken identifizieren konnten. Die letzteren hatten
im Rahmen der 1890 gegründeten Armenischen Revolutionären
Föderation (Hay Hepapochakan Daschnaksutjun) in Rußland
und der Türkei für kulturelle Autonomie und Demokratisierung
gekämpft. Im Mai 1918 hatten sie die Unabhängige Armenische
Republik ausgerufen und bis 1920-22 einen Zweifrontenkampf gegen
Moskau und die Türken geführt. In der Diaspora blieben
sie weiter aktiv.
Moskau benutzte seinerseits die Armenien-Frage je nach Interessenlage
zur Gestaltung der sowjetisch-türkischen Beziehungen.
1921 verzichtete es aus pragmatischen Gründen zugunsten der
Türkei auf armenische Gebiete. 1945-46 verlangte die UdSSR
(Noten von Molotow und Wyschinskij) die Rückgabe dieser Gebiete
(an Georgien), wodurch die Türkei 1951 in die NATO getrieben
wurde. Auch in der Breschnew-Ära ließ Moskau aus außenpolitischen
Erwägungen armenische Demonstrationen (seit 1965) zu, um
die Armenien-Frage gegenüber der Türkei jederzeit aktivieren
zu können. Unbewiesen blieb allerdings, ob hinter den seit
1975 verübten Anschlägen der armenischen Geheimorganisation
"Asala" gegen türkische Beamte das sowjetische
KGB stand.
Das Dilemma der Armenier besteht bis heute darin, einerseits ihre
nationale Identität, Sprache und Kultur bewahrt zu haben,
andererseits jedoch gegenüber den türkischen, turkstämmigen
und islamischen Nachbarn auf die Schutzmacht Rußland angewiesen
zu sein. Die vom KGB zerschlagene Dissidenten-Bewegungen
(die illegale "Nationale Unabhängige Partei" der
60er, die "Helsinki-Gruppe" und die "Vereinigung
für nationale Selbstbestimmung" der 70er Jahre) forderten
die Wiederherstellung eines armenischen Nationalstaates sowie
die Wiedervereinigung mit Nachitschewan und Berg-Karabach.
2. Innenpolitische Kräfteverhältnisse
"Perestrojka" und "Glasnost" haben die Probleme
aufgedeckt, die sich aus den Emotionen der Nationen und Nationalitäten
im Vielvölkerstaat UdSSR ergaben. Bereits seit 1987/88 hatte
sich die Sowjetführung mit dem Wiedererwachen des armenischen
Nationalismus auseinanderzusetzen. In der Gorbatschow-Ära
(1985-1991) entstanden auch in Armenien zahlreiche unabhängige
politische Parteien, Organisationen und Bewegungen, darunter
der Armenische Jugendbund, der Armenische Studentenbund, der Freie
Gewerkschaftsbund (gegründet im Juni 1990), der Armenische
Frauenbund (gegründet Juni 1989), die Organisation "Chronik
für die Armenische Historische Aufklärung" (gegründet
Juli 1989), die Gesellschaft "Maschtost" für die
Rettung der armenischen Sprache, die Organisation der Umweltschützer
(gegründet im Mai 1989), die Organisation "Wachtturm"
für den Schutz historischer Gebäude (gegründet
Februar 1989), die Gruppe "Nareg" zur Förderung
der Beziehungen zu den Auslandsarmeniern, die Vereinigung "Barmherzigkeit",
die Vereinigung für die "Verteidigung der Armenischen
Sache" (gegründet 1988), der Bund für die verfassungsmäßigen
Rechte, die im August 1990 neugegründete Armenische Revolutionäre
Föderation, die Sozialdemokratische Partei "Hnchakian"
(gegründet 1887; Neugründung Oktober 1990), die Liberal-Demokratische
Partei (gegründet 1921; Neugründung Juni 1991), die
aus der Dissidenten-Bewegung der 60er Jahre hervorgegangene Republikanische
Partei (gegründet 1990) und die Armenische National-Demokratische
Allianz (gegründet im Juli 1991). Zur größten
oppositionellen Organisation entwickelte sich die aus der Armenischen
Volksfront hervorgegangene Armenische Nationale Bewegung
(Hayots Hamasgain Scharshum), die am 4. November 1989 gegründet
wurde. Auf diese rund 40 Gruppen umfassende Bewegung unter Vorsitz
von Lewon Ter-Petrosjan stützte sich das im Mai 1988 gegründete
elfköpfige Karabach-Komitee.
Die Demonstrationen, die im Herbst 1987 in Jerewan als Protestkundgebungen
gegen die geplante Eröffnung eines Chemie-Werkes begannen,
entfalteten sich unter dem Einfluß der Pogrome gegen Armenier
im Februar 1988 in Aserbaidschan und der negativen Reaktion Moskaus
in der Karabach-Frage zu einer Massenbewegung. Nach den scharfen
Angriffen Gorbatschows gegen die armenische Parteiführung
auf dem Juni-Plenum des ZK der KPdSU 1987 kam es zur Verflechtung
der Interessen der armenischen Nationalbewegung und der kommunistischen
Partei- und Verwaltungsbürokratie. Da die armenische nationale
Nomenklatura um ihre Macht und Privilegien bangte, war sie
selbst an einer Aktivierung der nationalen Frage interessiert.
Zwar wurde der Erste Sekretär der Armenischen KP, Demirtschjan,
im Mai 1988 durch Suren Arutjunjan abgelöst, doch beteiligten
sich die armenischen Kommunisten weiter an nationalistischen Demonstrationen
und Kundgebungen. Die Mitglieder des Karabach-Komitees wurden
im Dezember 1988 und im Januar 1989 verhaftet, aber im Juni 1989
wieder freigelassen. Zwei von ihnen wurden in den Obersten Sowjet
Armeniens aufgenommen. Voraus ging ein Beschluß des Parlaments,
den 28. Mai als Tag der Wiederherstellung des armenischen Staatswesens
zu feiern und die Armenische Nationale Bewegung formell anzuerkennen.
Die armenischen Parlamentswahlen im Mai 1990 wurden mit
überwältigender Mehrheit von der demokratischen Opposition
gewonnen. Neuer Vorsitzender des Obersten Sowjets Armeniens wurde
der Führer der Armenischen Nationalen Bewegung, Lewon Ter-Petrosjan,
neuer Ministerpräsident Wasgen Manukjan (Führungsmitglied
der Armenischen Nationalen Bewegung und Koordinator des Karabach-Komitees).
Am 23. August 1990 verabschiedete das neue Parlament die Deklaration
über die Unabhängigkeit Armeniens. Parallel dazu
entstanden in Armenien drei inoffizielle paramilitärische
Gruppen zur Verteidigung der armenischen Unabhängigkeit,
darunter die radikale Armenische Nationale Armee (ANA), die sich
aus den Beständen der in Armenien stationierten sowjetischen
Truppen mit Waffen versorgte.
Auf den Wahlsieg der demokratischen nationalen Opposition reagierte
Moskau mit Druck und Repression. In der Karabach-Frage unterstützte
es einseitig den Standpunkt Aserbaidschans, wo zu diesem Zeitpunkt
noch die Kommunisten unter der Führung von Parteichef Mutalibow
an der Macht waren. Bereits im Mai 1990 forderten die Zusammenstöße
zwischen armenischen Nationalisten und Truppen des sowjetischen
Innenministeriums (OMON) zahlreiche Todesopfer. Der neue Parteichef
Armeniens, Wladimir Mowsisjan (Mitglied des Politbüros der
KPdSU), erklärte aus diesem Anlaß den 29. Mai zum "Nationalen
Trauertag". Mit Dekret vom 25. Juli 1990 stellte Präsident
Gorbatschow Armenien das Ultimatum, die paramilitärischen
Gruppen bis zum 10. August zu entwaffnen und aufzulösen.
Unter Berufung auf das natürliche Recht des armenischen Volkes
zur Selbstverteidigung wies das armenische Parlament den Erlaß
Gorbatschows zurück. Angesichts der prekären geographischen
und politischen Situation Armeniens entschied sich Ter-Petrosjan
mit diplomatischem Geschick für eine interne armenische Lösung:
Die Milizen der Armenischen Nationalen Bewegung (AOD) wurden offiziell
der Regierung und dem Parlament unterstellt, während sich
die radikale Armenische Nationale Armee (ANA) Ende August 1990
selbst auflöste. Der vom armenischen Parlament am 29. August
verhängte Ausnahmezustand wurde erst am 15. August
1991 aufgehoben.
Armenien befand sich 1990/91 - ähnlich wie Tschetschenien
1994/95 - in völliger Isolation. Das Land litt unter
der totalen Wirtschaftsblockade Moskaus, Aserbaidschans und Georgiens.
Der Westen machte sich die Position der kommunistischen Führung
unter Gorbatschow zu eigen, die die territoriale Integrität
der UdSSR verteidigte. Man weigerte sich im Westen, Armeniens
Unabhängigkeit anzuerkennen und Kontakte zur antikommunistischen
Regierung Armeniens aufzunehmen. Unter diesen Umständen verzichtete
die armenische Führung um Ter-Petrosjan auf den "baltischen
Weg" der Unabhängigkeit. Sie wollte zunächst die
wirtschaftlichen Bedingungen für die Selbständigkeit
schaffen. Dessenungeachtet war Armenien nicht bereit, am Unionsreferendum
vom 17. März 1991 teilzunehmen und den neuen Föderationsvertrag
Gorbatschows zu unterzeichnen. Vielmehr bezeichnete das armenische
Parlament die Ergebnisse des Unionsreferendums als rechtsunwirksam
für die Republik Armenien und beschloß, ein Republikreferendum
zur Frage des Austritts aus der UdSSR durchzuführen.
An dem Referendum, das am 21. September 1991 stattfand,
beteiligten sich 95% der Stimmberechtigten (rund 2 Mill.). 94,39%
stimmten für "eine unabhängige und demokratische
Republik Armenien außerhalb der UdSSR". Daraufhin erklärte
das armenische Parlament am 23. September einstimmig die formelle
Unabhängigkeit Armeniens.
Noch im Sommer 1991 beschloß das armenische Parlament, das
Präsidialsystem einzuführen und setzte einen Termin
für Präsidentschaftswahlen am 16. Oktober 1991
fest. An den Wahlen nahmen fünf der ursprünglich neun
registrierten Kandidaten teil: Lewon Ter-Petrosjan (Armenische
Nationale Bewegung), Paruir Airikjan (Vereinigung für Nationale
Selbstbestimmung), Rafael Kasarjan (Karabach-Komitee), Aschot
Nawasardjan (Republikanische Partei) und Sos Sarkisjan (Armenische
Nationale Union). Ter-Petrosjan gewann die Wahlen mit 83,3% der
abgegebenen Stimmen vor Paruir Airikjan (7,21%). Die Wahlbeteiligung
lag bei 70,42%. Im Dezember 1991 wurde eine Allparteien-Regierung
gebildet, der u.a. auch der frühere KP-Chef Wladimir Mowsisjan
angehörte.
Das im März 1991 verabschiedete Gesetz über gesellschaftspolitische
Organisationen war Grundlage für die Entstehung eines Mehrparteiensystems
in Armenien. Im Mittelpunkt der innenpolitischen Auseinandersetzung
standen der Karabach-Konflikt und der Unabhängigkeitskurs.
Die Armenische Nationale Bewegung unter Ter-Petrosjan,
die in allen strittigen Fragen eine gemäßigte und ausgleichende
Position vertrat, erlitt das gleiche Schicksal wie die nationalen
und antikommunistischen Bewegungen in Litauen (Sajudis) und Polen
(Solidarnosc). Sie brachen auseinander. Ein radikaler Flügel
unter Führung von Ministerpräsident Wasgen Manukjan
konstituierte sich im Juli 1991 zur Armenischen National-Demokratischen
Allianz. Die Vereinigung für Nationale Selbstbestimmung
des ehemaligen Dissidenten Paruir Airikjan (1988 aus der UdSSR
ausgewiesen) forderte sofortige Unabhängigkeit, den bedingungslosen
Austritt aus der UdSSR sowie die Schaffung einer armenischen Nationalgarde.
Die Armenische Revolutionäre Föderation (Daschnaken),
die mit zehn Abgeordneten im Parlament vertreten war, setzte auf
eine stufenweise Unabhängigkeit. Sie verbündete sich
mit der Republikanischen Partei und der Liberal-Demokratischen
Partei zu einer radikal-nationalistischen Regierungsopposition,
der Nationalen Union. Die Nationale Union forderte die
Umwandlung der Präsidialherrschaft in ein parlamentarisches
Regierungssystem. Das Vermögen der KP Armeniens wurde bereits
im April 1991 verstaatlicht, die Partei nach dem Moskauer Putschversuch
vom August 1991 aufgelöst. Der reformistische Flügel
gründete im September 1991 die Demokratische Partei Armeniens
unter Vorsitz von Aram Sarkisjan (mit sozialdemokratischem Programm).
Die neu formierte und nationalkommunistisch ausgerichtete KP
Armeniens blieb ohne Einfluß. Nur die Hälfte der
210 Abgeordneten im Parlament war in Parteien, Fraktionen und
Gruppen organisiert. Die Regierungspartei Armenische Nationale
Bewegung verfügte über 52 Abgeordnete.
Unter dem Eindruck der militärischen Erfolge Aserbaidschans
in Karabach sowie der sich ständig verschlechternden Wirtschaftslage
in Armenien kam es im Sommer 1992 zur ersten großen politischen
Auseinandersetzung zwischen Präsident Ter-Petrosjan und
der radikal-nationalistischen Opposition. Die Armenische Revolutionäre
Föderation (Daschnaken) wurde zur populärsten Partei
im Lande, während das Ansehen der regierenden Armenischen
Nationalen Bewegung sank. Die Daschnaken forderten die Ausweitung
der armenischen Hilfe für Karabach. Nachdem sich dem Oppositionsbündnis
der "Nationalen Union" sieben Fraktionen und Gruppen
angeschlossen hatten, stimmte das Parlament mehrheitlich für
die Anerkennung der Unabhängigkeit von Karabach. Präsident
Ter-Petrosjan warf den Daschnaken "Abenteurertum" und
"Einmischung in ausländische Angelegenheiten" vor.
Er verweigerte Hrair Maruchjan, dem Vorsitzenden des "Weltbüros
der Daschnaken" (mit Sitz in Athen), der am 25. Kongreß
der Daschnaken in Jerewan teilnehmen wollte, die Einreise und
beschuldigte ihn der Kollaboration mit dem KGB, um Armenien zu
destabilisieren.
Die innenpolitischen Auseinandersetzungen der Jahre 1993-94 standen
im Zeichen der Verfassungsdebatte. Der von der Regierung
im Juli 1993 vorgelegte Verfassungsentwurf sah ein Präsidialsystem
vor. Sechs Oppositionsparteien (Armenische Revolutionäre
Föderation, Republikanische Partei, Liberal-Demokratische
Partei, Demokratische Partei, Demokratische Agrarpartei, Bund
für die verfassungsmäßigen Rechte) legten im Januar
1994 einen alternativen Verfassungsentwurf vor, der ein parlamentarisches
System favorisierte. Die Oppositionsparteien forderten die Einberufung
einer Verfassunggebenden Versammlung zur Verabschiedung ihres
Verfassungsentwurfs. Die Armenische Kommunistische Partei bestand
darauf, die neue Verfassung durch das bestehende Parlament zu
verabschieden. Präsident Ter-Petrosjan schlug ein Referendum
über den Regierungsentwurf vor. Im Falle der Annahme des
Verfassungsentwurfs der Regierung sollten Präsidentschafts-
und Parlamentswahlen stattfinden und das Präsidialsystem
weiterbestehen. Im Falle der Ablehnung sollte eine weitere Volksbefragung
über den Verfassungsentwurf der Opposition durchgeführt
werden. Falls die oppositionelle Verfassung angenommen würde,
wollte Präsident Ter-Petrosjan zurücktreten. Bei der
Abstimmung im armenischen Parlament im April 1994 fand keine der
beiden Varianten die erforderliche Zweidrittelmehrheit.
Um aus dieser Pattsituation herauszukommen, kündigte Präsident
Ter-Petrosjan Parlamentswahlen für Mai 1995 an. Im Dezember
1994 versuchte er, darüber mit einigen Oppositionsparteien
Einvernehmen zu erzielen, darunter mit der Republikanischen Partei,
der Liberal-Demokratischen Partei, der Demokratisch-Liberalen
Partei (eine Abspaltung von den Liberal-Demokraten), der Sozialdemokratischen
Partei (Hntschak) sowie der neugegründeten Partei der Intellektuellen
und der Christ-Demokratischen Union. Gleichzeitig ließ der
Präsident mit Dekret vom 28. Dezember 1994 die Aktivitäten
der Armenischen Revolutionären Föderation vorübergehend
verbieten. Den Daschnaken wurde Kollaboration mit einer geheimen
Terrororganisation (Anschläge gegen die in Armenien stationierten
russischen Truppen, politische Morde, Drogenhandel) vorgeworfen.
Es grenzt an ein Wunder, daß die Volkswirtschaft Armeniens
nicht vollständig zusammengebrochen ist. Armenien, das keine
nennenswerten Rohstoffe besitzt, zählte zu den ärmsten
Unionsrepubliken der ehemaligen Sowjetunion. Hinzu kamen eine
sehr ungünstige geopolitische Lage, ein schweres Erdbeben
(1988), der Krieg mit Aserbaidschan um Berg-Karabach, die Handels-
und Wirtschaftsblockade und die vergebliche Hoffnung auf westliche
Unterstützung. Die nichtkommunistische Regierung Armeniens
geriet 1990-1994 von allen Seiten in eine politische und wirtschaftliche
Isolation.
Von den Folgen der verheerenden Erdbebenkatastrophe im
Dezember 1988, die mehr als 25.000 Menschenleben forderte, mehrere
Städte und Siedlungen zerstörte sowie über 150
Fabriken, zahlreiche Schulen und das einzige Atomkraftwerk des
Landes beschädigte, konnte sich Armenien bis heute nicht
erholen. Nur ein geringer Teil des Wiederaufbauprogramms konnte
verwirklicht werden. Von den zugesagten 10 Mrd. Rubel stellte
Moskau nur 3 Mrd. Rubel zur Verfügung. Der Großteil
der westlichen Hilfsgüter und Spenden floß ab 1991/92
nicht mehr nach Armenien, sondern nach Moskau und St. Petersburg.
Die notwendigen Reformen beim Übergang von der Plan- zur
Marktwirtschaft wurden dadurch erschwert, daß sich Armenien
praktisch im Kriegszustand befand. Die Zahl der armenischen
Flüchtlinge beläuft sich auf 360.000. Sie flohen
nach den Pogromen von 1988 aus Aserbaidschan und Nachitschewan
oder wurden aus Berg-Karabach zwangsweise nach Armenien deportiert.
Aus den Flüchtlingen rekrutierten sich später die armenischen
Karabach-Kämpfer.
Die Handels- und Wirtschaftsblockade durch Aserbaidschan
und die Türkei hat die Energie- und Nahrungsmittelversorgung
der stark importabhängigen armenischen Wirtschaft seit 1989
praktisch lahmgelegt. Bis 1989 waren 87% der Frachtgüter
für Armenien durch die Eisenbahngesellschaft Aserbaidschans
befördert worden. Nach der Einstellung des Eisenbahnverkehrs
durch Aserbaidschan mußten zahlreiche armenische Betriebe
schließen. Im Frühjahr 1993 stoppte die türkische
Regierung den Transport europäischer Hilfssendungen durch
die Türkei. Zwar gibt es auch eine Straßenverbindung
zwischen Armenien und Iran über eine Brücke am Arax-Fluß,
doch ist sie für Gütertransporte kaum geeignet. Ähnliches
gilt für die Bahnlinie, die Armenien mit Georgien verbindet.
Noch problematischer wurde für die armenische Wirtschaft
die Energiekrise, nachdem Aserbaidschan am 5. November
1991 die Erdöl- und Erdgasleitungen nach Armenien gekappt
hatte. Armenien hatte 82% der Brennstoffimporte für seine
Wärmekraftwerke aus Aserbaidschan und 16% aus der Russischen
Föderation bezogen. Die letzte Erdgasleitung, die von Georgien
nach Armenien führt und Gas aus Turkmenistan liefert, wurde
im Januar und Februar 1993 sowie erneut im Dezember 1994 gesprengt.
Weitere Ereignisse komplizierten die Erdgasversorgung Armeniens:
Ab Oktober 1994 erhielt Armenien nur 3 statt 5 Mill. cbm turkmenisches
Erdgas, nachdem Georgien die Leitung für seinen Eigenbedarf
angezapft hatte, da Rußland die Erdgaslieferungen an Georgien
wegen nichtbezahlter Schulden (12 Mrd. Rubel) eingestellt hatte.
Dann stellte Turkmenistan im November 1994 die Erdgaslieferungen
an Armenien ein, weil Usbekistan zu hohe Transitgebühren
forderte. Schließlich sagte Rußland Armenien bis zur
Wiederaufnahme der turkmenischen Lieferungen die Lieferung von
täglich 2 Mill. cbm Erdgas aus Stawropol zu. Eine Einigung
der drei beteiligten Parteien Armenien, Turkmenistan und Georgien
kam im Dezember 1994 zustande. Danach soll Armenien 1995 täglich
1,5 Mill. cbm Erdgas aus Turkmenistan erhalten.
Der Mangel an Energie und Rohmaterialien beschleunigte die Wirtschaftskrise
und führte zur Drosselung der Produktion. Das Nationaleinkommen
ging 1993 im Vergleich zu 1990 um 57%, die Industrieproduktion
um 63,3% und die Agrarproduktion um 12,3% zurück. Der Anteil
der Arbeitslosen (über 100.000) an der Gesamtbevölkerung
betrug im September 1994 fast 7%.
Die wirtschaftliche Not war es nicht allein, die Armenien zwang,
der von Moskau dominierten GUS beizutreten. Ohne GUS-Mitgliedschaft
hätte Armenien auch keinerlei Einfluß mehr auf das
Schicksal der Armenier in Karabach gehabt, nachdem die Wirtschaftsstrukturen
Karabachs inzwischen an Armenien angebunden worden sind. Die GUS-Mitgliedschaft
brachte dem wirtschaftlich völlig von Moskau abhängigen
Armenien zunächst kaum Vorteile. Rußland war
an einem Verbleib Armeniens in der Rubelzone nicht interessiert.
Die riesigen Mengen von in Rußland ungültigen Rubelnoten,
die von überall nach Armenien flossen, zwangen Jerewan, im
November 1993 eine eigene Währung, den Dram, einzuführen
(1 Dram = 200 Rubel). Erst 1994 spielte Armenien in der Transkaukasus-Politik
Moskaus wieder eine gewichtige Rolle. Im Juli 1994 gewährte
Rußland Armenien einen Staatskredit von 110 Mrd.
Rubel (Rückzahlungsfrist: 1996-1999). Davon sind 10 Mrd.
Rubel für den Aufbau der 1988 vom Erdbeben betroffenen Gebiete
im Norden Armeniens sowie 60 Mrd. für die Wiederinbetriebnahme
des Atomkraftwerkes Medzamor, das im März 1989 aus
Sicherheitsgründen abgeschaltet worden war, vorgesehen. Die
schwere Energieversorgungskrise, die entstand, nachdem Aserbaidschan
sämtliche Eisenbahn- und Pipeline-Verbindungen unterbrochen
hatte, zwang Armenien zur Reaktivierung des erdbebengefährdeten
Kraftwerkes.
Trotz der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen
ist Armenien im Transformationsprozeß unter allen
GUS-Staaten am weitesten vorangeschritten. Die Privatisierung
der Landwirtschaft hatte noch im Rahmen der bestehenden UdSSR
im Januar 1991 begonnen. Bis Ende 1994 wurden 97% der 450.000
ha Land privatisiert, 715 der 860 Kolchosen und Sowchosen in 167.000
private und 9.500 genossenschaftliche Betriebe umgewandelt. Die
Privatisierung der Industriebetriebe (aufgrund des Gesetzes vom
August 1992) kommt zwar langsamer voran, doch sollen bis 1997
fast 5.000 Betriebe in Privathand überführt werden.
Das staatliche Außenhandelsmonopol wurde gleichzeitig mit
der Steuerreform vom Januar 1992 abgeschafft. Im April 1993 wurde
ein zweistufiges Bankensystem (Zentralbank und 65 private Geschäftsbanken)
eingeführt (vgl. Neue Zürcher Zeitung, 26. Oktober 1994).
Über die Gründe für den besonderen Entwicklungsweg
Armeniens läßt sich nur mutmaßen: War es die
wirtschaftspolitische Bedeutungslosigkeit Armeniens, die wirtschaftsstrategische
Bedeutung des erdölreichen Aserbaidschans, die politische
Rücksichtnahme auf den NATO-Partner Türkei oder auf
Gorbatschow und später Jelzin in Moskau? Festzuhalten ist,
daß der Westen Armenien, obwohl es als erstes Land
unter den ehemaligen Unionsrepubliken der UdSSR über eine
frei gewählte demokratische und nichtkommunistische Regierung
verfügte und marktwirtschaftliche Reformen einleitete, in
der Zeit von 1991-1994 keine nennenswerte wirtschaftliche und
finanzielle Hilfe beim Transformationsprozeß leistete, während
z.B. die Staaten Zentralasiens, in denen die alte kommunistische
Nomenklatura an der Macht geblieben war, schon längst in
den Genuß westlicher Hilfe kamen. Ohne die "reiche"
Diaspora hätten breite Schichten der armenischen Bevölkerung
in den Jahren 1991-1994 kaum überleben können.
Erst fünf Jahre nach der Unabhängigkeit zeigt der Westen
Bereitschaft, die armenische Wirtschaft zu unterstützen.
Ein neues Wirtschaftsprogramm wurde von der armenischen
Regierung gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds
(IMF) erarbeitet und vom armenischen Parlament am 19. November
1994 verabschiedet. Das Programm, das am 1. Dezember 1994 in Kraft
trat, sieht Preisliberalisierung, Währungsstabilisierung,
die Reduzierung des Haushaltsdefizits, die Streichung von Subventionen
sowie Kreditzusagen internationaler Finanzinstitute in
Höhe von 500 Mill. Dollar vor. Ende Dezember 1994 stellte
der IMF hierfür den ersten Teilkredit von 25 Mill. Dollar
zur Verfügung.
Die Grundprinzipien der armenischen Außenpolitik,
an denen Jerewan bis heute festhält, legte Präsident
Ter-Petrosjan vor der UNO-Vollversammlung im September 1992 dar:
Normalisierung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten, Lösung
von Konflikten auf dem Verhandlungswege, aktive Mitarbeit in der
GUS, der KSZE und im Rat für wirtschaftliche Zusammenarbeit
der Schwarzmeer-Länder sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit
mit den Nahost-Ländern. Armenien stellt keine territorialen
Ansprüche an Aserbaidschan, fordert jedoch das Selbstbestimmungsrecht
für die Bevölkerung von Berg-Karabach.
Die Beziehungen Armeniens zum Nachbarstaat Georgien sind
zwar durch bilaterale Abkommen geregelt, blieben jedoch, nicht
zuletzt wegen der unsicheren innenpolitischen Lage in Georgien,
nicht ungetrübt. In Armenien befinden sich keine georgischen
Minderheiten. Dagegen leben viele Armenier in den georgischen
Gebieten Achalkalak und Achaltsiche sowie in Tiflis. Nicht wenige
wurden im Zuge des wachsenden georgischen Nationalismus zur Annahme
georgischer Namen gezwungen.
Problemlos gestalteten sich bis heute die Beziehungen Armeniens
zum Nachbarstaat Iran, der über die neue Brücke
von Meghri einen direkten Zugang zu Armenien hat. Armenien ist
sowohl an einem größeren Einfluß Irans in Transkaukasien
als auch an Vermittlungsdiensten Teherans im Karabach-Konflikt
interessiert. Iran stärkt seinerseits die Position Armeniens,
das in Teheran als ein Sperriegel gegen den türkischen Drang
nach Zentralasien angesehen wird. Von der Diaspora in Iran (Täbris,
Teheran, Isfahan) erhält Armenien aktive Unterstützung.
Bei einer bestimmten Kräftekonstellation in der Transkaukasus-Region
könnte Armenien Bindeglied einer russisch-iranischen Zusammenarbeit
werden.
Das Verhältnis Armeniens zur Türkei blieb - trotz
gelegentlicher Annäherungsversuche - bis heute gespannt.
Schon während der Transkaukasien-Krise vom Februar 1988 war
in der Türkei eine Wiederbelebung der unrealistischen rassistisch
angelegten pantürkischen Ideologie von 1910 festzustellen,
die die nicht-türkischsprechende Bevölkerung wie Kurden,
Armenier und Tadschiken als nicht existent betrachtet. Auf einem
Kongreß in Kayseri, Türkei, wurde z.B. 1990 behauptet,
daß alle Bewohner von Karabach und 90% der Bevölkerung
Jerewans Türken seien (East-European Newsletter, 10. September
1990). Die unbewältigte Vergangenheit, d.h. das türkische
Schweigen über den Genozid an den Armeniern 1915-18, steht
nach wie vor einer echten Normalisierung der armenisch-türkischen
Beziehungen im Wege. Das unabhängige Armenien mit seinem
neugewählten Parlament stellt keine territorialen Forderungen
(Rückgabe des Kars-Gebiets) gegenüber der Türkei,
wie dies die frühere Sowjetrepublik Armenien auf Geheiß
Moskaus seit Mitte der 60er Jahre gelegentlich getan hatte. Die
Regierung von Präsident Ter-Petrosjan verfolgte 1991 gegenüber
der Türkei, wie auch im Falle Irans, eine pragmatische und
realistische Politik, die ihr seitens der armenischen Opposition
den Vorwurf des Verrats nationaler Interessen einbrachte. Demgegenüber
stellte sich die Türkei im Karabach-Konflikt auf die Seite
Aserbaidschans und begann Anfang 1992 eine umfassende militärische
Zusammenarbeit mit Baku. Dadurch hat sich das Mißtrauen
der Armenier gegenüber der Türkei vertieft. Die anfänglichen
militärischen Erfolge Aserbaidschans in Karabach nährten
die Befürchtungen Armeniens und vor allem Moskaus, daß
es gelingen könnte, eine Landverbindung zwischen Aserbaidschan
und Nachitschewan herzustellen und damit den alten pantürkischen
Plan von der Vereinigung der türkischen Bevölkerung
von Anatolien bis Zentralasien zu verwirklichen. Diese Überlegungen
führten zu einer Anlehnung Armeniens an Rußland und
einer politischen Kursänderung Moskaus in Transkaukasien.
Moskau hat seit 1994 die Rolle einer Schutzmacht Armeniens übernommen,
das keine gemeinsamen Grenzen mit der Russischen Föderation
hat. Die gemeinsamen Sicherheitsinteressen gegenüber dem
historischen Rivalen Türkei eröffnen die Möglichkeit
einer relativ harmonischen Zusammenarbeit zwischen Moskau und
Jerewan - vorausgesetzt, daß eine für Armenien annehmbare
Lösung im Karabach-Konflikt gefunden wird.
Noch zu Zeiten der UdSSR hatte Moskau im Karabach-Konflikt einseitig
Partei für Aserbaidschan ergriffen. Im Dezember 1988 (zur
Zeit der Erdbebenkatastrophe) beschimpfte Gorbatschow die Armenier
mit erhobener Faust. Die Armenier, die an sich bereit waren, Gorbatschows
neuem Unionsvertrag als assoziiertes Mitglied beizutreten, weigerten
sich daraufhin, sich am Moskauer Referendum vom 19. März
1991 zu beteiligen. Im Dezember 1991 trat Armenien der GUS
bei. Die armenische Forderung, auch die "Republik Karabach"
in die GUS aufzunehmen, lehnte Moskau ab. Auch Präsident
Jelzin und der Transkaukasische Militärdistrikt der GUS stellten
sich im Karabach-Konflikt zunächst auf die Seite Aserbaidschans.
In den Jahren 1992-93 wurde die angestrebte Änderung der
Armenien-Politik Moskaus vom russischen Parlament durchkreuzt,
das traditionell die aserbaidschanische Position verteidigte.
Es weigerte sich, den 1992 unterzeichneten Vertrag über kollektive
Sicherheit zwischen Moskau und Jerewan zu ratifizieren. Im Gegenzug
lehnte das armenische Parlament die Ratifizierung des Vertrages
über den Status der russischen Truppen in Armenien ab.
Erst 1994 änderte sich die Politik Moskaus gegenüber
Armenien. Für die Annäherung gab es nicht nur
strategische, sondern auch ökonomische Gründe: Armeniens
Wirtschaft ist weitgehend von russischen Rohstoff- und Nahrungsmittellieferungen
abhängig, während die russische Rüstungsindustrie
auf die Lieferung von Computer-Technologie aus Armenien angewiesen
ist. Das russische Militär wechselte nunmehr die Seiten im
Karabach-Konflikt, was Armenien militärische Vorteile im
Krieg mit Aserbaidschan brachte. Moskau stellte Armenien Kredite
für die erdbebengeschädigten Gebiete und die Instandsetzung
des Atomkraftwerkes zur Verfügung. Am 19. Oktober 1994 unterzeichneten
Rußland und Armenien in Moskau ein Abkommen über die
Errichtung eines russischen Militärstützpunktes
für zwei Staffeln MIG-23-Abfangjäger in der Nähe
der armenischen Stadt Gumri (früher: Leninakan). Vorausgegangen
war bereits eine Vereinbarung über die Entsendung russischer
Grenztruppen zum gemeinsamen Schutz der armenischen Grenzen.
Der Westen, der in anderen Fällen von Menschenrechtsverletzungen
sensibel reagiert, zeigte bei den Pogromen gegen Armenier in Aserbaidschan
keine Reaktion. Man unterstützte das Moskauer Zentrum Gorbatschows
und Jelzins und vertrat, wie heute im Fall Tschetschenien, den
Standpunkt, es handele sich um "innere Angelegenheiten".
Zwischen 1991 und 1994 gab es praktisch keine westliche Armenien-Politik,
die diesen Namen verdient hätte. Die westliche Passivität
garantierte jedoch den Erfolg der russischen Strategie in Armenien.
II. Die Entwicklung in Aserbaidschan
Über die Geschichte der Aseris und die innenpolitische Entwicklung in Aserbaidschan bis zum Sommer 1992 ist in einer früheren FES-Studie bereits ausführlich berichtet worden (vgl. Henrik Bischof, Regimewechsel in Aserbaidschan und der Krieg um Berg-Karabach, September 1992). Nachfolgend werden hier deshalb nur die wichtigsten Ereignisse und Zusammenhänge für diesen Zeitraum zusammengefaßt: In der Sowjetrepublik Aserbaidschan versuchte die durch Vettern- und Clanwirtschaft korrumpierte kommunistische Nomenklatura, mit der Schürung antiarmenischer Ressentiments sowie Maßnahmen gegen die Karabach-Armenier die wachsenden sozialen Probleme (Massenarbeitslosigkeit) zu überdecken. Die manipulierten Massen veranstalteten 1988 in Sumgait und Kirowabad und 1990 in Baku Pogrome gegen die Armenier. Der 1990 von Moskau neu ernannte Parteichef Ajas Mutalibow und sein Clan gaben sich - vor allem im Karabach-Konflikt - besonders nationalistisch, wenn es um die Erhaltung ihrer Macht ging. Nachdem die kommunistische Nomenklatura aus den Parlamentswahlen vom 30. September 1990 gestärkt hervorgegangen war, gewann Mutalibow auch die Präsidentschaftswahlen vom 8. September 1991. Gleichzeitig gelang es dem früheren Statthalter Breschnews in Aserbaidschan, Gajdar Alijew (Parteichef Aserbaidschans von 1969-1982), seine Macht als Gegenspieler von Mutalibow in Nachitschewan auszubauen. Er wurde dort Parlamentspräsident.
1989 formierte sich unter Führung von Ebulfes Eltschibey
eine in sich zerstrittene und gespaltene extrem nationalistische
Opposition, die Volksfront Aserbaidschans, eine heterogene
Sammelbewegung, die sich nur in der Frage des Sturzes der kommunistischen
Nomenklatura einig war. Sie forderte eine militärische Lösung
des Karabach-Konfliktes. Berichte über Massaker an aserbaidschanischen
Flüchtlingen sowie die von der Volksfront organisierten Massendemonstrationen
zwangen Präsident Mutalibow am 6. März 1992 zum Rücktritt.
Eine erneute militärische Niederlage, die Einnahme der Stadt
Schuscha durch die Armenier sowie das mehrheitlich von der Nomenklatura
besetzte aserbaidschanische Parlament, verhalfen Mutalibow am
14. Mai 1992 zu einer zweiten Amtszeit als Präsident für
vier Tage.
Die Anhänger der panislamisch und pantürkisch sowie
antiarmenisch und antirussisch eingestellten Volksfront
stürmten am 15. Mai das Parlament und den Präsidentenpalast
und verjagten Mutalibow. Ein paritätisch von der Nomenklatura
und der Volksfront gebildeter Nationalrat setzte Mutalibow am
17. Mai 1992 als Präsident der Republik ab und bildete bis
zu den Präsidentschaftswahlen eine Koalitionsregierung. Nachdem
die Armenier inzwischen auch die Stadt Latschin erobert hatten,
war es keine Überraschung mehr, daß der Vorsitzende
der Volksfront, Ebulfes Eltschibey, die Präsidentschaftswahlen
am 7. Juni 1992 gewann. Zwar übernahm er am 16. Juni als
erster demokratisch gewählter Präsident Aserbaidschans
die Macht, doch gab es während seiner Amtszeit weder Demokratisierung
noch marktwirtschaftliche Reformen. Mit seiner islamisch-nationalistischen
und pantürkischen Linie erfüllte er die Erwartungen
seiner Anhänger nur in einer Hinsicht: Es gelang ihm, den
Konflikt um Karabach in einen regelrechten Krieg zwischen Aserbaidschan
und Armenien umzuwandeln.
1. Innenpolitische Kräfteverhältnisse
Unter dem Eindruck der militärischen Erfolge der Armenier,
der Besetzung der aserbaidschanischen Bezirke Kelbadschar und
Latschin, verloren Präsident Eltschibey und die Volksfront
ihre Popularität. Zwar gelang es Eltschibey, seinen Widersacher
Mutalibow auszuschalten - er ging ins Exil nach Moskau
-, doch der Führer der im Juli 1991 gegründeten Nationalen
Unabhängigkeitspartei, Etibar Mamedow, und der
Parlamentspräsident von Nachitschewan, Gajdar Alijew,
verbündeten sich gegen ihn. Nach einem gescheiterten Putschversuch
der Volksfront Eltschibeys im Oktober 1992 in Nachitschewan gründete
Alijew im November 1992 seine eigene Partei "Neues Aserbaidschan"
(Eni Azerbaijan).
Präsident Eltschibey setzte weiter auf innenpolitische Konfrontation
mit antidemokratischen Methoden. 1993 schaltete er das Parlament
aus, verhaftete seine politischen Gegner und verbot ihre Parteien.
Neun der 23 offiziell registrierten Parteien schlossen sich im
Februar 1993 zu einem Oppositionsblock, "Neue Front",
gegen die Alleinherrschaft der Volksfront zusammen, darunter die
Partei Neues Aserbaidschan Alijews, die Nachfolgepartei der Kommunisten,
die Partei der Revolutionären Wiedergeburt von Sajad Sajadow,
die Partei des Unabhängigen Aserbaidschan (Mustakil Azerbaijan
Partijazi) unter Führung von Nisami Sulejmanow sowie die
Partei Vereintes Aserbaidschan (Wahid Azerbaijan).
Im Frühjahr 1993 tauchten Gerüchte über
einen Putsch gegen Präsident Eltschibey auf, der offen eine
antirussische und protürkische Politik betrieb. Die letzten
russischen Soldaten, ein Luftlande-Regiment in Gandscha, verließen
im Mai 1993 das Land. Der Kommandeur der aserbaidschanischen Truppen
in Karabach, Suret Chussejnow, schlug sein Hauptquartier
in Gandscha auf. Ein außerordentlicher Kongreß der
regierenden Volksfront entschied sich im Dezember 1992 für
das türkische Entwicklungsmodell. Per Gesetz wurde Türkisch
als Amtssprache in Aserbaidschan eingeführt. Neben dem bereits
existierenden aserbaidschanischen Zweig der türkischen Terrororganisation
"Graue Wölfe" unter Führung von Zohrab
Mamedow (Kelbalak) etablierte sich im März 1993 die protürkische
Boz Gurd-Partei Aserbaidschans (Graue Wölfe) unter
Führung von Schakir Mahesamow und des Innenministers Iskender
Chamidow, die sich der Volksfront anschloß. Nach der Vertreibung der Armenier aus Aserbaidschan, der Unabhängigkeitserklärung der Armenier in Berg-Karabach und der Machtübernahme der extrem nationalistischen Volksfront in Baku begannen weitere der rund 90 ethnischen Minderheiten Aserbaidschans, sich politisch zu organisieren. Zunächst gründeten die Kurden, die vor allem in den Bezirken zwischen Karabach und Armenien (Latschin, Kelbadschar, Kubatlin, Sangelan, Dschebrail) leben, im Juni 1992 eine "Kurdische Befreiungsbewegung" unter Führung von Wakil Mustafajew. Bereits in den 20er Jahren hatte es in diesem Gebiet ein autonomes "Rotes Kurdistan" gegeben, das 1931 von Stalin aufgelöst worden war. Tausende von Kurden waren damals nach Zentralasien und Kasachstan deportiert worden. Die Aseris verfolgten gegenüber den Kurden die gleiche Politik wie die Türkei. Zu Zeiten der UdSSR waren die Kurden als ethnische Minderheit in den Statistiken gar nicht aufgetaucht. Ihre Zahl dürfte sich in Aserbaidschan schätzungsweise auf 200.000 belaufen. Die rund 60.000 in Armenien lebenden Kurden verfügen dagegen sogar über kurdischsprachige Schulen. Die Auflehnung der Kurden gegen Baku kam dem militärischen Ziel der Armenier, den sog. Latschin-Korridor zwischen Karabach und Armenien einzurichten, entgegen.
Ähnlich wie die Kurden lassen sich die in Aserbaidschan lebenden
Lesginen und Talischen von Drittstaaten zu Zwecken
der Destabilisierung bzw. Einflußnahme aktivieren. Die rund
300.000 Lesginen leben je zur Hälfte im Norden Aserbaidschans
(Region Kusari) und in Dagestan. Ihre Befreiungsbewegung "Sadwal"
kämpft für die Wiedervereinigung im Rahmen einer autonomen
Republik. Die ebenfalls etwa 300.000 Talischen leben im Süden
Aserbaidschans (Region Lenkoran). Eine noch größere
Zahl lebt in Iran. Die Talischen, die eine persische Sprache sprechen,
wehren sich im Rahmen des neu gegründeten "Talisch Kulturzentrums"
und der "Talisch Volkspartei" gegen die fortgesetzte
Turkisierung.
Die Folgen der militärischen Niederlagen, die Aserbaidschan
im Krieg gegen Armenien seit 1992 erlitten hat, waren innenpolitische
Destabilisierung, bürgerkriegsähnliche Zustände
und erneute Machtwechsel. Nachdem Präsident Eltschibey den
Kommandeur des in Karabach eingesetzten 2. Korps der aserbaidschanischen
Armee, Oberst Suret Chussejnow (zu Zeiten der UdSSR Direktor
einer Fleischfabrik, danach Textilfabrikant und Baumwollhändler),
im Februar 1993 abgelöst hatte, begab sich Chussejnow mit
seiner von ihm finanzierten "Privatarmee" im Mai 1993
nach Gandscha, um von dort aus einen bewaffneten Aufstand
gegen die Machthaber in Baku zu beginnen. Das 104. Luftlande-Regiment
der russischen Armee, das im Mai 1993 seinen Stützpunkt in
Gandscha aufgab, stellte ihm seine gesamte Militärtechnik
sowie rund 100 Soldaten (als Söldner) zur Verfügung.
Den Regierungstruppen gelang es nicht, den am 4. Juni 1993 begonnenen
Aufstand in Gandscha niederzuschlagen. Vielmehr schlossen sich
den Aufständischen Garnisonen der Städte Lenkoran, Mingetschaur
und Jewlah an.
Die Opposition, die Nationale Unabhängigkeitspartei
von Etibar Mamedow und die Partei Neues Aserbaidschan von
Gajdar Alijew, nutzte die Gunst der Stunde, um mit Hilfe
des von der alten kommunistischen Nomenklatura gestützten
Oberst Suret Chussejnow einen Machtwechsel zu erzwingen.
Präsident Eltschibey verlor die Kontrolle über die Lage.
Ministerpräsident Panach Chussejnow trat am 7. Juni, Parlamentspräsident
Isa Kambarow am 13. Juni 1993 zurück. Oberst Suret Chussejnow
verlangte auch den Rücktritt von Präsident Eltschibey
und setzte seine 3.000 Mann starke Privatarmee in Richtung Baku
in Marsch. Das Parlament (Milli Medschlis) wählte am 15.
Juni Gajdar Alijew zum neuen Parlamentspräsidenten
und übertrug ihm auch die Exekutivgewalt. Am 17. Juni flüchtete
Präsident Eltschibey in sein Heimatdorf Keleki in
Nachitschewan. Am 25. Juni enthob das Parlament Eltschibey seines
Amtes und übertrug die Machtbefugnisse des Staatschefs Gajdar
Alijew. Am 30. Juni berief das Parlament Suret Chussejnow zum
neuen Ministerpräsidenten, der auch die Posten des
Innen- und Verteidigungsministers übernahm. Die dritte Führungspersönlichkeit
im Oppositionsbündnis gegen Eltschibey, Etibar Mamedow,
der ebenfalls den Posten des Ministerpräsidenten angestrebt
hatte, verzichtete letztlich auf einen Regierungsposten.
Der amtierende Staatschef Gajdar Alijew bemühte sich, seine
Macht zu legalisieren und durch Ausschaltung von Oppositionellen
zu festigen. Eine Reihe von Volksfront-Führern wurde verhaftet,
Parteien, die Eltschibey unterstützten, verfolgt. In der
Provinz Lenkoran übernahm der ehemalige stellvertretende
Verteidigungsminister Oberst Alikram Gumbatow mit seinen
bewaffneten Anhängern die Macht. In sieben Bezirken rief
er eine Talisch-Mugan-Republik aus. Unterstützt wurde
er vom Mutalibow-Clan, dem früheren Verteidigungsminister
Ragim Gasijew und der Sozialdemokratischen Partei von Araz Alizade.
Erst Ende August 1993 gelang es den Anhängern Alijews, Gumbatow
aus Lenkoran zu verjagen.
Am 29. August 1993 ließ Alijew ein von KSZE-Vertretern beobachtetes
Referendum über die Frage durchführen, ob das
Volk Vertrauen zum bisherigen Präsidenten Eltschibey habe.
An der Volksbefragung nahmen 92,9% der 3,7 Mill. stimmberechtigten
Bürger teil. 97% davon stimmten gegen Eltschibey. Damit war
der Weg zu neuen Präsidentschaftswahlen frei, die
am 3. Oktober 1993 stattfanden. Drei Kandidaten standen zur Wahl:
Gajdar Alijew (Partei Neues Aserbaidschan), Kerrar Abilow (Partei
Vereintes Aserbaidschan) und Zakir Tagijew (Gummet-Partei). Alijew
gewann mit 98,8% der abgegebenen Stimmen. Die KSZE-Beobachter
fanden die Wahlen nicht demokratisch, weil nicht alle Parteien
daran teilnahmen. Die Volksfront hatte die Wahlen boykottiert.
Gajdar Alijew übernahm am 10. Oktober 1993 offiziell das
Amt des Präsidenten. Seither betrachten sich drei Politiker,
Alijew, Mutalibow und Eltschibey, als legitime Präsidenten
der Republik Aserbaidschan.
Das Jahr 1994 verlief im Zeichen des innenpolitischen Machtkampfes
zwischen den Anhängern Alijews, Eltschibeys und Mutalibows.
Im März 1994 schlossen sich die nationalistischen und protürkischen
Oppositionsparteien zu einem "Demokratischen Kongreß"
zusammen: Volksfront, Demokratische Partei, Mutterland-Partei
(Ana Toprag), Musawat-Partei, Volksfreiheitspartei (Halg Azadlyg).
Im April 1994 gründeten die National-Demokratische Partei
sowie "Boz Gurd" (Graue Wölfe), "Vereintes
Aserbaidschan" und "Junges Aserbaidschan" eine
"Allianz für Aserbaidschan". Im Mai 1994 bildete
sich ein "Block zentristischer Parteien" (Partei für
gleiche Rechte des Volkes, Sozialdemokratische Partei, Partei
Unabhängiges Aserbaidschan, Ana-Watan-Partei). Die im September
1991 aufgelöste Kommunistische Partei trat erneut unter ihrem
alten Namen auf.
Unter dem Vorwurf, einen Staatsstreich geplant zu haben, schaltete
Alijew die Anhänger Eltschibeys aus. Die Verhaftungswelle
gegen die Volksfront, die Musawat-Partei und die Volksfreiheitspartei
erreichte im März und Mai 1994 Höhepunkte. Die Führungsposten
im Staats- und Verwaltungsapparat, die bislang Volksfront-Funktionäre
innehatten, wurden von der regierenden Partei Neues Aserbaidschan
Alijews besetzt.
Als nächsten Schritt schaltete Präsident Alijew die
Moskau nahestehende Opposition, den Mutalibow-Clan und Ministerpräsident
Suret Chussejnow, mit dem er sich ein Jahr zuvor gegen Eltschibey
verbündet hatte, aus. Eile war geboten, da die Armenier mit
der Einnahme der Städte Fisuli und Dschebrail weitere militärische
Erfolge erringen konnten. Bei dem Machtkampf ging es auch um das
Schicksal von über 500 Mill. t Erdöl. Am 21. September
1994, einen Tag nach der Unterzeichnung des Ölvertrages mit
westlichen Konsortien, entkamen unter ungeklärten Umständen
mehrere Mutalibow-Anhänger aus dem früheren KGB-Gefängnis
von Baku: der frühere Verteidigungsminister Rakim Gasijew,
der Präsident der selbstproklamierten Talisch-Mugan-Republik,
Alikram Gumbatow, und weitere hohe Offiziere. Nach seiner Rückkehr
aus den USA am 30. September 1994 kündigte Präsident
Alijew in einer dramatischen Fernsehrede einen Putschversuch
gegen seine Regierung an, der einige Stunden später tatsächlich
nach dem von ihm geschilderten Drehbuch stattfand. Am 29. September
waren zwei Alijew-Anhänger, der stellvertretende Parlamentsvorsitzende
und der Chef der Spionageabwehr, ermordet und als Täter drei
Angehörige der Spezialtruppen des Innenministeriums, OMON,
verhaftet worden. Um sie zu befreien, erstürmten am 30. September
OMON-Einheiten des stellvertretenden Innenministers Rowschan Dschawadow
das Büro der Staatsanwaltschaft und nahmen den Generalstaatsanwalt
Ali Omarow als Geisel. Am 3. Oktober verhängte Präsident
Alijew in Baku den Ausnahmezustand. Am 4. Oktober schlugen Regierungstruppen
eine Rebellion in Gandscha nieder. Am 6. Oktober wurde Ministerpräsident
Suret Chussejnow abgesetzt, jedoch nicht verhaftet. Zum
neuen Ministerpräsidenten wurde Fuad Gulijew ernannt. Alijew
machte den Mutalibow-Clan für den Umsturzversuch verantwortlich.
Die Anhänger Mutalibows (Chussejnow, Gasijew, Gumbatow) gaben
sich nicht geschlagen. Anfang 1995 gründeten sie eine "Union
der Bürgersolidarität". Die Anhänger Präsident
Alijews kündigten die Gründung einer "Allianz
zur Unterstützung Aserbaidschans" an. Im Juni 1995
sollen in Aserbaidschan Parlamentswahlen stattfinden. Zur Zeit
sind wichtige Schaltstellen der Macht fest in den Händen
der Familie Alijew: Rasul Gulijew (Parlamentspräsident),
Fuad Gulijew (Ministerpräsident), Hassan Chassanow (Außenminister),
R. Risajew (Botschafter in Moskau). Alijews Leibgardist und Schwiegersohn
Mahmud Mamedgulijew wurde Botschafter in London und Alijews Sohn
Vizepräsident der aserbaidschanischen Ölgesellschaft.
2. Der "Jahrhundert"-Ölvertrag
Mit Hilfe des sog. "Jahrhundert"-Ölvertrages mit
westlichen Konsortien versuchten Präsident Alijew und sein
Clan, ihre politische Macht zu festigen und das Land aus der katastrophalen
Wirtschaftslage herauszumanövrieren.
Der Krieg um Karabach, der bereits 1992 täglich 30 Mill.
Rubel verschlungen hatte, sowie der Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen
zu den GUS-Staaten unter der Präsidentschaft Eltschibeys
haben die aserbaidschanische Wirtschaft ruiniert. Entgegen den
Erwartungen wurde die Hinwendung Aserbaidschans zur Türkei
nicht durch ein nennenswertes Einströmen islamischen Kapitals
honoriert. Im Krieg mit Armenien verlor Aserbaidschan rund
25% seines Territoriums, darunter 40% seiner Weizenanbaugebiete,
32% seiner Baumwollplantagen und 72% seines Weinanbaus. Gleichzeitig
strömten rund 1,5 Mill. Aseris als Flüchtlinge in das
Land. 70% der Industriebetriebe standen 1994 still. Die Erdölproduktion
sank von 12 auf 8 Mill. t pro Jahr. Viele Erdölfachleute
(Russen, Ukrainer, Armenier) haben das Land verlassen. Die im
Juli 1993 eingeführte aserbaidschanische Währung,
der Manat, konnte die galoppierende Inflation nicht aufhalten.
Für 1994 wurde ein Staatshaushalt mit 23,6%igem Defizit verabschiedet.
70% der Staatsausgaben entfallen auf das Militär. Eine Privatisierung
ist nicht in Sicht. Zwar trat Aserbaidschan im Dezember 1991 unter
der Präsidentschaft Mutalibows der GUS bei, doch hat
das Parlament in Baku das Abkommen zunächst nicht ratifiziert.
Bis September 1993 nahm Aserbaidschan an den GUS-Tagungen nur
als Beobachter und erst danach als Vollmitglied teil. Im September 1994 stellte Turkmenistan zeitweilig die Erdgaslieferungen (3 Mill. cbm täglich) an Aserbaidschan ein. Zu diesem Zeitpunkt waren für den Erdgasimport aus Turkmenistan aserbaidschanische Schulden in Höhe von 100 Mill. Dollar aufgelaufen. Am Vorabend der Unterzeichnung des Ölvertrages mit dem Westen stoppte Moskau die Durchfahrt von Eisenbahnwaggons mit Waren für Aserbaidschan an der russisch-ukrainischen Grenze. Zwar hatte Moskau Aserbaidschan die Lieferung von 300.000 t Getreide zugesagt, aber auf die Getreidewaggons wurden noch im Sommer 1994 "Grüße von Mutalibow" gepinselt. Beim Kriegsausbruch in Tschetschenien sperrte Moskau den Eisenbahnverkehr auch an der russisch-aserbaidschanischen Grenze. Vor diesem Hintergrund sah Baku den einzigen Weg zur Konsolidierung seiner Wirtschaft im Erdölgeschäft. Bereits im Mai 1991 gewann der US-Konzern Amoco eine internationale Ausschreibung zur Erschließung des Erdölfeldes Aseri im Kaspischen Meer. Im Juli 1993 unterzeichnete Baku mit einem westlichen Konsortium einen Vertrag zur Erschließung der Erdölfelder Cirag und Aseri, der am 24. November 1993 durch einen neuen Vertrag ersetzt wurde. Gleichzeitig bot die russische Erdölgesellschaft Lukoil an, gemeinsam mit Baku das Ölfeld Gunesli auszubeuten. Ungeklärt blieb jedoch bei all diesen Projekten die Transportfrage. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erschien es sinnvoll, das aserbaidschanische Öl über Rußland zum georgischen Hafen Batumi oder zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk zu transportieren. Hierzu wäre lediglich die Verlegung einer Pipeline von Baku nach Dagestan als Anschluß an bereits bestehende Leitungen notwendig. Bei dieser Variante bleibt Aserbaidschan jedoch von Moskau abhängig. Und im übrigen sperrte sich die Türkei gegen den Öltanker-Verkehr im Bosporus. Die andere Alternative, der Bau einer Ölpipeline über Iran und die Türkei, würde für Aserbaidschan nicht nur ebensoviele Unsicherheiten, sondern auch sehr hohe Investitionen bedeuten.
Zur endgültigen Unterzeichnung des "Jahrhundert"-Ölvertrages
zwischen Aserbaidschan und einem internationalen Konsortium kam
es am 20. September 1994. Der für 30 Jahre geschlossene Vertrag
im Wert von 7,5 Mrd. Dollar wurde vom aserbaidschanischen Parlament
am 2. Dezember 1994 ratifiziert. Er sieht die Erschließung
der Ölfelder Aseri, Cirag und Gunesli sowie die Förderung
von jährlich 511 Mill. t Erdöl vor. 258 Mill. t davon
stehen Aserbaidschan zur Verfügung. An dem Geschäft
sind folgende Ölgesellschaften beteiligt: SOCAR (Aserbaidschan),
Amoco (USA), Unocal (USA), Pennzoil, (USA), McDermott International
(USA), Ramco (USA), BP (Großbritannien), Statoil (Norwegen),
TPAO (Türkei), Delta (Saudi-Arabien) und Lukoil (Rußland).
Die Weltbank stellt der aserbaidschanischen Erdöl- und Erdgasindustrie
einen Kredit von 20,8 Mill. Dollar zur Verfügung.
Zu ersten politischen Unstimmigkeiten kam es im November 1994,
als Iran die Absicht bekundete, sich durch Übernahme
von 5% des aserbaidschanischen Anteils an dem internationalen
Konsortium zu beteiligen. Damit hätte sich der Anteil der
staatlichen aserbaidschanischen Ölgesellschaft (SOCAR) von
20 auf 15% reduziert. Die fünf amerikanischen Ölgesellschaften
lehnten jedoch eine iranische Beteiligung ab. Daraufhin vereinbarten
Iran und Aserbaidschan eine Zusammenarbeit auf bilateraler Ebene
bei der Erschließung der Erdölfelder im Kaspischen
Meer.
Das endgültige Schicksal des großen Ölgeschäftes
hängt weitgehend von der Haltung Rußlands ab.
Die russische Ölgesellschaft Lukoil (Westsibirien), die (mit
drei Produktionsunternehmen, zwei Raffinerien, acht Verteiler-Gesellschaften,
100 Tochtergesellschaften und 15,7 Mrd. Barrel Ölreserven)
zu den sechs größten Ölkonzernen der Welt zählt,
ist an dem Vertrag mit 10% beteiligt. Problematisch ist, daß
das Kaspische Meer bisher noch nicht unter den interessierten
Staaten aufgeteilt ist.
Trotzdem beteiligt sich Lukoil am "Freiraub". Die russische
Regierung fordert eine Statusänderung des Kaspischen Meeres,
d.h. seine Umwandlung von einem Binnen- in ein internationales
Gewässer, was bedeuten würde, daß außerhalb
der 12-Meilen-Zone internationaler Bereich wäre. Die Ölfelder
Aseri, Cirag und Gunesli liegen alle außerhalb der 12-Meilen-Zone.
Baku fordert die Ausdehnung der Territorialgewässer auf 25
Meilen.
Noch deutlicher artikulieren die Russen ihre nationalen Interessen
in der Transportfrage. Bereits im Frühjahr 1994 stellte
Rußland klar, daß Erschließung und Transport
von Öl im Kaspischen Meer ohne Zustimmung Moskaus nicht zu
verwirklichen seien. Moskau besteht darauf, Erdöl aus Aserbaidschan
und Kasachstan zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk und
von dort per Tanker zum bulgarischen Hafen Burgas zu transportieren.
Von Burgas aus soll das Öl über eine noch zu bauende
Pipeline zum griechischen Hafen Alexandropolis befördert
werden. Diese russische Transportvariante (mit Ölpipelines
über den Nordkaukasus zum Hafen Noworossijsk) ist zwar wirtschaftlich
die billigste Lösung, doch ist sie auch mit Unsicherheiten
(Krieg in Tschetschenien) verbunden.
Eine türkische Transportvariante (Pipelines von Aserbaidschan
entlang der Nord-Türkei zum Mittelmeerhafen Jurmalak) lehnt
Moskau strikt ab. Auch diese letztere Variante ließe sich
ökonomisch begründen, da bereits ein Leitungssystem
von Aserbaidschan über Georgien und Abchasien bis zur türkischen
Grenze besteht. Doch auch diese Region (Georgien, Abchasien) gleicht
einem Pulverfaß, und der Transport wäre mit Risiken
verbunden.
Irans Interesse gilt einer weiteren Variante: Bau einer
Pipeline von Aserbaidschan über Iran und die Türkei
bis zu den türkischen Ölterminals. Dies wäre jedoch
mit hohen Investitionskosten verbunden. Rußland und Iran
vertreten zwar gemeinsame Interessen in der Frage der Aufteilung
des Kaspischen Meeres, nicht aber in der Transportfrage. Für
Aserbaidschan wird es aus verschiedenen Gründen schwierig
sein, Iran gänzlich aus dem Ölgeschäft auszuschließen,
vor allem, wenn auch Moskau Irans Präsenz befürwortet.
Im Falle einer iranischen Beteiligung könnten jedoch die
fünf US-Konzerne auf Anweisung Washingtons aus dem Geschäft
aussteigen. Zwar bemüht sich Baku für diesen Fall bereits
um Ersatz durch die europäischen Ölgesellschaften Exxon,
Shell und Elf, doch noch steht in den Sternen, ob der "Jahrhundert"-Ölvertrag
überhaupt jemals verwirklicht werden kann.
3. Außenpolitische Beziehungen
Die Außenpolitik Aserbaidschans verfolgt zwei Ziele:
die Bewahrung der territorialen Integrität des Landes im
Rahmen der zu Zeiten der UdSSR von Moskau festgelegten Verwaltungsgrenzen
sowie die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen für die
Stabilisierung der politischen Macht mit Hilfe von Drittstaaten.
Da der geopolitischen Lage Aserbaidschans in Transkaukasien eine
große strategische Bedeutung beigemessen wird, wetteifern
sowohl die Großmächte Rußland und die USA als
auch die Regionalmächte Iran und Türkei um Einflußnahme
in diesem Ölland.
Die Türkei, die im Karabach-Konflikt einseitig die
Position Bakus unterstützte, versuchte 1989-1992, die oppositionelle
Volksfront Eltschibeys gegen den prorussischen Präsidenten
Mutalibow aufzubauen und Aserbaidschan politisch zu majorisieren.
Nach der Machtübernahme von Eltschibey, der sich außenpolitisch
auf die Türkei umorientierte und innenpolitisch dem türkischen
Staatsmodell zuwandte, schien es Ankara zu gelingen, Aserbaidschan
als Tor der Türkei zu den Turkvölkern Zentralasiens
aufzubauen und die Führungsrolle unter den islamischen turkstämmigen
transkaukasischen und zentralasiatischen Republiken zu übernehmen.
Ankara schickte Waffen und Militärberater nach Aserbaidschan.
Offiziere aus Baku wurden in der Türkei ausgebildet. An der
6 km langen gemeinsamen Grenze wurde eine Brücke über
den Arax-Fluß zur aserbaidschanischen Enklave Nachitschewan
gebaut. Es begann ein reger Warenverkehr. Die Ableger der türkischen
ultra-nationalistischen Organisation "Graue Wölfe"
(Boz Gurd) etablierten sich in Aserbaidschan. Im November 1992
sagte die Türkei Baku einen Kredit in Höhe von 384 Mill.
DM zu. Im März 1993 wurde - in Erwartung der bevorstehenden
Unterzeichnung des "Jahrhundert"-Ölvertrages -
zwischen beiden Ländern ein Abkommen über den Bau einer
Pipeline von Aserbaidschan zur türkischen Mittelmeerküste
unterzeichnet. Mit dem Sturz von Präsident Eltschibey im
Juni 1993 war den türkischen Wunschträumen von einer
regionalen Großmacht ein jähes Ende beschieden. Der
vom Pantürkismus Özals und Eltschibeys beschworene gemeinsame
Staat aller Turkvölker - der neue "Turan" - ließ
sich nicht verwirklichen. Sowohl Baku als auch Ankara haben inzwischen
begriffen, daß die Wirtschaftskraft der Türkei weder
zur Stabilisierung der aserbaidschanischen Wirtschaft noch zur
Gründung eines zentralasiatischen Staatenbundes ausreicht.
Die türkische Wirtschaft hatte sich, um nicht lukrative Geschäfte
auf dem russischen Markt zu verspielen, ohnehin mit Projekten
in Aserbaidschan auffallend zurückgehalten. Die über
1.600 türkischen Militärberater verließen im Herbst
1993 Aserbaidschan. Die "Grauen Wölfe" der Aseris
fanden im Tschetschenien-Krieg ein neues Betätigungsfeld.
Nach der Machtübernahme von Alijew kühlten sich die
Beziehungen zwischen Baku und Ankara erheblich ab. Moskau gewann
die Oberhand im türkisch-russischen Kampf um Einflußnahme
in Aserbaidschan. Zu dem ursprünglich von den westlichen
Ölgesellschaften geplanten Bau einer Pipeline durch die Türkei
fehlt die Zustimmung Moskaus. Die letzten Nadelstiche der Türkei
- ein Gipfeltreffen der Turkstaaten (Kasachstan, Kirgisistan,
Aserbaidschan, Usbekistan, Turkmenistan) im Oktober 1994 in Istanbul
sowie ein Kongreß der turksprachigen Völker in Izmir
- ließen Moskau kalt. Rußland machte Ankara klar,
daß die Türkei gut daran täte, den Traum einer
Einflußnahme in Aserbaidschan zu begraben.
Die andere Regionalmacht, Iran, konnte im Konkurrenzkampf
um die Einflußnahme in Aserbaidschan während der Präsidentschaft
Mutalibows an Boden gewinnen, da die Aseris ebenso wie die Iraner
islamische Schiiten sind. Da Iran im Gegensatz zur Türkei
auch das Vertrauen Armeniens genoß, versuchte Teheran, im
Karabach-Konflikt eine Vermittlerrolle zu spielen. Zwischen Baku
und dem iranischen Hafen Bandar Anzahli wurde der Schiffsverkehr
aufgenommen, bei Azlandouz ein neuer Grenzübergang eröffnet.
Teheran gewährte der aserbaidschanischen Enklave Nachitschewan
Wirtschaftshilfe und bot Stromlieferungen an. Geplant war auch
der Bau einer Eisenbahnlinie durch iranisches Territorium, um
Aserbaidschan mit Nachitschewan zu verbinden. Der Handelsverkehr
zwischen beiden Ländern nahm zu. Nach der Machtübernahme
Eltschibeys und der damit verbundenen Hinwendung Bakus zur Türkei
kühlten die aserbaidschanisch-iranischen Beziehungen jedoch
rasch ab, nicht zuletzt weil Eltschibey die Vereinigung der beiden
aserbaidschanischen Provinzen Irans, wo 15 Mill. Aseri leben,
mit dem Mutterland forderte. Aserbaidschan war 1828 zwischen Rußland
und Persien aufgeteilt worden. Teheran profitierte somit vom Sturz
Eltschibeys im Sommer 1993. Unter der Präsidentschaft Alijews
haben sich die aserbaidschanisch-iranischen Beziehungen erneut
normalisiert. Beim Besuch von Rafsandschani in Baku wurden rund
40 Kooperationsverträge zwischen beiden Ländern unterzeichnet.
Es bahnte sich im Kampf um das Ölland Aserbaidschan eine
Allianz der russisch-iranischen Interessen gegenüber einer
türkisch-amerikanischen Allianz an.
In einem Interview mit dem türkischen Fernsehen TRT erklärte
Volksfront-Führer Eltschibey am 16. Mai 1992, daß es
sich bei den Aktionen der aserbaidschanischen Volksfront, die
zum Rücktritt des prorussischen Präsidenten Mutalibow
führten, um einen geplanten Staatsstreich handele, hinter
dem die Türkei und die USA stünden. Offenbar
ging es Washington darum, durch die Stärkung des türkischen
Nationalismus in der Region dem radikalen islamischen Fundamentalismus
Irans Einhalt zu gebieten. Am Vorabend der Präsidentschaftswahlen
vom Juni 1992 wurde Volksfront-Führer Eltschibey in einer
Kampagne westlicher Medien als ein prowestlich orientierter "Demokrat"
dargestellt und als künftiger Präsident Aserbaidschans
aufgebaut. Washington hoffte, unter der Präsidentschaft Eltschibeys
mit Hilfe der US-Ölkonzerne in Aserbaidschan Fuß zu
fassen. Eltschibey glaubte seinerseits, daß der von ihm
in London unterzeichnete Vorvertrag zur Ausbeutung der Ölfelder
im Schelf des Kaspischen Meeres seinem Land Wohlstand bringen
würde. Doch die Rechnung der USA, mit Hilfe der Türkei
und des protürkischen Regimes in Baku politischen und wirtschaftlichen
Einfluß in Aserbaidschan zu gewinnen, ging vorerst nicht
auf. Eltschibey wurde unter dem Applaus Moskaus gestürzt,
und der Kampf zwischen Rußland und den USA um das Öl
Aserbaidschans ging nach der Machtübernahme Alijews weiter.
Sowohl die Sowjetunion Gorbatschows als auch Jelzins Rußland
unterstützten unter der Präsidentschaft Mutalibows (1990-1992)
im Konflikt mit Armenien zunächst die Position Bakus. Die
in Aserbaidschan stationierten Truppen des Transkaukasischen Militärbezirks
der Ex-UdSSR überließen Baku Rüstungsgüter,
darunter 297 Panzer, 396 gepanzerte Fahrzeuge, 305 Artilleriegeschütze,
53 Raketenabschußsystme des Typs "Grad" (BM-21)
sowie Kampfhubschrauber und Kampfflugzeuge vom Typ SU-25 und MIG-25
(Kuranty, Moskau, 21. November 1992, S. 2). Der aserbaidschanische
Innenminister Iskender Chamidow behauptete sogar, auch über
sechs nicht näher definierte "Atomwaffen" zu verfügen
(Turan, Baku, 7. Dezember 1992). Das Blutbad der Sowjettruppen
im Januar 1990 in Baku sowie die militärischen Niederlagen
gegen Armenien nährten jedoch antirussische Gefühle
und stärkten die islamistisch-pantürkische Volksfront,
was schließlich zum Sturz des Mutalibow-Regimes führte.
Das neue Volksfront-Regime Eltschibeys (1992/93) verzichtete auf
die GUS-Mitgliedschaft und wandte sich der Türkei zu. Die
Truppen des Transkaukasischen Militärbezirks und die sowjetisch/russischen
Grenztruppen verließen Aserbaidschan. Moskau verzichtete
auf den Import von aserbaidschanischen Waren (Baumwolle, Obst,
Aluminium u.a.). Die Überschätzung der Wirtschaftskraft
der Türkei, die Unterschätzung der Möglichkeiten
Moskaus sowie weitere militärische Niederlagen gegen Armenien
führten im Sommer 1993 zum erneuten Umsturz und Regimewechsel
in Baku. Die neue Regierung Alijew trat am 24. September 1993
erneut der GUS, einschließlich der geplanten Wirtschaftsunion
und des Vertrages über kollektive Sicherheit, bei. Rußland
erhielt seine 1984 fertiggestellte Radaranlage - Teil des russischen
Raketenwarnsystems - in Kabala zurück. Im November 1994 wurde
ein Abkommen über den Schutz der aserbaidschanischen Grenzen
zu Iran und der Türkei (Nachitschewan) durch russische Grenztruppen
paraphiert. Im Dezember 1993 sollen russische "Freiwillige"
ein Bataillon innerhalb der aserbaidschanischen Armee gebildet
haben. Ähnlich wie Moskau fordert auch Baku eine Revision
des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa,
da Aserbaidschan aufgrund der Größe seines Territorismus
und seiner Bevölkerung auf einer höheren Zahl von Panzern
besteht, als ihm zugestanden worden war (jeweils 220 Panzer für
Armenien, Aserbaidschan und Georgien).
Mit der Erkenntnis, daß ohne die Rücksichtnahme auf
russische Interessen im Transkaukasus nichts läuft, trug
Alijew der Realität Rechnung. Er annullierte den von Eltschibey
geschlossenen Ölvertrag mit westlichen Konzernen und nahm
in einem neu konzipierten Vertrag auch die russische Ölgesellschaft
Lukoil in das Konsortium auf. Moskau beharrt jedoch - unter Berufung
auf die Gefahren für das Ökosystem und das sowjetisch-iranische
Abkommen von 1940 - darauf, daß Aserbaidschan kein Recht
habe, die Erdölvorkommen im Kontinentalschelf des Kaspischen
Meeres einseitig auszubeuten. Außerdem besteht Moskau darauf,
die geplante Erdölpipeline über russisches Territorium
und nicht, wie von Eltschibey und den amerikanischen Ölgesellschaften
vorgesehen, über türkisches Territorium zu führen.
Solange die Pipelinefrage nicht gelöst ist, kann Aserbaidschan
nicht auf den ersehnten Wohlstand aus den Erdöleinnahmen
hoffen. Geopolitisch entscheidend ist jedoch, daß es Moskau
gelungen ist, den in den Jahren 1992-93 gewachsenen Einfluß
der USA und der Türkei in Aserbaidschan zu beseitigen. Die
pantürkischen Aktivitäten Ankaras im Transkaukasus und
in Zentralasien konnten Rußland kaum beeindrucken. Die Antwort
darauf war im November 1994 eine "Tagung der Kurden in der
GUS" in Moskau, bei der die PKK aus der Türkei eine
wichtige Rolle spielte. Es zeigte sich auch, daß nur Rußland
dem - durch russische Hilfestellung ermöglichten - Vordringen
Armeniens Einhalt gebieten kann. Der Schlüssel zur Lösung
des Karabach-Konflikts liegt daher vor allem in russischer Hand.
III. Krisenmanagement Berg-Karabach
Der Krieg um Karabach, dessen Ursachen, Entstehung und Verlauf
bereits ausführlich beschrieben wurden (Henrik Bischof, Regimewechsel
in Aserbaidschan und der Krieg um Berg-Karabach, Friedrich-Ebert-Stiftung,
September 1992), spiegelt die internationalen Verflechtungen
in der Transkaukasus-Region wider: die unterschiedlichen nationalen
Interessen von Drittstaaten, die beschränkten Möglichkeiten
internationaler Friedensmissionen (UNO, KSZE/OSZE), Rußlands
Bemühungen zur Sicherung seiner Einflußsphäre.
Bis zur Machtübernahme des protürkischen Präsidenten Eltschibey in Aserbaidschan im Sommer 1992 unterstützte Rußland im Karabach-Konflikt politisch und militärisch den Standpunkt Aserbaidschans. Da die armenische Position in diesem Konflikt von keinem Drittstaat unterstützt wurde, fiel es Moskau leicht, gleichzeitig auch als Schutzmacht Jerewans aufzutreten und Armenien in die GUS einzugliedern. Während der Präsidentschaft Eltschibeys, d.h. solange Baku eine prowestliche und antirussische Politik verfolgte und türkische Militärhilfe empfing, konzentrierte Moskau seine Hilfsmaßnahmen auf Armenien. Dies trug zu militärischen Erfolgen der Armenier bei und ermöglichte die Schaffung eines Korridors zwischen Karabach und Armenien. Die militärischen Niederlagen Aserbaidschans führten wiederum im Sommer 1993 zum Sturz des antirussischen Präsidenten Eltschibey. Das neue Alijew-Regime Aserbaidschans kehrte unter die Obhut Moskaus zurück und trat der GUS bei. So gelang es Rußland, mit Hilfe des Krieges um Karabach seine Einflußsphäre im Transkaukasus zu festigen, seine militärische Präsenz in Armenien und Aserbaidschan aufrechtzuerhalten und im Karabach-Konflikt - als einzig relevanter Machtfaktor der Region - als Vermittler aufzutreten.
Zunächst gestaltete sich der Karabach-Konflikt als innere
Angelegenheit der UdSSR. Am Anfang stand ein Beschluß
des Obersten Sowjets des Autonomen Gebietes Berg-Karabach (Hauptstadt
Stepankert) vom 20.2.1988, sich der Unionsrepublik Armenien anzuschließen.
Am 15. Juni stimmte der Oberste Sowjet Armeniens dem Anschlußbegehren
Karabachs zu. Der Oberste Sowjet Aserbaidschans lehnte die Übergabe
Karabachs an Armenien jedoch am 17. Juni ab. Daraufhin erklärte
am 12. Juli der Oberste Sowjet von Berg-Karabach den Austritt
aus der Unionsrepublik Aserbaidschan. Im September 1988 verhängte
Gorbatschow den Ausnahmezustand über das Autonome Gebiet
Berg-Karabach, der erst am 4. Juli 1991 aufgehoben wurde.
Am Vorabend des Zerfalls der UdSSR war für Baku die Karabach-Frage
eine innere Angelegenheit Aserbaidschans und keine Angelegenheit
der Moskauer Zentrale. Inzwischen verzichtete auf der Gegenseite
die neue armenische Elite unter Präsident Ter-Petrosjan auf
den Anspruch, Karabach Armenien anzugliedern. Im Zuge der Souveränitätswelle
auf dem Territorium der UdSSR - nach dem gescheiterten Moskauer
Putschversuch vom August 1991 - proklamierte auch Berg-Karabach
seine Unabhängigkeit. Am 23. September 1991 unterzeichneten
Rußland, Kasachstan, Armenien und Aserbaidschan ein Abkommen,
das in der Folge jedoch nicht realisiert wurde. Danach sollten
die vier Republiken bis zur Durchführung von freien Wahlen
gemeinsam die Souveränität über Karabach ausüben.
Am 1. Januar 1992 sollte ein Waffenstillstand in Kraft treten.
Baku und Jerewan waren sich jedoch nur in einem Punkt einig: Die
in Karabach stationierten Sowjettruppen sollten baldmöglichst
durch "Blauhelme" der UNO abgelöst werden.
Nach dem Untergang der UdSSR im Dezember 1991 kam es zur Internationalisierung
des Karabach-Konfliktes. Zunächst trat Iran auf der transkaukasischen
Bühne mit erfolglosen Vermittlungsversuchen in Erscheinung.
Die UNO und die KSZE wurden auf den Plan gerufen, da ein offener
Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan auszubrechen drohte.
Die Türkei engagierte sich an der Seite Aserbaidschans, Frankreich
an der Seite Armeniens. Am 20. Februar 1992 fanden in Moskau -
ergebnislose - Gespräche zwischen Rußland, Armenien
und Aserbaidschan statt. Baku lehnte die Teilnahme einer Delegation
aus Karabach an den Verhandlungen ab. Moskau schlug vor, UN-"Blauhelme"
nach Karabach zu entsenden, die später durch GUS-Friedenstruppen
abgelöst werden sollten. Karabach akzeptierte nur die GUS-Friedenstruppen
und lehnte die Entsendung von UN-"Blauhelmen" von vornherein
ab. Auch die USA lehnten den Einsatz von UN-"Blauhelmen"
kategorisch ab. Frankreich schlug die Aktivierung der KSZE vor.
Das UNO-Engagement bei der Lösung des Karabach-Konflikts
wurde somit auf Eis gelegt, obwohl Armenien noch im Frühjahr
1992 auf der Beteiligung internationaler UNO-Friedenstruppen beharrte.
Gleichzeitig verlangte Jerewan den Abzug der Sowjettruppen des
Transkaukasischen Militärbezirks, die in GUS-Streitkräfte
umgewandelt worden waren (später russische Streitkräfte).
Anstelle der UNO wurde nunmehr die KSZE aktiv, nachdem
Armenien und Aserbaidschan im Januar 1992 in diese Organisation
aufgenommen worden waren. Da die Arbeitsmethoden und das Instrumentarium
der KSZE zur Schlichtung von Konflikten wie dem Krieg in Karabach
untauglich sind, hat dieses Gremium bislang nichts Substantielles
zur Beilegung des Konfliktes beitragen können. Im Februar
1992 entsandte die KSZE eine 10köpfige Beobachterdelegation
- für nicht mehr als fünf Stunden - nach Karabach, um
festzustellen, ob dort gegen die KSZE-Prinzipien verstoßen
werde. Auch die KSZE-Friedenskonferenz vom August 1992 in Rom
ging ergebnislos zu Ende. Nach seinem GUS-Beitritt ersuchte Armenien
das System für kollektive Sicherheit der GUS um Hilfe,
während der neue aserbaidschanische Präsident Eltschibey
sich der Türkei und dem Westen zuwandte. Auf Vermittlung
Rußlands unterzeichneten Armenien und Aserbaidschan am 19.
September 1992 in Sotschi ein zweimonatiges Waffenstillstandsabkommen
und am 25. September ein dazugehöriges Protokoll, das u.a.
die Entsendung von 250 Militärbeobachtern aus Rußland,
Belarus, Kasachstan, Georgien und der Ukraine vorsah. Die Vereinbarungen
wurden jedoch nicht eingehalten. Die Vermittlungsversuche der
KSZE und der GUS waren schon allein deshalb von Anfang an zum
Scheitern verurteilt, weil es der rechtmäßigen und
demokratisch gewählten Führung der Armenier von Berg-Karabach
verwehrt war, sich an den Verhandlungen mit einer eigenen Delegation
zu beteiligen.
Nach den zaghaften - erfolglosen - Vermittlungsversuchen der KSZE
und der GUS sowie der Inaktivität des UNO-Sicherheitsrates
kam es 1993 zu einer Zuspitzung des Karabach-Konfliktes.
Angesichts der einseitigen Hinwendung Aserbaidschans zur Türkei
und zum Westen konnte sich das christliche Armenien gegenüber
der Bedrohung durch die islamischen Turkvölker nur wieder
- wie in den letzten 75 Jahren - auf die Schutzmacht Rußland
stützen. Moskau ergriff die Gelegenheit, um auf dem Weg über
Armenien erneut im Transkaukasus Fuß zu fassen. Die Führer
der von keinem Staat anerkannten unabhängigen Republik
Karabach erkannten gleichzeitig, daß sie nur durch vollendete
Tatsachen - aufgrund militärischer Erfolge - eine Chance
haben konnten, als politischer Machtfaktor und gleichberechtigter
Verhandlungspartner akzeptiert zu werden. Nachdem die aserbaidschanischen
Truppen einen Teil von Nord-Karabach besetzt hatten, begannen
die Selbstverteidigungstruppen Karabachs eine Gegenoffensive und
eroberten bis zum Herbst 1993 insgesamt sieben Bezirke (Kelbadschar,
Sangelan, Latschin, Dschebrail, Kubatli, Fisuli und Agdam) auf
aserbaidschanischem Territorium. Die Türkei und Iran reagierten
mit einem Truppenaufmarsch entlang der Grenzen zu Aserbaidschan
und Armenien. Trotz militärischer Erfolge wartete die Republik
Karabach jedoch vergeblich darauf, sowohl von Baku als auch von
der internationalen Staatengemeinschaft (KSZE) als eigenständiger
Verhandlungspartner anerkannt zu werden. Rußlands Präsident
Jelzin äußerte sich besorgt über die "Ausweitung
der Kampfhandlungen über die Grenzen des Karabach-Konfliktes
hinaus" (ITAR-TASS, 9. April 1993). Moskau war - und ist
- an einem "totalen" Sieg der Armenier nicht interessiert,
weil Armenien dann auf die russische Schutzmacht nicht mehr angewiesen
wäre. Andererseits zeigte Armenien wenig Interesse an einer
von Moskau betriebenen Ablösung des protürkischen aserbaidschanischen
Präsidenten Eltschibey durch einen prorussischen Machthaber,
da abzusehen war, daß sich in diesem Fall Moskaus Prioritäten
erneut auf das Ölland Aserbaidschan verlagern würden.
Vor dem Hintergrund dieser Interessenverflechtungen wurde ein
amerikanischer Plan (US-Nahostexperte Globe) ins Spiel
gebracht, der - durch Gebietsaustausch - Korridore zwischen Armenien
und Karabach sowie zwischen Aserbaidschan und Nachitschewan vorsah.
Da daraus nur die Türkei Nutzen gezogen hätte, wurde
der Plan von allen Konfliktparteien abgelehnt. Daraufhin machte
der damalige Oberbefehlshaber der GUS-Streitkräfte,
Marschall Schaposchnikow, den ebenso unrealistischen Vorschlag,
entweder den Status Karabachs als autonome Provinz innerhalb Aserbaidschans
wiederherzustellen oder die autonome Provinz Karabach unter die
Verwaltung Rußlands zu stellen.
Neue Ansätze zur Regelung des Karabach-Konfliktes ergaben
sich bei einem Zusammentreffen der Präsidenten Armeniens
und Aserbaidschans, Ter-Petrosjan und Eltschibey, anläßlich
der Beisetzung des verstorbenen türkischen Präsidenten
Özal am 23. April 1993 in Ankara. Eine trilaterale Friedensinitiative
Rußlands, der Türkei und der USA vom 3. Mai 1993 sah
u.a. vor: Abzug der Armenier aus dem besetzten aserbaidschanischen
Bezirk Kelbadschar, Waffenstillstand für zwei Monate, Vorbereitungsgespräche
in Genf sowie Aufnahme der Verhandlungen im Rahmen der Minsker
Gruppe der KSZE, der elf Staaten angehören. Armenien und
Aserbaidschan stimmten diesem Friedensplan zu. Abgelehnt wurde
er jedoch durch das mehrheitlich von den Daschnaken besetzte Parlament
der Republik Karabach mit der Begründung, der Plan enthalte
keine Sicherheitsgarantien für die Bevölkerung und keine
Klausel für die Aufhebung der Wirtschaftsblockade von Karabach.
Außerdem lehnte Karabach die Türkei als Vermittler
ab.
Auch die Resolutionen 822 und 853 des UN-Sicherheitsrates
vom 30. April und 19. August 1993, in denen die Offensive armenischer
Truppen verurteilt wurde, wurde - wegen "Einseitigkeit"
- sowohl von Armenien als auch von Karabach abgelehnt. Begründung:
Sie enthielten keine Sicherheitsgarantien für die Bevölkerung
Karabachs und ignorierten das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts.
Auch Baku kritisierte die UNO-Resolutionen, weil sie Armenien
nicht als "Aggressor" verurteilt hatten. Aserbaidschan
sprach sich für eine Konfliktlösung ausschließlich
im Rahmen der KSZE aus.
Inzwischen nahm eine KSZE-Gruppe in Karabach die Arbeit
auf, um die Entsendung von 600 KSZE-Beobachtern vorzubereiten.
Die geplante Minsker Friedenskonferenz konnte jedoch nicht stattfinden,
weil Karabach vor dem Rückzug aus den eroberten Gebieten
die Sicherung des Latschin-Korridors durch internationale Friedenstruppen
verlangte. Außerdem drohte die KSZE-Friedenskonferenz an
der Statusfrage zu scheitern. Die in der Minsker Gruppe
der KSZE vertretenen westlichen Staaten weigerten sich, die Republik
Karabach als gleichberechtigten Verhandlungspartner anzuerkennen.
Rußland vollzog im Mai 1993 einen Positionswechsel
und sprach sich für dreiseitige Verhandlungen mit Armenien,
Aserbaidschan und Karabach aus (vgl. Izvestija, 5. Mai 1993).
Durch Instrumentalisierung des Karabach-Konflikts gelang es Moskau
im Sommer 1993, einen Machtwechsel in Baku herbeizuführen.
Unter dem neuen Präsidenten Alijew trat Aserbaidschan der
GUS und ihrem kollektiven Sicherheitssystem bei und kündigte
den Ölvertrag mit einem westlichen Konsortium, der ohne russische
Beteiligung abgeschlossen worden war. Nunmehr war Aserbaidschan,
das den Krieg zuvor als direkte Aggression Armeniens betrachtet
hatte, auch zu Verhandlungen mit Karabach bereit. In Moskau dachte
man an einen neuen Status Karabachs als Teil einer Konföderation
(vgl. Nezavisimaja Gazeta, 10. September 1993, S. 3).
Rußland übernahm nunmehr die Initiative im Karabach-Konflikt.
Unter der Schirmherrschaft des Kreml fanden am 15. September 1993
in Moskau erstmals direkte Verhandlungen zwischen Aserbaidschan
und Karabach statt. Auch die Minsker KSZE-Gruppe bereitete auf
ihren Sitzungen im September in Paris und November in Wien neue
Friedenspläne vor. Vorgesehen war der Rückzug der Armenier
aus Kubatli, Agdam, Fisuli, Dschebrail und Kelbadschar sowie der
Austausch von Geiseln und Gefangenen. Gleichzeitig sollten die
Erdgasleitungen, Straßen- und Eisenbahnverbindungen zwischen
Armenien und Aserbaidschan wieder geöffnet sowie Anfang November
1993 KSZE-Beobachter in die Konfliktzonen entsandt werden. Armenien
und Karabach stimmten dem zu. Aserbaidschan lehnte jedoch ab,
weil dabei nicht die Rückgabe des Latschin-Korridors vorgesehen
war. Die auf den - zunächst gemeinsamen - Plänen von
Rußland und KSZE basierende Mission des russischen Sonderbotschafters
Kasimirow war jedoch schon allein deshalb zum Scheitern verurteilt,
weil zwei verschiedene Adressaten angesprochen waren: die Selbstverteidigungstruppen
von Karabach (Rückzug aus den besetzten Gebieten) und Armenien
(Aufhebung der Wirtschafts- und Verkehrsblockade). Es fehlte auch
die Erkenntnis, daß die Armenier Karabachs unter keinen
Umständen bereit waren, sich wieder unter die Oberhoheit
Aserbaidschans zu begeben. Angesichts der Pogrome gegen Armenier
erschienen die von Baku angebotene Kulturautonomie sowie Sicherheitsgarantien
für die Karabach-Bevölkerung fragwürdig.
Die KSZE kam mit ihrem Vermittlungsauftrag im Karabach-Konflikt
nicht weiter. Der Vorsitzende der Minsker Gruppe, Mario Raffaelli,
trat im November 1993 zurück. Außer Rußland und
der Türkei war kein Land bereit, sich an einer KSZE-Friedenstruppe
zu beteiligen. Armenien lehnte die Beteiligung der Türkei
kategorisch ab, befürwortete dagegen die Teilnahme einer
russischen oder GUS-Friedenstruppe. Die KSZE hatte die Entsendung
einer russischen Friedenstruppe schon auf ihrer Pariser Tagung
im September 1993 abgelehnt. Auf der KSZE-Außenministertagung
im November 1993 beanspruchte Rußland eine Sonderrolle.
Demnach sollten die Kosten für den Einsatz russischer Friedenstruppen
unter den KSZE-Mitgliedsstaaten geteilt werden. Die Reaktion auf
die russischen Vorschläge war negativ. Seitdem setzten die
KSZE und Rußland ihre Vermittlungsversuche im Karabach-Konflikt
getrennt fort.
Die vom russischen Verteidigungsminister Gratschow sowie seinen
Amtskollegen aus Armenien, Aserbaidschan und Karabach am 18. Februar
und 29. April 1994 in Moskau unterzeichneten Protokolle sowie
das auf der GUS-Interparlamentarischen Versammlung vom 9. Mai
1994 in Bischkek vereinbarte Protokoll zwischen den Parlamentsdelegationen
Armeniens, Aserbaidschans und Karabachs über einen Waffenstillstand
blieben Makulatur. Die Mitte Dezember 1993 begonnene aserbaidschanische
Offensive wurde fortgesetzt. Am 16. Mai 1994 wurde in Moskau zwischen
dem russischen Verteidigungsminister Gratschow und seinen Amtskollegen
aus Armenien und Karabach ein neues Protokoll über
die etappenweise Regelung des Karabach-Konflikts unterzeichnet.
Der Verteidigungsminister Aserbaidschans unterzeichnete das Dokument
nicht. Die Vereinbarungen sahen vor: Feuereinstellung ab 17. Mai,
Bildung einer 5-10 km breiten Pufferzone zwischen den Kriegsparteien,
Stationierung einer 2.000 Mann starken russischen Friedenstruppe
und Errichtung von 49 Beobachtungsposten in der Pufferzone. Dieser
sog. Gratschow-Plan stieß nicht nur auf den Widerstand
Aserbaidschans.
Auch die USA lehnten einen Alleingang Rußlands ohne
Koordinierung mit der KSZE und der UNO ab. Der russische Friedensplan
sollte nach Ansicht Washingtons im Rahmen der Minsker Gruppe der
KSZE ausgeführt und die Stationierung von GUS-Friedenstruppen
unter der Kontrolle internationaler Beobachter erfolgen (vgl.
Nezavisimaja Gazeta, 24. Mai 1994). Gleichzeitig stellte der US-Botschafter
in Aserbaidschan, Richard Kauzlarich, auf einer Pressekonferenz
in Baku klar, daß Washington nicht das Selbstbestimmungsrecht,
sondern das "Prinzip der territorialen Integrität und
Souveränität von Staaten" unterstützt. Er
stellte Aserbaidschan die Meistbegünstigung im Handel mit
den USA in Aussicht, falls Baku den Ölvertrag mit den US-Konzernen
unterzeichnet (Turan, Baku, 19. Mai 1994).
Aserbaidschan tendierte unter diesen Umständen im Sommer
1994 dazu, eher den KSZE-Friedensplan als den russischen
Plan zu unterzeichnen. Im Unterschied zum russischen Plan sah
der KSZE-Plan Beobachter nicht nur aus GUS-Ländern, sondern
auch aus anderen Staaten vor, die nicht nur die Einhaltung des
Waffenstillstands, sondern auch die Operationen der Friedenstruppen
beobachten sollten. Letztendlich hatten jedoch weder Aserbaidschan
noch Armenien oder Karabach gegen russische bzw. GUS-Friedenstruppen
unter einem UNO- oder KSZE-Mandat etwas einzuwenden.
Einwände gegen die Aufstellung einer Friedenstruppe, die
ausschließlich aus russischen bzw. GUS-Soldaten besteht,
hatten vor allem die USA, nachdem im September 1994 der revidierte
Ölvertrag Aserbaidschans mit den US-Konzernen unterzeichnet
worden war. Nicht zuletzt auf Druck Washingtons beschloß
die KSZE, eine internationale Friedenstruppe aufzustellen.
Moskau warf "einigen Mitgliedsstaaten" der Minsker KSZE-Gruppe
vor, den Karabach-Konflikt als Instrument zur Durchsetzung ihrer
eigenen "geopolitischen Interessen" zu benutzen (Interfax,
5. Oktober 1994). Damit nahm die Rivalität zwischen der KSZE
und Moskau offene Formen an. Es gelang Moskau nicht, seine Vorstellungen
durchzusetzen und eine westliche Präsenz im Transkaukasus
zu verhindern. Während Rußland sich noch vergeblich
um ein eigenes "Großes Politisches Abkommen" mit
den Konfliktparteien bemühte, wurde auf dem KSZE-Gipfel
im Dezember 1994 in Budapest die Schaffung einer 3.000 Mann starken
multinationalen Friedenstruppe beschlossen. Dabei soll Rußland
nicht mehr als 30% der Soldaten stellen. Die für den Karabach-Konflikt
zuständige Minsker Gruppe der KSZE/OSZE arbeitet künftig
unter einem russisch-schwedischen Ko-Präsidium. Der
Minsker Gruppe gehören zur Zeit Italien, Ungarn, Schweden,
Belarus, Frankreich, Rußland, die Türkei, die Schweiz
und die USA sowie Armenien und Aserbaidschan an. Die Frage, ob
es Moskau erneut gelingen wird, die OSZE in den Hintergrund zu
drängen und die OSZE-Friedenssicherung in Karabach zu hintertreiben,
war Anfang 1995 noch offen.
Damit ist zur Zeit ungewiß, ob eine internationale OSZE-Friedenstruppe,
wie geplant, zum Einsatz kommt. Ihre Entsendung wurde von einer
"angemessenen" Resolution des UN-Sicherheitsrates sowie
dem Abschluß einer neuen Waffenstillstandsvereinbarung zwischen
den Konfliktparteien abhängig gemacht - obwohl der von Moskau
vermittelte Waffenstillstand vom Mai 1994 bis jetzt weitgehend
eingehalten wurde. Die "Moskauer Erklärung" der
Minsker Gruppe vom 10. Februar 1995 über die "Vorbereitungen"
zur Entsendung von OSZE-Vertretern klang wenig ermutigend. Im
Rahmen dieser ersten OSZE-Friedensmission im Frühjahr 1995
ist zunächst die Entsendung von ca. 300 unbewaffneten Beobachtern
in das Krisengebiet geplant. Im Sommer 1995 sollen ihnen mindestens
3.000 bewaffnete Friedenssoldaten folgen, deren Einsatz für
die ersten sechs Monate 40 Mill. Dollar kosten würde (Reuters,
2. Dezember 1994). Bis Ende 1994 hatten die OSZE-Mitgliedsstaaten
kaum mehr als 1.000 Soldaten angeboten. Davon waren knapp 500
von der Türkei bereitgestellt worden. Eine türkische
Teilnahme an der Friedenstruppe wird jedoch von Armenien und Karabach
abgelehnt, weil sie die Türkei, die Aserbaidschan mit Waffen
und Militärberatern unterstützt und das armenische Territorium
blockiert, nicht als neutrale Partei betrachten.
Selbst wenn die Probleme im Zusammenhang mit der Aufstellung der
multinationalen OSZE-Friedenstruppe gelöst würden, ist
ihr Einsatz noch nicht gesichert, solange eine Reihe von Einzelfragen
ungeklärt bleibt. Dazu gehören: der Zeitplan für
den Abzug der Truppen Karabachs aus den besetzten aserbaidschanischen
Gebieten, die Aufhebung der Wirtschafts- und Verkehrsblockade
gegen Armenien und Karabach, der von Baku geforderte Rückzug
der Truppen Karabachs aus Schuscha und Latschin (Korridor), der
von Karabach geforderte Rückzug Bakus aus dem von Armeniern
bewohnten aserbaidschanischen Bezirk Schahumjan.
Auch wenn die genannten Einzelfragen gelöst werden können,
bleibt noch das Flüchtlingsproblem auf der Tagesordnung.
Die Häuser der Flüchtlinge wurden weitgehend zerstört,
und sie können schon aus diesem Grund nicht in ihre Heimatdörfer
zurückkehren. Aus Aserbaidschan wurden mehr als 350.000 Armenier
vertrieben. Die Zahl der aserbaidschanischen Flüchtlinge
beträgt mehr als 1 Mill., davon ca. 200.000 aus Armenien,
50.000 aus Karabach und 750.000 aus den von Armeniern besetzten
aserbaidschanischen Gebieten.
Sollte das "Wunder" geschehen und die OSZE-Friedensmission
alle diese Probleme lösen, so bleibt noch immer die große
Frage des Status von Berg-Karabach. Zweifel sind um so
mehr angebracht, als es in den USA nicht unmaßgebliche Meinungen
gibt, die darauf hinauslaufen, daß eine Instabilität
im Transkaukasus immer noch besser sei als eine Rückkehr
Rußlands in die Region. Umgekehrt gilt dies natürlich
auch aus der Sicht Moskaus: Instabilität wäre besser
als eine Verstärkung der westlichen Präsenz in der Region.
Hinzu kommt, daß die Truppen von Berg-Karabach mehr als
20% des aserbaidschanischen Territoriums besetzt halten und es
in der Republik Berg-Karabach seit Dezember 1994 eine Präsidialregierung
gibt. Erster Präsident der Republik wurde Robert Kotscharjan.
Aserbaidschan betrachtet die Republik Berg-Karabach nach wie vor
als illegal und als armenisches Besatzungsgebiet (Interfax, 26.
Dezember 1994). Armenien vertritt dagegen die Auffassung, daß
der Konflikt solange nicht gelöst werden kann, bis Berg-Karabach
als souveräner Staat anerkannt ist. Angesichts der geschaffenen
Fakten ist zumindest eine de facto-Anerkennung von Karabach kaum
zu umgehen. Schließlich wird seit fünf Jahren mit den
"bosnischen Serben", den "kroatischen Serben"
und den "serbischen Serben" und ihren Republiken verhandelt,
wobei die Medien besonders auf die Betonung der Unterschiede (die
es gar nicht gibt) achten. Es ist zu erwarten, daß der Westen und auch die OSZE bei der Lösung des Status von Karabach im Sinne des Öllandes Aserbaidschan vom Prinzip der territorialen Integrität der Staaten ausgehen und das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts keine Berücksichtigung findet. Bestenfalls wird die OSZE eine Autonomie Berg-Karabachs innerhalb Aserbaidschans mit einem Verbindungsweg zu Armenien anbieten. Auch Moskau kann es sich kaum leisten, im Gegensatz zum Westen, das Selbstbestimmungsrecht der Karabach-Armenier zu unterstützen, schon weil zur Zeit die Republik Tschetschenien gegen Rußland - ähnlich wie die Republik Karabach gegen Aserbaidschan - einen Unabhängigkeitskrieg führt. Es zeigt sich abermals, daß westliche Politiker einen großen Fehler begangen haben, als sie die Unionsrepubliken der zerfallenen UdSSR bedingungslos diplomatisch-völkerrechtlich anerkannt haben. Notwendig wären zuvor Revisionen der künstlichen, von Stalin willkürlich gezogenen Verwaltungsgrenzen gewesen, die im kommunistischen Einheitsstaat keine Rolle spielten. Die Folgen sind nun unzählige Konflikte, wie z.B. um Karabach, die von der OSZE, so wie sie gegenwärtig beschaffen ist, nicht gelöst werden können.
Die aktuelle Einschätzung des Karabach-Konfliktes erlaubt
zwei Feststellungen:
1. Das Aufeinanderprallen von verschiedenen nationalen, Sicherheits-
und Wirtschaftsinteressen der Großmächte (USA,
Rußland), der Regionalmächte (Türkei, Iran) sowie
der Eigeninteressen internationaler Organisationen (UNO, OSZE,
GUS) in einer geopolitisch und strategisch wichtigen Region und
im Ölland Aserbaidschan (wo viele interessierte Parteien
mitreden wollen) erschweren die Lösung des Karabach-Konfliktes.
2. Da aus heutiger Sicht davon auszugehen ist, daß die Republik
Karabach unter keinen Umständen bereit sein wird, sich der
Verwaltung Aserbaidschans zu unterstellen, ist eine politische
Lösung des Konflikts mit friedlichen Mitteln nur unter
Gewährung des Selbstbestimmungsrechts möglich.
Wären Armenien und Aserbaidschan auf sich allein gestellt,
d.h. ohne äußere Einwirkungen, Einflüsse und Eigeninteressen
von Drittstaaten, so hätten die Präsidenten Ter-Petrosjan
und Alijew den Karabach-Konflikt nach fünf Jahren Krieg bereits
friedlich beilegen können. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998 |