FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:



6. Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von Ange-hörigen dementiell Erkrankter

Die folgenden Handlungsempfehlungen, die sich gleichzeitig auf eine Verbesserung der Lebenssituation von Angehörigen dementiell Erkrankter und der Qualität in der häuslichen Pflege beziehen, basieren einerseits auf den unter Gliederungspunkt 4 dargestellten Ergebnissen. Andererseits wird aber auch auf diesbezügliche Stellungnahmen von Experten rekurriert (z.B. Bruder, 1998; Deutsche Alzheimer Gesellschaft, 1997; Deutscher Bundestag, 1996; Görgen, Krause & Nägele, 1999; Halsig, 1998; Holz, 2000; Naegele & Reichert, 1997; Neumann, 1992). Des weiteren sei darauf verwiesen, daß sich die hier formulierten Empfehlungen immer auch an unterschiedliche Akteure richten. Begreift man eine bedürfnisgerechte Versorgung und Betreuung von Demenzkranken als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bzw. als einen Prüfstein für eine humane Gesellschaft, so müssen sich also Träger von Diensten und Einrichtungen ebenso angesprochen fühlen wie Politiker, professionelle Helfer und pflegende Angehörige.

Mehr Betreuungsangebote für Demenzkranke: Wie die Ergebnisse der hier durchgeführten Untersuchung eindrucksvoll bestätigen, sind noch immer zu wenig Betreuungsangebote für dementiell Erkrankte vorhanden, die Angehörige – zumindest für einen gewissen Zeitraum - von der Pflege und Betreuung entlasten können. Das Angebotsdefizit bezieht sich dabei auf nahezu alle Formen der Betreuung, es fehlen aber vor allem Tages- und Kurzzeitpflegeplätze sowie stationäre Einrichtungen, die ihr Pflegekonzept auf die spezifischen Bedürfnisse von Demenzkranken abgestimmt haben. Darüber hinaus besteht ein Bedarf an alternativen Wohnprojekten für die Erkankten sowie an gerontopsychiatrischen Zentren, die eine Region mit einem abgestuften Maßnahmenpaket versorgen können. Generell ist die Bereitstellung eines flächendeckenden Betreuungsangebots zu fordern, das den unterschiedlichen Bedürfnissen der Angehörigen – denn sie bilden keine homogene Gruppe - gerecht wird und die flexibel in Anspruch genommen werden können.

Mehr Beratung und Information für Angehörige und dementiell Erkrankte: Wie bereits mehrfach erwähnt, bildet die Beratung und Information von Angehörigen und Erkrankten eine der wichtigsten Maßnahmen zu ihrer Unterstützung. Dennoch scheint der diesbezügliche Bedarf – auch gemäß den vorliegenden Untersuchungsergebnissen - noch nicht ausreichend gedeckt zu sein. Hierfür sind im wesentlichen zwei Gründe ausschlaggebend: Einerseits dürfte in einigen, vor allem ländlichen Regionen, noch kein ausreichendes Angebot an Beratungsstellen vorhanden sein. Andererseits spielen Faktoren wie mangelnder Bekanntheitsgrad der Beratungsstelle oder Hemmungen, diese in Anspruch zu nehmen, eine große Rolle. Personen, auf die der letztgenannte Gesichtspunkt zutrifft, sollten daher zunächst einmal die Gelegenheit haben, ihr Informationsdefizit über allgemein verständliche Aufklärungsbroschüren und Ratgeber zu decken. Um für eine möglichst große Verbreitung zu sorgen, müssen diese an jenen Stellen ausliegen, die pflegende Angehörige aufsuchen, d.h. bei Ärzten, in Krankenhäusern, Apotheken und in Sozial- und Gesundheitsämtern. „Die Lektüre kann ihn (den Angehörigen) informieren, vielleicht auch ermutigen oder motivieren, auch andere Formen der Hilfe zu suchen„ (Neumann, 1992, S. 170). Durch eine gute Vorinformation der Angehörigen – z.B. über die Demenzerkrankung – kann zudem die Beratungsarbeit professioneller Helfer wesentlich erleichtert werden, da – so die bisherigen Erfahrungen – „... wichtige und grundlegende Probleme schneller zur Sprache kommen„ (Bruder, 1998, S. 291). Neuere Forschungsergebnisse verweisen zudem darauf, daß es in bezug auf das Belastungserleben Unterschiede zwischen pflegenden Ehepartnern und pflegenden Kindern gibt (Adler et al., 1996), die eine getrennte Beratungsarbeit begründen. Diesbezüglich sind allerdings noch weitere Erfahrungen zu sammeln. „Daneben – so Neumann (1992) – sollten Beratungsstellen eine einzelfallorientierte Beratung anbieten, deren Grundlage eine Verhaltens- und Situationsanalyse sowie eine Bestandsaufnahme verfügbarer personeller und materieller Ressourcen bildet, die idealerweise vor Ort erhoben wird„ (S. 173).

Mehr psychosoziale Angebote für Angehörige: Von unschätzbarem Wert für pflegende Angehörige sind weiterhin Angebote der psychosozialen Stabilisierung. Bedeutsam sind diesbezüglich vor allem problementlastend wirkende Gespräche z.B. nach den Prinzipien und Techniken der psychologischen Gesprächsführung, die zwar von vielen gewünscht, jedoch bisher nur in sehr wenigen Fällen angeboten werden (Rückert, 1997).

„Pflegende Angehörige fühlen sich häufig isoliert, unverstanden und mit ihren Problemen alleingelassen. Allein die Tatsache, daß sie sich im Beratungsgespräch ihre Not, Ratlosigkeit und Ängste "von der Seele reden können", hat eine entlastende Wirkung. Sie brauchen jemanden, der sie in ihrem Trauerprozeß verständnisvoll begleitet. Und sie brauchen Raum und Ermutigung, um auch über negativ bewertete Gefühle wie Scham, Ungeduld, Unzulänglichkeitsgefühl, aggressive Impulse und den Wunsch, die Pflege zu beenden, sprechen zu können. ... Auch die Verminderung von Schuld- und Versagensgefühlen ist ein wesentlicher Aspekt in der psychosozialen Unterstützung der Pflegenden. ... Als Beratungsgrundsatz gilt, niemanden zur Aufnahme oder Weiterführung der häuslichen Pflege zu bewegen, der nicht wirklich dazu bereit ist" (Domdey 1997, S. 132f.).

Auch Selbsthilfegruppen pflegender Angehöriger können in hohem Maße zur psychosozialen Stabilisierung und Entlastung beitragen. Die Mitglieder einer solchen Gruppe können hier ihre Probleme und Sorgen sowie Gefühle von Schmerz und Trauer, aber auch die positiven Aspekte der Pflegetätigkeit besprechen, ihre Erfahrungen bei der Suche nach Lösungen austauschen und sich somit gegenseitig emotional stützen. Zur Erleichterung der Selbsthilfe bzw. zur Stärkung des Selbsthilfepotentials ist desgleichen zu empfehlen, unterschiedliche Hilfsangebote wie das „Alzheimer Telefon„ und Betreuungsbörsen – um nur zwei Beispiele anzuführen – auszubauen bzw. zu initiieren. Nicht zuletzt ist es unverzichtbar, Angehörigen Möglichkeiten der Entspannung und Ablenkung von der Pflegetätigkeit – z.B. durch Feste, Ausflüge und Urlaub - zu bieten.

Erhöhung der Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen: Entscheidend für eine höhere Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen wird einerseits die Überwindung der zahlreichen motivationalen (z.B. Selbstüberschätzung) und faktischen Barrieren (z.B. zu hohe Kosten, schwierige Erreichbarkeit) sein, die ihr entgegenstehen. Andererseits müssen Angehörige über die konzeptionellen Grundlagen, nach der eine Einrichtung arbeitet bzw. über ihre Zielsetzung gut informiert sein, denn nur so können unrealistische Erwartungen vermieden und eine spürbare Entlastung erfahren werden (Zank & Schacke, 1998). Unerläßlich ist es zudem, Angehörige in die Arbeit von Diensten und Einrichtungen miteinzubeziehen.

Bezogen auf ambulante Dienste, wie z.B. Sozialstationen, gilt es des weiteren zu beachten, daß die jahrzehntelang erfolgte Konzentration der Aufgabenwahrnehmung auf die nahezu ausschließliche Leistung von häuslicher Kranken- und Altenpflege zugunsten eines breiteren Verständnis von Unterstützung aufgebrochen werden muß (Bäcker, Heinze & Naegele 1995). Das Pflegepersonal muß als wichtige Ansprechpartner von Angehörigen beispielsweise bereit sein, beratend und emotional stützend zu wirken. Äußerst hilfreich zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten dürfte nicht zuletzt eine „Bring-Struktur„, d.h. das persönliche Zugehen auf die Angehörigen, sein.

Verbesserung der Aus-, Fort-und Weiterbildung professioneller Helfer: Noch immer scheinen einige Gruppen professioneller Helfer – in diesem Zusammenhang werden in erster Linie Ärzte und Pflegepersonal genannt – noch nicht ausreichend über geriatrische und gerontopsychiatrische Erkrankungen und über die Notwendigkeit der Angehörigenberatung informiert zu sein. Beide Aspekte müssen daher stärker in der Aus- Fort- und Weiterbildung Berücksichtigung finden, die allerdings von Ärzten und sonstigen professionellen Helfern auch wahrgenommen werden müssen. Neumann (1992) schreibt in diesem Zusammenhang: „Nur wenige (Angehörige) haben die Erfahrung gemacht, daß der behandelnde Arzt die richtige Diagnose stellt, ihnen den Krankheitsprozeß erläutert, gar Anleitung bei der Bewältigung der Alltagsprobleme gibt oder sie doch an kompetente Beratungsstellen verweist„ (S. 169).

Verbesserung der Kooperation und Kommunikation zwischen Berufsgruppen und Einrichtungen: Nach wie vor – so auch in dieser Untersuchung – wird häufig die mangelnde Kooperation und Kommunikation zwischen den an der Versorgung und Betreuung beteiligten Berufsgruppen bzw. den entsprechenden Einrichtungen beklagt. Diese gilt insbesondere für niedergelassene Ärzte und das Pflegepersonal der ambulanten und teilstationären Dienste und Einrichtungen. Eine bessere Zusammenarbeit könnte u.a. durch Abbau gegenseitiger Vorbehalte, eine gemeinsame Pflegeplanung und durch einen regelmäßigen Informationsaustausch erzielt werden (Schmidt, Kauss, Kühnert, Naegele & Schnabel, 1997). Eine verbesserte Kooperation und Kommunikation ist allerdings auch – und dies darf nicht übersehen werden - zwischen Angehörigen und Professionellen zwingend; ohne Zweifel bedarf es hier der Anstrengungen beider Seiten.

Stärkere Berücksichtigung dementiell Erkrankter in der Pflegeversicherung: Das Ziel der 1995 eingeführten gesetzlichen Pflegeversicherung (SGB XI) ist es, Pflegebedürftigen den möglichst langen Verbleib in der gewohnten häuslichen Umgebung zu gewährleisten. Die Pflegeversicherung richtet sich mit ihren Leistungen also vorrangig auf die häusliche Pflege und auf die Stützung der Pflegebereitschaft von Angehörigen und anderen informellen Pflegepersonen. Neben Geldleistungen ist die (auch zeitweilige) Entlastung der Angehörigen von zentraler Bedeutung. Ihr dienen solche Angebote wie ambulante Pflegeangebote durch Sozialstationen oder ambulante Pflegedienste sowie Angebote der Tages-, Kurzzeit- oder Nachtpflegeeinrichtungen. Da die Berechtigung zum Bezug von Leistungen aus der Pflegeversicherung insbesondere körperliche Einschränkungen voraussetzt, die die Ausübung von Aktivitäten des täglichen Lebens erschweren bzw. unmöglichen machen, werden vielen dementiell Erkrankten bzw. ihren Angehörigen Geld- und/oder Sachleistungen verwehrt. Notwendig ist - so auch die Meinung eines Teils der hier befragten Einrichtungen – den speziellen Hilfe- und Betreuungsbedarf in der Begutachtungspraxis des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse zu berücksichtigen, d.h. das Pflegeversicherungsgesetz auf den gerontopsychiatrischen Pflegebedarf auszuweiten.

Aber auch in bezug auf die Schulung und Beratung von pflegenden Angehörigen ist die Pflegeversicherung gefragt. Zwar ist mit ihrer Einführung der Pflegeversicherung beides zu einem wichtigen nun auch gesetzlich kodifiziertem Anliegen avanciert, dennoch nutzen nicht alle Pflegenden dieses Angebot. Um die Inanspruchnahme zu erhöhen, ist nicht nur die Betreuung des Demenzkranken während der Beratung erforderlich. Darüber hinaus sollte eine emotional entlastende Beratung bei Bedarf ohne zeitliche Befristung angeboten werden, „ ... und zwar auch in Einzelkontakten und in Form von Hausbesuchen„ (Bruder, 1998, S. 295).

Förderung des innerfamilialen Unterstützungsmilieus: Der wirkungsvollen Entlastung des hauptverantwortlich pflegenden Angehörigen könnte insgesamt ein „innerfamiliales Unterstützungsmilieu" dienen, das wiederum zur Überwindung der de-facto-Singularisierung der innerfamilialen Altenhilfe und -pflege beiträgt (Bundesministerium für Familie und Senioren, 1994). Dies setzt mit Blick auf die Mehrheit der pflegenden Töchter und Schwiegertöchter allerdings ein sehr viel stärkeres Engagement der Ehe-/Lebenspartner in der Pflege voraus. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, daß die zunehmende Erwerbsbeteiligung der Frauen durch eine komplementär wachsende Beteiligung der Männer an familialen Pflichten - die Pflege und Betreuung naher Angehöriger eingeschlossen - ausgeglichen wird. Diese wiederum erwächst nicht aus „Sonntagsreden", sondern kann sich nur auf der Grundlage solcher Regelungen entwickeln, die auch ein gleichberechtigtes und nachteilsfreies Mitwirken der männlichen Ehe-/Lebenspartner ermöglichen (z.B. Pflegeurlaub nach dem Muster des schwedischen Modells vom Elternurlaub).

Bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege: Zu den aktuellen Verpflichtungen der Politik gehört es, die zunehmende Doppel-, ja teilweise sogar Dreifachbelastung berufstätiger Pflegepersonen zu lindern bzw. zu überwinden. Keineswegs neu ist z.B. die Forderung nach Einführung eines Pflegeurlaubs oder nach mehr Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit und –ort (Deutscher Bundestag 1994). Die Pflegeversicherung hat immerhin dazu geführt, daß die durch die Übernahme der häuslichen Pflege entstehenden Sicherungslücken - zwar auch nicht vollständig - minimiert werden. So führen die Pflegekassen seit April 1995 für Pflegepersonen, die nicht erwerbsmäßig eine pflegebedürftige Person wenigstens 14 Stunden wöchentlich zu Hause pflegen, oder die wegen der Pflege nicht oder zumindest nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ab. Dabei richtet sich die Beitragshöhe nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit und dem sich daraus ergebenden Umfang an Pflegetätigkeit (§ 19 SGB XI).

Um die pflegebedingte vorzeitige Berufsaufgabe zu vermeiden bzw. um zu einer Teilentlastung von Angehörigen dementiell Erkrankter beizutragen, besteht aber auch in den Betrieben - d.h. vor allem auf Seiten der Tarifpartner – Handlungsbedarf (Reichert, 2000). Angebote wie Beratung und Information über pflegerelevante Fragen sowie Pflegeurlaub und Freistellungsregelungen – um nur drei Beispiele zu nennen – sollten dabei Teil eines Gesamtpaketes von zielgruppenübergreifenden Maßnahmen im Sinne einer betrieblichen Unterstützung für unterschiedliche familiale Bedarfssituationen sein, denn so könnte ihre Inanspruchnahme erheblich gesteigert werden (vgl. auch ausführlich Reichert & Naegele, 1997).

Mehr Grundlagen – und anwendungsbezogene Forschung: Zweifellos sind auch verstärkte Forschungsaktivitäten zu den Ursachen von dementiellen Erkrankungen notwendig. Gelingt es, die genauen Ursachen bzw. die Risikofaktoren zu ermitteln, so ist damit auch der Weg für präventive und therapeutische Maßnahmen geebnet. Im Bereich der anwendungsbezogenen Forschung ist hingegen der Schwerpunkt auf die Evaluation bzw. wissenschaftliche Begleitung der Tätigkeit von Diensten und Einrichtung zu legen. So gilt es beispielsweise im Hinblick auf Beratungsstellen die Vielzahl bislang vorliegender Erfahrungen wissenschaftlich aufzuarbeiten sowie die Zusammenhänge zwischen Art und Umfang der Beratung und Variablen wie z.B. Lebenszufriedenheit und Bewältigungsvermögen von Angehörigen zu analysieren.

Stärkere gesellschaftliche Anerkennung der Pflegetätigkeit von Demenzkranken: Durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit – hier ist die Politik ebenso gefordert wie die Pflegenden selbst – kann es gleichermaßen gelingen, auf die Belastungen und enormen Pflegeleistungen von Angehörigen dementiell Erkrankter, aber auch auf die positiven Seiten der Pflegeübernahme hinzuweisen. Eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung der Pflegetätigkeit fördert wiederum das Selbstbewußtsein der Betroffenen, Unterstützungsmaßnahmen selbstverständlicher in Anspruch zu nehmen bzw. diese einzufordern.

Verstärkte allgemeine Öffentlichkeitsarbeit zum Themenkreis „Dementielle Erkrankungen„: Nicht nur für Demenzkranke und für ihre Angehörigen, sondern auch für die Laienöffentlichkeit ist zunächst einmal eine intensive Aufklärung über alle Aspekte dementieller Erkrankungen (z.B. über Diagnose, Symptomatik, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten) von besonderer Wichtigkeit. Ein diesbezüglich fundiertes Wissen kann Berührungsängste mit dem Kranken und ihren Angehörigen sowie ihre häufig selbstgewählte Isolation vermeiden helfen, da beispielsweise ein größeres Verständnis für problematische Verhaltensweisen entwickelt und dem Demenzkranken mit Respekt und Achtung begegnet wird. Angehörige dürften allein schon dadurch eine große Entlastung verspüren.

Abschließend seien die Stuttgarter Forderungen zitiert, die anläßlich des 1. Deutschen Alzheimer-Kongresses formuliert worden sind. Sie fassen noch einmal thesenartig wichtige Maßnahmen zusammen, die notwendig sind, um die Situation von dementiell Erkrankten und ihren pflegenden Angehörigen positiv zu verändern.

Übersicht 2:

Stuttgarter Forderungen aufgestellt anläßlich des 1. Deutschen Alzheimer- Kongresses
zitiert nach Pro Alter, 1997)



  • Flächendeckende Angehörigenberatung und Angehörigengruppen; jeder pflegende Angehörige muß in weniger als 20 km Entfernung ein Beratungsangebot vorfinden.
  • Stärkere Förderung der Arbeit der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft und der über 30 regionalen Alzheimer-Gesellschaften.
  • Einrichtung von regionalen helplines als Notinformationssystem für akut beratungsbedürftige Angehörige sowie von Angehörigenbörsen zur Förderung des Austausches zwischen pflegenden Angehörigen.
  • Mehr Einrichtungen zur möglichst frühen Diagnostik von Demenzerkrankungen (Memory-Kliniken, Gedächtnissprechstunden).
  • Mehr Einrichtungen, die demenzbezogenes Wissen zur Verfügung stellen (Teilaufgabe von Gerontopsychiatrischen Zentren).
  • Mehr Alzheimer-Zentren als mehrgliedrige, gestufte Einrichtungen mit milieutherapeutischen Stationen für verhaltensgestörte Demenzkranke, mit Wohngruppen, Tagespflege, ambulantem Dienst und Angehörigenberatung.
  • Betreute Wohngemeinschaften mit familiärem Milieu für je 5 bis 7 leicht- bis mittelgradig Demenzkranke.
  • Stärkere Kooperation von Professionellen und Ehrenamtlichen, z.B. stundenweise Zusammenkünfte von Demenzkranken, Angehörigen oder ehrenamtlichen Betreuern sowie je einer Fachkraft.
  • Mehr demenzbezogenes Wissen in der Ausbildung.
  • Verbesserung der demenzbezogenen Kompetenz bei den Medizinischen Diensten der Krankenkassen und den Haus- und Allgemeinärzten.
  • Ausbau der Qualitätssicherung bei Pflege- und Betreuungsleistungen für Demenzkranke.
  • von der Pflegeversicherung für die Betreuung der 20% schwer Demenzkranken.
  • Stärkere öffentliche Förderung der Alzheimerforschung (insbesondere der Versorgungsforschung).



© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2001

Previous Page TOC Next Page