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TEILDOKUMENT:



2. Unterstützungsangebote für Angehörige von dementiell Erkrankten: Ein Überblick

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2.1 Allgemeine Bemerkungen

Bei der Betrachtung von Hilfsangeboten für Angehörige von dementiell erkrankten Personen scheint eine grobe Unterteilung in zwei Kategorien möglich. Zum einen lassen sich Angebote identifizieren, die auf die Beratung, Information und psychische Wohlbefinden von Angehörigen sowie auf die Vermittlung von weiteren Unterstützungsmaßnahmen abzielen. In eine zweite Kategorie können zum anderen Angebote eingeordnet werden, die eine konkrete Unterstützung bei der pflegerischen und medizinischen Versorgung sowie Betreuung der Erkrankten in den Mittelpunkt stellen und die damit eine unmittelbare zeitliche und physische Entlastung der betroffenen Angehörigen bieten. Orientiert an diesen Angebotsschwerpunkten und am „Leitfaden für die ambulante und teilstationäre gerontopsychiatrische Versorgung„ (Bundesministerium für Gesundheit, 1999) sollen im weiteren Angebotsformen kurz vorgestellt werden, die der Hilfestellung von Angehörigen dienen.

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2.2 Information/Beratung/Organisation von Hilfen

2.2.1 Angehörigenberatung

Die Angehörigenberatung von dementiell Erkrankten, die in der Bundesrepublik seit ca. 15 Jahren existiert, bildet zweifellos eines der wichtigsten Unterstützungsangebote. Nach Wilz, Schumacher, Machold, Gunzelmann und Adler (1998) sind in dieser Beratung die unterschiedlichsten methodischen Ansätze zu finden, in denen meist der Aspekt der Informationsvermittlung und konkreten Hilfestellung mit psychotherapeutischen Elementen kombiniert wird. Im einzelnen sollte die Angehörigenberatung nach Bruder (1998) idealerweise folgende Schwerpunkte haben (vgl. auch Neumann, 1992):

a) Klären, Informieren, Verständlichmachen. Gerade zu Beginn des Beratungsprozesses benötigen Angehörige von dementiell Erkrankten zunächst einmal vielfältige Informationen, die sich vor allem auf die Krankheit (z.B. diagnostische Möglichkeiten, Symptomatik, Verlaufscharakteristika, Behandlungsmöglichkeiten und pflegerische Strategien). Eine wichtige Aufgabe der Berater ist es daher, diesen Informationsbedarf zu decken. Denn nur eine genaue Kenntnis des Krankheitsbildes und ein Verständnis für die demenenzbedingten Symptome ermöglichen den „richtigen„ Umgang mit dem Betroffenen und eine Einschätzung seiner noch verbliebenen Fähigkeiten. Angehörige müssen darüber aufgeklärt sein,

„.... daß, die Demenz die Kraft nimmt, auf innere Affekte und Impulse, auch auf Wünsche und Phantasien steuernd und kontrollierend zu reagieren...., daß die Demenz die Fähigkeit zur aktiven Einfühlung in andere Menschen .... und damit auch zur Gestaltung von Beziehungen nimmt...., daß der Verlust von Gedächtnisinhalten auch das Wissen über die eigene Persönlichkeit betrifft und damit das Selbstbewußtsein tangiert, und daß – eng damit zusammenhängend – im Verlauf der Krankheit immer weniger Gedächtnisinhalte zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe das Selbstwertgefühl stabilisiert und sogar Stimmungen beeinflußt werden können .....„ (Bruder, 1998, S. 285 und 286)

Darüber hinaus benötigen Angehörige aber auch Aufklärung über existierende Hilfsangebote wie ambulante Pflegedienste, Tages- und Kurzzeitpflege, Urlaubs- und Kurangebote Selbsthilfegruppen und Alzheimer-Telefone, um nur einige Beispiele zu nennen. Weitere Bausteine der Beratungsarbeit können die Vermittlung dieser Dienste und Einrichtungen und Information über Kriterien zur Beurteilung ihrer Qualität sein. Unabdingbar für Angehörige ist nicht zuletzt auch das Wissen über Rechtsgrundlagen (z.B. Bundessozialhilfe-, Krankenkassen- und Pflegeversicherungsrecht).

b) Unterstützung bei der Akzeptanz der Defizite und der begleitenden Trauer: Trotz ihrer Informiertheit über das Krankheitsbild „Demenz„ haben Angehörige häufig weiterhin überhöhte Erwartungen an die Leistungsfähigkeit des Erkrankten, die nicht erfüllt werden können. Um Enttäuschungen und Konflikten vorzubeugen, sollte im Rahmen der Angehörigenarbeit „ ... behutsam auf die Wahrnehmung und Akzeptanz der Verluste hingearbeitet werden„ (Bruder, 1998), so daß ein „schrittweises Abschiednehmen„ möglich wird.

c) Unterstützende Auseinandersetzung mit Persönlichkeitsmerkmalen der beteiligten Menschen und mit ihren Beziehungen: Dieser Schwerpunkt der Angehörigenarbeit, der psychotherapeutischen Charakter hat, dient einerseits dazu, Verständnis für die demenzbedingte Instabilisierung der Persönlichkeit des Kranken beim Angehörigen zu wecken. Andererseits sollen aber auch Konflikte bearbeitet werden, die bedingt durch die Persönlichkeitsveränderungen des Kranken neu aufleben können. Um die Beziehung zwischen dem Betroffenen und seinen Angehörigen zu verbessern, ist die Beratung u.a. auf eine Klärung und ursächliche Zuschreibung der Konflikte gerichtet.

Im Hinblick auf pflegende Kinder von Demenzkranken kann schließlich auch die Verbesserung der Zieldimensionen von filialer Reife (Blenker, 1996) ein wichtiges Ziel der Angehörigenberatung sein. Pflegende sollen sowohl emotionale Autonomie, die Fähigkeit zu fürsorglich grenzziehendem Pflegeverhalten entwickeln als auch lernen, ihre Schuldgefühle besser zu kontrollieren (Bruder, 1988).

Um allen genannten Zielsetzungen gerecht zu werden und um die Angehörigenberatung erfolgreich durchzuführen, müssen nach Bruder die folgenden Leitlinien beachtet werden, an die an dieser Stelle jedoch nicht genauer eingegangen wird:

Übersicht 1: Leitlinien der Angehörigenberatung (Bruder, 1998, S. 277)

a) Methodische Gesichtspunkte

  • Gründliches Kennenlernen (Biographie, Beziehungsgeschichte, Motive für die Pflege
  • Erkennen der Belastungen
  • Beobachtung von Verhalten und Interaktionen der Beteiligten
  • Berücksichtigung des Zeitbedarfes für Beratung
  • Gemeinsame Suche nach Lösungen
  • Schulung der Wahrnehmung für kleine Veränderungen
  • Beachtung der Unterschiede zwischen ehelichen und intergenerationellen Pflegebeziehungen
  • Berücksichtigung der Alterseinstellung des Beraters
  • Berücksichtigung der beratungsimmanenten Parteinahme für Familienpflege
  • Beobachtung eigenen geistig-seelischen Funktionierens (und Versagens) zur Förderung des Verständnisses von Demenzkranken
  • Bewußtsein für (schwer definierbare) Grenzen zwischen Beratung und Psychotherapie herstellen

b) Allgemeine Ziele

  • Ausdruck des Belastungserlebens fördern
  • Ausdruck ambivalenter Gefühle zum Gepflegten anregen
  • Entlastung von Verpflichtung und normativem Druck
  • Anerkennung und Bestätigung, u.a. durch Verdeutlichung der Pflege-Effekte
  • Begleitung und Unterstützung innerer Umstellungsprozesse (Rollenwechsel, Umkehrung des Bedeutungs- und Machtgefälles
  • Förderung von Selbstwahrnehmung und Reflexion des Betreuungsverhaltens
  • Verbesserung der Bereitschaft, Hilfe in Anspruch zu nehmen
  • Erlebnis des glaubwürdigen Versuchs der Familienpflege ermöglichen
  • Bewahren der positiven Anteile der Beziehung


Für Angehörige gibt es vielfach die Möglichkeit, an Selbsthilfe- und Gesprächsgruppen teilzunehmen. Diese bieten ihnen vor allem emotionale Unterstützung, Erfahrungsaustausch und ein Ausbrechen aus der oftmals vorhandenen Isolation. Zentral ist hier die Erkenntnis, mit seinen Belastungen und Problemen nicht allein zu sein, sondern sie mit anderen Betroffenen teilen zu können. Die Entstehung und strukturelle Einbindung von Angehörigengruppen kann sehr unterschiedlich sein. So sind einige einer Institution oder Beratungsstelle angegliedert und werden professionell geleitet. Andere wiederum sind das Ergebnis von Aktivitäten eines Selbsthilfeverbandes wie der Deutschen Alzheimergesellschaft. Wichtige Voraussetzung für die Teilnahme an den Gruppenaktivitäten ist für viele Angehörige, daß der dementiell Erkrankte während dieser Zeit – z.B. durch professionelle Helfer - betreut wird. Dies ist in den meisten Fällen auch gegeben.

Bei vielen Initiativen tritt eine weitere, indirekte Form der Hilfe für Angehörige hinzu: Durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit wird mehr Aufmerksamkeit auf die Probleme Demenzkranker bzw. ihrer Angehöriger gerichtet. Ziel ist es nicht nur, auf gesellschaftlicher und politischer Ebene für mehr Verständnis für die Situation der Betroffenen zu werben, um ihnen damit eine gewisse Form der Entlastung zu schaffen. Darüber hinaus soll selbstverständlich auch auf die Notwendigkeit von unterstützenden Maßnahmen hingewiesen werden.

2.2.2 Ambulanter Gerontopsychiatrischer Dienst

„Der Ambulante Gerontopsychiatrische Dienst ist ein Basisdienst zur Abklärung der medizinischen, pflegerischen und psychosozialen Problemlagen (Assessment)„ (Bundesministerium für Gesundheit, 1999, S. 186). Ähnlich wie die Angehörigenberatung bietet dieser Dienst einerseits Informationen zum Krankheitsbild des Patienten und zum „richtigen„ Umgang mit ihm. Anderseits erfolgt auch eine Beratung dahingehend, wie Angehörige eigene psychischen und physischen Belastungen abbauen können und welche Hilfen sie diesbezüglich in Anspruch nehmen können. Durch die Methode des Case Managements und durch die Wahrnehmung von Vernetzungsaufgaben mit anderen Anbietern kann der gerontopsychiatrische Dienst wesentlich zur Organisation einer optimalen Betreuung des dementiell Erkrankten beitragen. Seinen Aufgaben kommt der gerontopsychiatrische Dienst mit Hilfe von multiprofessionellen Teams nach. Ein Zusammenspiel von Alten- und Krankenpflege, Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Gerontopsychiatrie ist kennzeichnend.

2.2.3 Gerontopsychiatrisches Zentrum (GZ) / Gerontopsychiatrische Ambulanz / Gedächtinssprechstunde

Die Betrachtung von drei Institutionen unter einem Gesichtspunkt ergibt sich aus der erwünschten oder tatsächlich vorhandenen Verknüpfung wichtiger Teilbereiche der gerontopsychiatrischen Versorgung. Gemäß des oben erwähnten Leitfadens „... spricht man von einem Gerontopsychiatrischen Zentrum (GZ), wenn in seinem Kernbestand eine teilstationäre Behandlungs- und Rehabilitationseinrichtung (Tagesklinik), ein ambulanter Dienst und eine Altenberatung einbezogen sind ... (Bundesministerium für Gesundheit, 1999, S. 167). Häufig ist diese Idealvorstellung noch nicht verwirklicht, d.h. es existieren nur einzelne Teilbereiche. Darüber hinaus sind bestehende gerontopsychiatrische Zentren mit gerontopsychiatrischen Abteilungen von Landeskrankenhäusern oder anderen Kliniken verbunden.

Im Rahmen der individuellen und Gruppenberatung von Angehörigen dementiell Erkrankter sollten gerontopsychiatrische Zentren insbesondere über folgende Themen informieren: Krankheitsbilder, deren Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten, die verschiedensten Aspekte der Betreuung und der Pflegeversicherung sowie über hilfreiche Dienste und Einrichtungen in der Region. Weitere Leistungen beziehen sich auf eine telefonische Beratung, Initiierung und Halten einer Telefonkette, die Bildung von kontinuierlichen Angehörigengruppen, die auch den Charakter einer Selbsthilfegruppe annehmen können, sowie auf die Fortbildungsmaßnahmen für Angehörige.

Gerontopsychiatrische Ambulanzen sind trotz der Namensähnlichkeit nicht identisch mit dem schon beschriebenen ambulanten gerontopsychiatrischen Dienst. So gelten erstgenannte als „ ... Dienst mit einer „Vor-Ort-Strategie„ mit vielfältigen Aufgaben verstanden, der durch ein Team (Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter, Krankenschwester/Altenpfleger) geleistet wird„ (Bundesministerium für Gesundheit, 1999, S. 139). Zu den Aufgaben einer gerontopsychiatrischen Ambulanz zählen in bezug auf Angehörige von Demenzkranken u.a.:

  • Gedächtnissprechstunde („Memory Clinic„, s.u.),

  • Vermittlung von psychosozialen Hilfen,

  • Beratung und Unterstützung von Angehörigen (Angehörigengruppe),

  • Unterstützung von Selbsthilfegruppen und Laienhelfern.

Gedächtnissprechstunden dienen einerseits der Früherkennung dementieller Erkrankungen. Andererseits erfolgt jedoch auch eine eingehende Beratung und Information von Angehörigen, die sich auf eine etwaige Erkrankung ebenso bezieht, wie auf damit einhergehende soziale und rechtliche Belange. Angehörigengruppen, Angebote zur Unterstützung und Entlastung bei bestehenden oder drohenden Krisensituationen, die Weitervermittlung an einschlägige Dienste, Einrichtungen und Selbsthilfeorganisationen sowie die stunden- oder tageweise Betreuung des Erkrankten, die vielen Angehörigen die Inanspruchnahme der Beratung erst möglich macht, runden die Leistungspalette ab.

Inwiefern die Gedächtnissprechstunde diesen Aufgaben gerecht werden kann, ist von ihrer institutionellen Anbindung ebenso abhängig wie von ihren Kooperationsbeziehungen mit Kliniken, Angehörigenselbsthilfegruppen (Alzheimergesellschaften) und anderen beratenden und betreuenden Institutionen (Tagespflegeeinrichtungen, Sozialstationen, Seniorenheimen usw.).

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2.3 Pflege, Versorgung und Betreuung

2.3.1 Niedergelassene Ärzte

Niedergelassene Ärzte – vor allem Hausärzte - sind oftmals die erste Anlaufstelle von Angehörigen dementiell Erkrankter. Sie geben idealerweise grundlegende Informationen über das Krankheitsbild, die Behandlungsmöglichkeiten und die Probleme, die mit der Pflege von Demenzkranken einhergehen können und sind ein wichtiger Ansprechpartner für Angehörige. Darüber hinaus wäre aber auch eine Beratung über Hilfsangebote bzw. ihre Vermittlung (z.B. Überweisung an die Gedächtnissprechstunde, Kontaktaufnahme mit gerontopsychiatrischen Ambulanzen etc.) wünschenswert. Niedergelassene Ärzte könnten bei entsprechender Aus- und Fortbildung Angehörigen im Sinne eines Case Managments hilfreich zur Seite stehen, wenn bei ihnen gerade in der ersten Phase der Krankheit die „Fäden„ zusammenlaufen würden.

2.3.2 Ambulante Pflegedienste (Sozialstationen)

Eine zumindest teilweise Entlastung von der oftmals erforderlichen „Rund um die Uhr Pflege„ von dementen Patienten bietet der ambulante Pflegedienst. Dieser aufsuchende Dienst führt im Rahmen der Kranken– und Altenpflege bestimmte Tätigkeiten aus, die Angehörige nicht leisten können oder wollen (z.B. Inkontinenzversorgung). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten nehmen bei Bedarf jedoch auch eine beratende Funktion ein, die sich auf unterschiedliche Aspekte der Pflege richten kann (z.B. auf Möglichkeiten der Inanspruchnahme weiterer Hilfen). Bedingt durch ihren, häufig täglichen, Kontakt mit den Angehörigen sind sie für viele auch eine wichtige emotionale Bezugsperson – dies gilt insbesondere für jene, die sonst von anderen, formellen und informellen Unterstützungsangeboten ausgeschlossen sind bzw. auf diese nicht zurückgreifen.

2.3.3 Gerontopsychiatrische Tages- und Nachtpflege

Geontopsychiatrische Tages- und Nachtpflegeinrichtungen sind Einrichtungen im Sinne der Pflegeversicherung. Sie dienen der Entlastung des familialen bzw. nachbarschaftlichen Hilfesystems, indem der dementiell Erkrankte tagsüber und/oder auch nachts therapeutisch betreut und versorgt wird. Angehörige haben somit die Möglichkeit, für eine bestimmte Zeitspanne eigenen Interessen – z.B. einer Berufstätigkeit – nachzugehen oder aber Schlaf und Erholung zu finden (Zank & Schacke, 1998; Freter, 1998). Neben der Entlastung von der Pflegetätigkeit bieten diese Einrichtungen auch andere Formen der Hilfe für Angehörige, so z.B. Schulung, Beratung und Information.

2.3.4 Kurzzeitpflege

Kurzzeitpflegeeinrichtungen stellen ein wichtiges Glied in der Versorgungskette der Altenhilfe dar, denn sie bieten eine zeitlich befristete vollstationäre Pflege. Angehörige haben z.B. bei eigener Krankheit, Überlastung oder bei Wunsch nach Urlaub die Gelegenheit, die medizinisch-pflegerische Versorgung der Demenzkranken in professionelle Hände zu legen. Um eine möglichst problemlose Rückkehr in das häusliche Umfeld zu gewährleisten, soll die Pflege in einer Kurzzeiteinrichtung den Lebenszusammenhang sowie die individuellen Besonderheiten und Gewohnheiten des Kranken berücksichtigen. Hierfür ist wiederum eine gute und intensive Zusammenarbeit mit den Angehörigen notwendig.

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2.4 Bedarf an Diensten und Einrichtungen aus Sicht der pflegenden Angehörigen

Nach dieser Beschreibung der unterschiedlichen Angebote sollen - dieses Kapitel abschließend - die Bedarfe und Wünsche, die Angehörige von dementiell Erkrankten selbst formulieren, dargelegt werden. Zunächst sei in diesem Zusammenhang auf eine schweizer Untersuchung verwiesen (Meier, Ermini-Fünfschilling, Monsch & Stähelin, 1999). Wie aus Tabelle 5 zu entnehmen ist, haben viele Angehörigen einen Bedarf an regelmäßiger Betreuung des Demenzkranken entweder während des Tages (55,6%) oder während der Ferien und/oder am Wochenende (43,1%). Aber auch für den Fall der eigenen Krankheit (19,4%) bzw. nachts (11,1%) möchte ein, wenn auch geringerer Teil der Pflegenden eine Versorgung und Betreuung des Kranken sichergestellt haben. Während zudem (mehr) Bedarf an ambulanten Diensten und an Angehörigengruppen von 37,5% bzw. 30,6% gesehen wird, wünschen sich schließlich „nur„ 20,8% therapeutische Angebote für den dementiell Erkankten.

Tabelle 5: Bedarf an Dienstleistungen von Pflegenden dementiell Erkrankter (Meier et al., 1999)

Dienstleistungen

in N

in %

Regelmäßige Betreuung des Patienten

- tagsüber

40

55,6

- nachts

8

11,1

- während Ferien des Angehörigen,
am Wochenende

31

43,1

- im Krankheitsfall des Angehörigen

14

19,4

Spitalexterne Dienste

27

37,5

Angehörigengruppe

22

30,6

Transportmöglichkeiten

7

9,7

Therapie für Patient
(Gedächtnistraining, Physio-/Ergotherapie)

15

20,8



Die Untersuchung von Gräßel hat in bezug auf Wünsche nach Unterstützungs- und Entlastungsmaßnahmen folgendes ergeben (vgl. auch Tabelle 6): Neben mehr Hilfen sowohl bei der Pflege als auch bei anderen Alltagsverrichtungen von Familienangehörigen, anderen Verwandten und Freuden, wünschen sich 22,6% der Angehörige dementiell Erkrankter (mehr) Unterstützung durch ambulante Pflegedienste. Ebenfalls ca. 22% würden (mehr) Tages- und Kurzzeitpflegeplätze (30%) aus entlastet empfinden. 23% sind zudem der Meinung, daß eine (stärkere) Schulung im Hinblick auf die Pflege hilfreich wäre, weitere 24% versprechen sich von einer pflegegerechten Umgestaltung der Wohnung eine Erleichterung. Weitere Wünsche von Angehörigen beziehen sich darüber hinaus auf eine verstärkte Aufklärung von Ärzten über dementielle Erkrankungen (22% bzw. 17%) sowie auf eine allgemein größere gesellschaftliche Anerkennung ihrer Betreuungs- und Pflegetätigkeit (33%). Nicht unerwähnt bleiben sollte schließlich der hohe Prozentsatz jener Personen, die (mehr) finanzielle Unterstützung und die rentenrechtliche Anerkennung der Pflegetätigkeit fordern. Diesbezüglich ist zwar einerseits zu beachten, daß zum Zeitpunkt der Befragung durch Gräßel (Oktober 1994 bis März 1995) die Pflegeversicherung noch nicht in Kraft getreten war. Andererseits dürfte dieser Wunsch nach wie vor von nicht unerheblicher Bedeutung sein (vgl. Gliederungspunkt 1.3).

Tabelle 6:

Relative Häufigkeit des Wunsches nach bestimmten Unterstützungs- /Entlastungsmaßnahmen von Angehörigen dementiell Erkrankter (in %, Mehrfachnennungen möglich) (Gräßel, 1998) -



Wunsch nach ....

in %

(mehr) Familien-Pflegehilfen 1)

47,6

(mehr) Familien-Alltagshilfen 2)

36,9

(mehr) ambulante Pflegehilfe 3)

22,6

(mehr) Tagespflege

22,0

(mehr) Kurzzeitpflege

30,3

(mehr) Pflegeschulung

23,0

(mehr) Pflegehilfsmittel/Wohngestaltung 4)

13,5/24,1

(mehr) finanzielle Zuschüsse

49,7

(mehr) Rentenansprüche

44,1

(mehr) Anerkennung der Pflege

33,6

(mehr) Hausarzt-Aufklärung

22,0

(mehr) Facharzt-Aufklärung

17,0

1) (mehr) Hilfe bei der Pflege durch Familienmitglieder, Verwandte, Freunde etc.
2) (mehr) Hilfe bei sonstigen Alltagsaufgaben durch Familienmitglieder, Verwandte, Freunde, etc.
3) (mehr) Hilfe bei der Pflege durch Sozialstationen etc.
4) die Wohnung (besser) für die Bedürfnisse der Pflege umgestalten können

Bei der Betrachtung dieser Ergebnisse darf allerdings nicht übersehen werden, daß häufig eine Diskrepanz zwischen der Formulierung von Bedarfen an Unterstützungsmaßnahmen, Diensten und Einrichtungen und ihrer faktischen Nutzung zu beobachten ist. Görgen, Krause und Nägele (1999) führen beispielsweise hierzu aus: „Einerseits wird der Wunsch nach mehr Gesprächsmöglichkeiten geäußert, andererseits werden vorhandene Gesprächskreise eher spärlich in Anspruch genommen„ (S. 9). Die Gründe, die für dieses Verhalten ausschlaggebend sein könnten, sind bereits unter Gliederungspunkt 1.4 angesprochen worden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2001

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