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1. Einleitung: Sozialpolitik - ein wichtiges, jedoch fragmentiertes Politikfeld

Sozialpolitik kann angesichts der hohen Zahl von Betroffenen wie auch aufgrund seiner ökonomischen Relevanz für Einzelne, Gruppen und die Gesellschaft insgesamt als ein wichtiges Politikfeld angesehen werden. In Deutschland nimmt nahezu die gesamte Bevölkerung in irgendeiner Weise Leistungen der Sozialpolitik in Anspruch: den Schutz der Gesetzlichen Krankenversicherung, Leistungen der Rentenversicherung, Nutzung kommunaler sozialer Dienste und Einrichtungen etc. Die Maßnahmen, Leistungen und Einrichtungen der Sozialpolitik beeinflussen damit sehr nachhaltig die individuellen Lebenslagen der Bürgerinnen und Bürger. Volkswirtschaftlich betrachtet machen diese Maßnahmen, Leistungen und Einrichtungen der Sozialpolitik rund ein Drittel des Sozialproduktes aus (vgl. Bäcker et al. 2000: 21).

Angesichts dieser Dimensionen stellt sich hieran die Frage, ob überhaupt von einem – mehr oder minder geschlossenen – Politikfeld „Sozialpolitik" ausgegangen werden kann. Zu unterschiedlich sind sowohl die sozialpolitischen Problemlagen als auch die Organisationen im politischen System oder in der Gesellschaft, die mit der Lösung dieser Problemlagen befasst sind. Zumindest ist sicherlich von einem hohen Grad der Fragmentierung im Politikfeld „Sozialpolitik" auszugehen. Erst durch weitergehende empirische Analysen wäre dann festzustellen, ob und in welchen organisatorischen Bereichen oder in welchen Problemfeldern Strukturen eines eigenständigen Politikfeldes „Sozialpolitik" auszumachen sind. Die Frage dazu lautet: Begreifen die Akteure, die in sozialpolitischen Politikprozessen involviert sind, Sozialpolitik als ein eigenständiges Politikfeld, oder nehmen sie einzelne Teilbereiche daraus, wie etwa Gesundheitspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Rentenpolitik etc., als eigenständige Politikfelder wahr? Gibt es Verbindungen zwischen diesen Akteuren, die zumindest in ihrer Selbstbeschreibung darauf schließen lassen, dass sie von einem eigenständigen Politikfeld der Sozialpolitik ausgehen? Wie nehmen andere Akteure dieses Politikfeld wahr (Fremdbeschreibung)?

Gerade für die Thematik der Politischen Kommunikation in der Sozialpolitik ist diese Fremdwahrnehmung bedeutsam, denn selbst dann, wenn ein Politikfeld „Sozialpolitik" aus Sicht der politischen Akteure bestünde und sich von anderen Politikfeldern abgrenzen ließe, bleibt offen, ob auch auf Seiten der Medien und der dort tätigen Journalistinnen und Journalisten von einer kompatiblen Wahrnehmung „des" oder „eines" Politikfeldes Sozialpolitik ausgegangen werden kann. Zunächst einmal ist auffällig, dass es ein Ressort oder selbst ein redaktionelles Teilgebiet „Sozialpolitik" in den allermeisten Medien nicht gibt. Sozialpolitische Themen und Angelegenheiten werden von (Innen-)Politikressorts wie auch von Wirtschaftsressorts bearbeitet. Einzelne Hinweise etwa auf politische Entscheidungen, die sozialpolitische Leistungsansprüche verändern, finden sich auch in Rubriken wie „Service" oder „Lebenshilfe". Weiterführende Debatten, etwa über die „Zukunft des Sozialstaates", sozialpolitische Leitbilder oder Begriffe wie soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit, werden darüber hinaus auch in den Feuilletons geführt. Ausgerechnet dort werden dann die einzelnen Teilpolitikfelder der Sozialpolitik wieder in einen globalen Diskurs zusammengeführt.

Neben dieser Fragmentierung des Politikfeldes auch in der massenmedialen Berichterstattung ist grundsätzlich darauf zu verweisen, dass sozialpolitische Probleme und Themen in sehr unterschiedlicher Weise eine Medienbeobachtung und -resonanz auszulösen vermögen. Themen wie etwa die Ausgestaltung der Rentenversicherung haben zwar einerseits weit reichende Auswirkungen auf breite Teile der Bevölkerung, sie sind andererseits aber hochkomplex und entsprechen wenig den massenmedialen Darstellungslogiken. Gerade bei der Berichterstattung über solche hochkomplexen Themenbe-

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reiche greifen Massenmedien daher auf Vereinfachungsmuster wie das der Personalisierung zurück: politische Konzepte werden einzelnen Politikerinnen und Politikern zugeordnet und in dualer Form vermittelt („Riester versus Merz", vormals „Blüm versus Dreßler").

Der Forschungsstand zur politischen Kommunikation in diesem speziellen, stark fragmentierten Politikfeld ist, und das dürfte den skizzierten empirisch feststellbaren Besonderheiten geschuldet sein, mehr als nur bescheiden: es fehlt schlicht an spezifischen Studien. Aufgrund dieser Situation möchten wir uns auf folgende engere Fragestellung konzentrieren: Wie lässt sich das Politikfeld Sozialpolitik als ein Handlungssystem beschreiben, in denen Politiker/innen und Journalist/innen interagieren?

Der Aufbau des Gutachtens erfolgt in drei Argumentationsschritten:

  1. Zum einen sollen die theoretischen Grundlagen der politischen Kommunikation in allgemeiner Form dargestellt werden (vgl. Abschnitt 2, S. 4). Dabei wird als theoretischer Rahmen ein interaktionistisches Modell verfolgt, wie es sich auch in anderen Studien zur politischen Kommunikation bewährt hat, insbesondere dort, wo wie in der Sozialpolitik keine „Feldstrukturen" ausgemacht werden können (vgl. Abschnitt 2.1, S.6). Der Oberbegriff der „Politischen Kommunikation" wird dann anhand der beteiligten Akteure in unterschiedliche Formen differenziert (vgl. Abschnitt 2.2, S. 13). Zum Ende des allgemeinen theoretischen Abschnitts wird dann die „Gegenseite" beleuchtet und danach gefragt, wie sich Medien differenzieren und welche Implikationen die redaktionellen Strukturen der Massenmedien für die allgemeine politische Berichterstattung haben (vgl. Abschnitt 2.3, S. 17).

  2. Zweitens werden aus einer politikwissenschaftlichen Sichtweise die bereits angesprochenen Besonderheiten des Politikfeldes „Sozialpolitik" aufgegriffen und theoretisch fundiert (vgl. Abschnitt 3, S. 24). Dabei wird zunächst der Begriff des „Politikfeldes" diskutiert und seine Verwendung in der Policy-Forschung dargestellt (vgl. Abschnitt 3.1, S. 24). Diese theoretischen Überlegungen dienen dann dazu, die Besonderheiten des Politikfeldes Sozialpolitik zu diskutieren: seine institutionelle Fragmentierung, die unterschiedlichen daran beteiligten Akteure etc. (vgl. Abschnitt 3.2, S. 26).

  3. Drittens werden verschiedene Zugangswege für die notwendige empirische Forschungen dargestellt (vgl. Abschnitt 4, S. 31). Neben einer an den Akteuren orientierten Netzwerkanalyse (vgl. Abschnitt 4.1, S. 31) sind hier auch komplexere Deutungswandelanalysen von Interesse, die in den letzten Jahren in der Policy-Analyse an Bedeutung gewonnen haben (vgl. Abschnitt 4.2, S. 32).

Ziel des Gutachtens ist es nicht – und kann es angesichts der Komplexität des Themas auch nicht sein – die Politische Kommunikation in der Sozialpolitik vollständig abzudecken. Vielmehr sollen eine Grundlage geliefert und Fragen gestellt werden, die dann in dem von der Friedrich-Ebert-Stiftung geplanten Fachgespräch mit Sozialpolitiker/innen und Journalist/innen evaluiert und ggf. weiterentwickelt werden können. Die Konklusion (S. 35) fasst unsere Überlegungen hierzu zusammen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2001

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