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Vorbemerkung

Der Islam ist neben den beiden christlichen Konfessionen zur drittgrößten Religion in Deutschland geworden. Lange haben wir ignoriert, daß in den vergangenen Jahrzehnten Menschen nach Deutschland eingewandert sind, die aus Ländern mit einer islamischen Tradition stammen. Es zeigt sich, daß auch in unserer als säkularisiert bezeichneten Gesellschaft nach wie vor religiöse Bindungen und religiöse Gefühle einen nicht unerheblichen Einfluß auf Lebensperspektiven und Lebensgestaltung haben. Für viele Einwandererfamilien, und auch für viele der hier aufgewachsenen Kinder und Jugendlichen, stellt die Religion einen Anker dar, um in einer oftmals als unübersichtlich und nach wie vor als fremd erlebten Umwelt die eigene Identität und die Kontinuität der Familiengeschichte zu sichern.

Niemand stellt ernsthaft das in unserem Grundgesetz verankerte Prinzip der Religionsfreiheit in Frage. Solange Religion Privatangelegenheit bleibt und im stillen Kämmerlein praktiziert wird, bleibt sie unproblematisch und wird zumindest geduldet. Zu Konflikten und Auseinandersetzungen kommt es jedoch häufig, wenn der Islam sowie seine Institutionen und Verbände in die Öffentlichkeit treten. Der Bau von repräsentativen Moscheen, „kopftuchtragende" Lehrerinnen und die Einrichtung von muslimischen Friedhöfen sind nur einige Beispiele hierfür. Bei diesen Konflikten zeigt sich aber auch, wie schwierig es ist, die Grenzen der Akzeptanz und der Toleranz zu bestimmen, da oftmals unterschiedliche Grundwerte gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Verständigung über den für das friedliche Zusammenleben notwendigen Basiskonsens und dessen Weiterentwicklung in einer multikulturellen Gesellschaft ist eine Herausforderung für uns alle.

Für Muslime stellt sich die schwierige Aufgabe, ein Verständnis des Islam zu entwickeln, das mit dem Leben in westlichen Einwanderungsgesellschaften vereinbar ist. Der Islam ist in unserer Gesellschaft ein Orientierungsrahmen unter vielen anderen. Er steht in Konkurrenz zu anderern religiösen und weltanschaulichen Grundüberzeugungen. Dies ist eine vollkommen andere Situation als in den Herkunftsländern der Migranten, in denen es entweder keine Trennung von Religion und Staat gibt, der Islam Staatsreligion oder zumindest die Glaubensrichtung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung ist.

Hinzu kommt, daß es eine Vielzahl unterschiedlicher Vereine und Organisationen der Muslime in Deutschland gibt. Diese wiederum haben sich zu großen Dachorganisationen zusammengeschlossen. Offen ist nach wie vor die Frage, wer legitimiert ist, für die Muslime in ihrer Gesamtheit zu sprechen. Darüber hinaus zeigt sich, daß bei einigen Vereinen neben der Durchsetzung von religiösen Interessen auch politische Ambitionen und Absichten bestehen. Es existieren ideologische und organisatorische Verbindungen zu politischen Strömungen und Parteien in den Herkunftsländern.

Die hier vorgelegte Expertise von Dr. Thomas Lemmen gibt einen Überblick über Entstehungsgeschichte, Organisationsform und religiöse und politische Orientierungen verschiedener islamischer Vereine und Organisationen. Wir hoffen, daß sie hilft, einen differenzierten Blick auf die vielfältige islamische Vereinslandschaft in Deutschland zu ermöglichen und als Grundlage für eine sachliche Diskussion dienen kann.

Dr. Ursula Mehrländer
Leiterin des Gesprächskreises
Arbeit und Soziales

Günther Schultze
Referent für Migrationspolitik

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