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Ottmar Schreiner
Ökologische Steuerreform und Beschäftigung


Ich möchte zur Einführung in das Thema einen knappen Überblick zum Diskussionsstand in der SPD und ihrer Bundestagsfraktion geben. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß bereits Anfang 1990 eine ökologischsoziale Steuerreform das Leitmotiv des Entwurfs für ein sozialdemokratisches Regierungsprogramm war. Im Mittelpunkt des Umbaukonzeptes stand die ökologisch motivierte stärkere Besteuerung des Energieverbrauchs. Über eine „sozial verträgliche Preispolitik" sollten marktwirtschaftliche Anreize zum Einsparen und zur höheren Ausnutzung von Energie gesetzt werden. Ein Teil der erwarteten Zusatzeinnahmen sollte zur Förderung energiesparender Maßnahmen eingebracht werden. Zum anderen war beabsichtigt, die soziale Akzeptanz des Projekts durch eine Absenkung der Lohn- und Einkommensteuer sowie entsprechender sozialer Ausgleichsmaßnahmen für davon nicht betroffene Gruppen sicherzustellen. Umfragen zufolge fand das Reformvorhaben in der westdeutschen Bevölkerung eine durchaus positive Resonanz. Der rasche Einigungsprozeß verdrängte das Thema und führte noch im ersten gesamtdeutschen Wahlkampf 1990 verständlicherweise zu einem ganz anderen politischen Prioritätenkatalog. Die Gestaltungsprobleme der deutschen Einheit drängten die „ökologisch-soziale Steuerreform" auch in den Folgejahren fast völlig an den Rand der politischen Überlegungen. Zu Unrecht, wie ich meine, denn im SPD-Regierungsprogramm '90 hieß es immerhin: „Der ökologische Umbau der Industriegesellschaft, die ökologische Ausrichtung der sozialen Marktwirtschaft ist das herausragende politische Ziel des nächsten Jahrhunderts."

Der im Auftrag von Greenpeace erfolgten Studie des DIW „Ökosteuer -Sackgasse oder Königsweg" kommt - bei allen Meinungsunterschieden in Einzelaspekten - der grundsätzliche Verdienst zu, die Diskussion neu belebt zu haben. Kaum zu bestreiten ist, daß der ökologische Umbau der Industriegesellschaft dringlicher denn je ist. Ich meine allerdings, daß angesichts zahlreicher durchgreifender Veränderungen in den letzten Jahren die gesellschaftliche Akzeptanz eher brüchiger geworden ist. So hat die anhaltende und in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands tiefste Be-

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schäftigungskrise dazu geführt, daß seit Jahren bei allen Meinungsumfragen die Sorge um den Arbeitsplatz an oberster Stelle rangiert. Eine ökologisch begründete Strukturreform des herkömmlichen Steuer- und Abgabensystems ist um so plausibler, je leichter der Nachweis möglich ist, daß damit gleichzeitig positive Beschäftigungsaspekte erzielt werden können. Eine Verteuerung der Energiepreise hat auch zu berücksichtigen, daß wir vor allem aufgrund einigungsbedingter Transferleistungen einen historischen Höchststand bei der Steuer- und Abgabenquote erreicht haben. Im Bereich der Renten- und Pflegeversicherung ist in den nächsten Jahren ein weiterer Anstieg der jeweiligen Sozialversicherungsbeiträge absehbar. Zu berücksichtigen ist schließlich, daß sich auch die Rahmenbedingungen des internationalen Wettbewerbs nachdrücklich verändert haben. Die bekannten Stichworte lauten: Globalisierung von Produktion und Markt, europäischer Binnenmarkt, extrem niedrige Arbeitskosten in den Ländern Mittel- und Osteuropas.

Ich möchte mit diesen knappen Hinweisen nur darauf aufmerksam machen, daß m.E. eine ..idealtypische'' Ökosteuer keinerlei Realisierungschance hätte. Es kommt vielmehr darauf an, einen „integrierten" Ansatz zu finden, der die ökologischen, sozialen und ökonomischen Interessen in ein schlüssiges Konzept zusammenführt.

Die aktuelle Diskussion vor allem in der SPD-Bundestagsfraktion dreht sich dann auch um die Frage der „aufkommensneutralen" Gestaltung einer ökologisch-sozialen Steuer- und Abgabenreform. Die Argumente vor allem der Umweltpolitiker: eine Erhöhung der Energiepreise erzielt nur dann die überfälligen ökologischen Lenkungseffekte, wenn ein guter Teil des steuerlichen Mehraufkommens zur Finanzierung öffentlicher Infrastrukturinvestitionen eingesetzt wird. Nur das Zusammenwirken von Preiskorrekturen und einer ökologisch motivierten aktiven staatlichen Industrie-und Verkehrspolitik bewirkt die notwendige ökologische Umsteuerung. Die Kombination beider Aspekte ist auch mittelfristig einkommensneutral, da das Konzept anderen Ansätzen auch beschäftigungspolitisch überlegen ist. Vor allem die aktive staatliche Rahmengebung führt zu Beschäftigungsschüben, die dann ihrerseits eine Absenkung vor allem der Beiträge in der Arbeitslosenversicherung ermöglichen.

Die Gegenposition läßt sich so zusammenfassen: Angesichts der hohen Steuer- und Abgabenquote sowie der anhaltenden Standortdebatte ist eine

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ökologisch-soziale Steuer- und Abgabenreform nur dann in der Bevölkerung mehrheitsfähig, wenn zumindest für eine erste mehrjährige Phase klargestellt ist, daß eine Erhöhung der Staatseinnahmen nicht infrage kommt. Die über eine Energieverteuerung erzielten zusätzlichen Einnahmen sollen per Saldo in gleicher Höhe an Wirtschaft und Verbraucher zurückgegeben werden. Die schrittweise und auf mittlere Sicht fest kalkulierte Erhöhung der Energiepreise erzeugt sehr wohl ökologische Lenkungseffekte, da vor allem auf die Anbieter energieintensiver Produkte ein nachhaltiger Druck auf energieeinsparende Aktivitäten ausgeübt wird. Die höheren Energiekosten sollen durch eine Absenkung der Arbeitskosten, insbesondere durch eine Absenkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ausgeglichen werden. Die hälftige Finanzierung der Sozialversicherung durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge bleibt unberührt. Dadurch entstehen auch positive Beschäftigungseffekte, da eine tendenzielle Verlagerung des Kosten- und Rationalisierungsdrucks vom Faktor Arbeit auf den Faktor Energie stattfindet.

Die Kompensation höherer Energiepreise durch eine entsprechende Absenkung der Arbeitslosen-versicherungsbeiträge läßt sich gut begründen. Seit Inkrafttreten des Arbeitsförderungsgesetzes im Jahr 1969 ist strittig, ob die staatliche Arbeitsmarktpolitik primär eine Angelegenheit der Beitragszahler der Bundesanstalt für Arbeit oder ob sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von allen Steuerbürgern zu finanzieren ist. Die von der SPD seit Jahren aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit geforderte Arbeitsmarktabgabe für Beamte und Selbständige kann dann zu den Akten gelegt werden, da über höhere Energiepreise alle Bürger an der Finanzierung beteiligt wären. Sonderprobleme entstehen allerdings bei einzelnen gesellschaftlichen Gruppen, die von einer Absenkung der Lohnnebenkosten weder direkt noch indirekt profitieren.

Der Einwand liegt auf der Hand, daß die vorgeschlagene Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik zu völlig ungewollten Ergebnissen führt, da die Finanzierung unmittelbar abhängig wäre von der Lenkungswirkung einer Öko-Steuer. Zugespitzt formuliert: Wenn die Öko-Steuer hohe Erträge bringt, taugt sie zwar als arbeitsmarktpolitisches Finanzierungsinstrument, verfehlt aber ihren eigentlichen Zweck als ökologisches Steuerungsinstrument. Und umgekehrt: Verringert sich das Aufkommen durch steuerliche Lenkungswirkungen, läuft dann nicht die Arbeitsmarktpolitik Ge-

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fahr, sich finanziell völlig in die „Gefangenschaft der Öko-Steuer" zu begeben und letztlich in der Luft zu hängen? Eine solche Argumentation vergißt zunächst, daß das AFG-Reformkonzept der SPD-Bundestagsfraktion einen gesetzlich fixierten Regelmechanismus vorsieht, der sicherstellen soll, daß die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit mehrheitlich in die aktive Arbeitsmarktpolitik fließen. Dazu bedarf es eines höheren Bundeszuschusses. Die Umstellung der Finanzierung auf Öko-Steuer hätte diesem Konzept zufolge keine Auswirkungen auf die Höhe des Bundeszuschusses, die als durch den Regelmechanismus vorausgesetzt gilt. Der Lenkungseffekt hätte natürlich Auswirkungen auf die Höhe des Steueraufkommens. Ich vermute, daß eine preisliche Neubewertung von Energie und Arbeit, noch dazu in bescheidenem Umfang, zunächst kaum ökologische Lenkungswirkungen erzeugt.

Die Erhöhung des Mineralölpreises in den letzten Jahren hat z.B. - soweit mir bekannt - nicht oder nur unmerklich zu einem verringerten Fahrverhalten geführt. Dann wäre das zusätzliche Steueraufkommen also recht gut abschätzbar. Auf mittlere oder längere Sicht käme es gleichwohl zu spürbaren Lenkungseffekten und damit auch zu geringeren Steuer-einnahmen, da sich m.E. sowohl die Anbieter wie der Verbraucher von energieintensiven Produkten bei berechenbar steigenden Energiekosten umorientieren würden. Entscheidend ist, daß zwischen den Steuermehreinnahmen und der Absenkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ein äquivalenter Zusammenhang hergestellt wird.

Das von der SPD-Bundestagsfraktion mittlerweile beschlossene Konzept trägt den dargestellten Anforderungen Rechnung. Die Kernbestandteile sind eine Stromsparsteuer als Ersatz des wegfallenden Kohlepfennigs und die Anhebung der Kraft- und Heizstoffsteuern, verbunden mit der Absenkung des Arbeitslosenversicherungs-Beitrags um 2 Prozentpunkte. Darüber hinausgehende Mehreinnahmen aus der Energiebesteuerung sollen durch eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer zurückgegeben werden. Diese Kernbestandteile werden in einem mehrjährigen Verfahren schrittweise umgesetzt, mit dem der Lenkungseffekt einer wirklichen Verringerung des Energieverbrauchs und der Umweltbelastungen sichergestellt wird und kontraproduktiven wirtschaftlichen Reaktionen (Standortverlagerungen ins Ausland) vorgebeugt wird. Sie gehen einher mit weiteren Umbaumaßnahmen im Steuersystem, die umweltschädliche Subven-

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tionen zugunsten steuerlicher Förderung von Umwelt- und Klimaschutzinvestitionen. Damit soll auch privates Kapital mobilisiert werden, um bei umweltgerechten Zukunfts-technologien die Markteinführung neuer Produkte zu erleichtern und so zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.

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