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Christoph Butterwegge
Migrant(inn)en und Massenmedien


Um erklären zu können, warum es im vereinten Deutschland zu einer Rechtsentwicklung gekommen ist, muß man die Medien genauer betrachten, welche als Bindeglieder zwischen dem institutionellen (strukturellen, staatlichen), dem intellektuellen (pseudowissenschaftlichen) und dem individuellen bzw. Alltagsrassismus dienen. Die Massenmedien sind - auch in bezug auf den Rassismus - als eine Art vierte Gewalt zu betrachten, weil sie nicht nur enormen Einfluß auf die herrschenden Diskurse, das Denken, die Einstellungen und das Verhalten vieler Menschen haben, sondern auch die politische Kultur mit gestalten (vgl. Jäger/Link 1993, S. 12). In diesem Sinne wäre von einer Scharnierfunktion zu sprechen: Sondergesetze für und staatliche Willkürmaßnahmen gegen Ausländer/innen, die man „institutionellen Rassismus" nennen kann, werden deutschen „Normalbürgern" durch Massenmedien bekannt und zur Bestätigung eigener Klischeevorstellungen über Ausländer heranziehbar. Umgekehrt bedient sich der Staat bei seinen Bürger(inne)n vorhandener und durch die Medien weiterverbreiteter Ressentiments gegenüber Ausländern, um diese strukturell benachteiligen zu können. Schließlich erhält pseudowissenschaftlich drapierter Rassismus durch Medien ein öffentliches Forum, das seine Massenwirksamkeit erklärt, ganz egal, ob es sich dabei um Resultate der Kulturanthropologie, Ethnologie und Soziobiologie oder um die Ideologeme eines modernisierten Rechtsextremismus, wie etwa den „Ethnopluralismus", handelt.

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1. Die Medien als Sozialisationsinstanz, Vermittler und Verstärker von (Kultur-)Rassismus

Auf dem Feld der frühkindlichen Sozialisation sind die modernen Kommunikationsmedien, ganz besonders das Fernsehen, schon seit längerer Zeit auf dem Vormarsch: Da berufstätigen Eltern infolge ihrer Doppelbelastung, fast ständig steigenden Leistungsdrucks sowie des zunehmenden Verdrängungswettbewerbs auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt ten-

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denziell immer weniger Zeit zur Kinderbetreuung bleibt, erfüllen die Medien im Leben der nachwachsenden Generationen neben ihren Unterhaltungs- längst auch Bildungs- und Erziehungsaufgaben.

Innerhalb der sehr vielfältigen Medienlandschaft muß zwischen Organen verschiedener Richtung differenziert werden, um keine Pauschalurteile zu fällen, sondern der Wirklichkeit, die äußerst komplex ist, Rechnung zu tragen. Der britische Soziologe Stuart Hall unterscheidet zwischen „explizitem" und „implizitem" Rassismus in den Medien, je nachdem, ob die Sachargumente der extremen Rechten offen propagiert oder ob (kultur)rassistische Prämissen der Anthropologie, Ethnologie, Psycho- und Soziobiologie als nicht mehr zu hinterfragende Prinzipien in die Darstellung eingehen. Die (neu)rechte Publizistik, deren Einfluß in letzter Zeit zunimmt, aber auch etablierte Informationsmedien und Multiplikator(inn)en transportieren solche Ideologien in die Köpfe der Bürger/innen hinein - häufig genug, ohne sich dessen bewußt zu sein. Hall (1989, S. 155f.) nennt als Beispiel dafür ein liberales „Problem"-Fernsehen, das die steigende Zahl der Flüchtlinge als Ursache der Schwierigkeiten ansieht und zum Ausgangspunkt seiner Diskussion über mögliche Lösungsansätze macht.

Bekannte Verhaltensforscher wie Konrad Lorenz und sein Schüler Irenäus Eibl-Eibesfeldt leiten die Fremdenfurcht und Gewalt aus Triebregungen ab, die sie in der Tierwelt beobachten, und die Medien bieten ihnen gern ein Forum, über das sie ihre Auffassungen verbreiten können. Beispielsweise schrieb der Humanethnologe Eibl-Eibesfeldt nach pogromartigen Übergriffen gegen ausländische Flüchtlinge im Wochenendmagazin der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: „So wie viele höhere Wirbeltiere Revierfremde als Eindringlinge vertreiben, so reagieren auch wir Menschen auf Zuwanderer in ein bereits besetztes Gebiet mit archaischen Abwehrreaktionen." [Fn 1: Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Fremdenfurcht und Ausgrenzung, in: Süddeutsche Zeitung (Magazin) vom 7.2.1992.] Die wirksamen Mechanismen der Abgrenzung, argumentierte Eibl-Eibesfeldt in einem weiteren Zeitungsartikel, seien als genetisches Programm in uns angelegt und würden kulturell abgesichert: „So manifestiert sich die Fremdenscheu (Xenophobie) bereits sehr früh in der Kin-

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desentwicklung und in allen Kulturen, die wir kennen, in prinzipiell gleicher Weise." [Fn 2: Ders.: Der Brand in unserem Haus. Asyl und Immigration, in: SZ am Wochenende vom 8./9.5.1993.]

Dieter E. Zimmer berief sich auf Eibl-Eibesfeldt, als er in einer Artikelserie der ZEIT von einem „Urmißtrauen gegen Fremde" und einer „Stimme aus der Vorvergangenheit" spekulierte, die seiner Meinung nach fremdenfeindliche Gewalttäter veranlaßt, sich über ihre Erziehung, gesellschaftliche Normen und staatliche Verbote hinwegzusetzen: „Es ist, als liege in den Menschen ständig etwas auf der Lauer." [Fn 3: Dieter E. Zimmer: Die Angst vor dem Anderen, in: Die Zeit vom 9.7.1993.] Gleichzeitig wird die Ethnizität/Nationalität zu einem der Humanität vorausgehenden und übergeordneten Funktionsprinzip des menschlichen Zusammenlebens hochstilisiert: „Der eigenen Ethnizität entgeht niemand. Sie ist das, was jeder Mensch auf der Welt versteht und erwartet." [Fn 4: Ders.: Wer ist das Volk?, in: Die Zeit vom 23.7.1993.]

Ethnologie und Soziobiologie übertragen das Verhalten von Tieren kurzerhand auf die Menschen und das „Fremdeln" sechs bis acht Monate alter Säuglinge auf die Erwachsenen. Mittels solch gewagter Analogieschlüsse wird der Rassismus zur „Normalität" erklärt, obwohl es im Tierreich überhaupt nichts Vergleichbares gibt. Bewußt übersehen wird, daß Menschen die Möglichkeit haben, mit ihren Aggressionen rational umzugehen. Besäßen sie einen „Territorial-" oder „Revierverteidigungstrieb", wäre dieser sozial, kulturell und politisch gebrochen,

Der Bielefelder Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer wies daher in seiner Antwort den Terminus „Pferchungstoleranz" und die hiermit verbundene Vorstellung, eine bestimmte Höchstzahl zuwandernder Fremder dürfe nicht überschritten werden, zurück: „Danach müßte etwa in Frankfurt (am Main, Ch.B.) mit 25% Ausländern bereits 'Krieg' herrschen, während in Ostdeutschland bei einem Prozent eitel Friede sein müßte." [Fn 5: Wilhelm Heitmeyer: Gefährliche Botschaft, in: Die Zeit vom 13.8.1993.] Fremdenfurcht und Ausländerfeindlichkeit erscheinen zu Unrecht als „natürlich", angeboren und genetisch bedingt. So werden rassistische Gewalttaten nicht erklärt, vielmehr verharmlost, beschönigt und entschuldigt.

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1.1 Wie die Migrant(inn)en zu „Fremden" gemacht werden: Ausländer/innen, Zuwanderer und Flüchtlinge in deutschen Medien

Die Medienöffentlichkeit prägt das Massenbewußtsein und beeinflußt so die Entstehung/Entwicklung des Alltagsrassismus. Sie filtert für die individuelle Meinungsbildung wichtige Informationen und beeinflußt auf diese Weise das Bewußtsein der Menschen, für die sich Realität zunehmend über die Rezeption von Medien erschließt. Während beispielsweise die Berichterstattung über Fluchtursachen und deren Hintergründe (von der ungerechten Weltwirtschaftsordnung und Ausbeutungspraktiken industrieller Großkonzerne über den Öko-Kolonialismus bis zu den Waffenexporten „unserer" Rüstungsindustrie) mehr als defizitär zu nennen ist, behandeln Reportagen aus der sogenannten Dritten Welt überwiegend Kriege und Bürgerkriege, Natur- und Technokatastrophen, Palastrevolutionen und Militärputsche, wodurch das Vorurteil scheinbar bestätigt wird, daß „die Afrikaner", „die Asiaten" und „die Südamerikaner" zwar Nutznießer der westlichen Zivilisation und modernster Technologien, aber zur demokratischen Selbstverwaltung unfähig sind. Bedient wird primär das Dominanzgefühl verhinderter Kolonialherren.

In der Werbung wiederum wechseln Exotik und Elendsästhetik, romantische Wunschbilder und Horrorszenen ab (vgl. Baringhorst 1993). Die deutschen Massenmedien reproduzieren den Euro- bzw. Ethnozentrismus, und sie transportieren Ressentiments gegenüber „den Anderen". Bernhard Claussen (1990, S. 140) gelangt im Rahmen seiner Analyse der Vermittlung gängiger Vorstellungen über fremde Völker, Nationen und Kontinente zu dem Schluß, „daß die Mehrzahl der Massenmedien mit breiter Streuung von Klischees, Stereotypen und Vorurteilen bis hin zu ausgesprochenen und unausgesprochenen Feindbildern auf ethnozentrischer Basis durchsetzt sind."

Über die ca. sieben Millionen Ausländer/innen in der Bundesrepublik berichten die deutschen Medien ähnlich, wie sie über das Ausland berichten, also nur im Ausnahmefall, der spektakulär sein und katastrophische Züge tragen sollte. Dadurch werden Ausländer mit Unordnung, Gewalt und Chaos in Verbindung gebracht (vgl. Tsapanos 1993, S. 94).

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Bewohner(inne)n Mitteleuropas müßte im Zeitalter der modernen Informations-. Kommunikations- und Transporttechnologien sowie des weltweiten Massentourismus keine Kultur mehr fremd sein. Und doch gelten ganz bestimmte Gruppen von Ausländern als „Fremde", wohingegen andere gerngesehene Gäste sind. Diese im Alltagsbewußtsein der Bundesbürger ausgebildete Hierarchie zementieren die Medien durch die Art und Weise, wie sie über Ausländer/innen, Flüchtlinge und Zuwanderer berichten. So läßt die Inhaltsanalyse der Tagespresse erkennen, daß Journalist(inn)en deutlich zwischen verschiedenen Gruppen differenzieren. Akzeptiert, wenn nicht gar hofiert werden Ausländer, die sich als Touristen, Künstler oder Sportler in der Bundesrepublik aufhalten. Anders fällt die Beurteilung aus, sofern Ausländer hier arbeiten oder gar Asyl suchen (vgl. Merten u.a. 1986, S. 106). Dieser Dualismus ist in der Lokal- und der Boulevardpresse stärker ausgeprägt, weil beide das „Ausländerproblem" oft mit einer Gefährdung der Inneren Sicherheit und angeblich drohender „Übervölkerung" in Verbindung bringen.

Ein Deutscher, der die Lokalpresse liest, erfährt wenig Positives über Ausländer/innen. Mord und Totschlag, Raub und (Asyl-)Betrug sind typische Delikte, über die ausführlich berichtet wird. Ein angelsächsisches Bonmot über Nachrichten („Only bad news are good news") abwandelnd, könnte man sagen: Nur böse Ausländer sind gute Ausländer. Ralph Weiß (1994, S. 485) spricht von einer „Tendenz zum Negativismus", die sich durch fast alle medialen Darstellungen hindurchziehe: „Das negative Stereotyp 'Ausländer verursachen Probleme' dürfte die Wahrnehmung der sozialen Realität durch Teile der Bürgerschaft vor allem dann prägen, wenn die von ihnen genutzten Medien ein weitgehend übereinstimmendes Bild zeichnen und es zudem auf die vorderen Plätze der öffentlichen Aufmerksamkeit schieben."

Manchmal werden auch die Vorteile des Zusammenlebens mit Ausländer(inne)n geschildert, sieht man darin eine kulturelle Bereicherung für Deutschland und die Deutschen. Sehr viel häufiger spielt jedoch die Bedrohung deutscher Ressourcen durch ethnische Minderheiten, insbesondere durch „Asylbetrüger", eine Rolle. Guido Bröer (1995, S. 79ff.) unterscheidet neben den materiellen Ressourcen (Wohlstand, Staatsfinanzen, soziales Netz, Arbeitsplätze, Lohnhöhe, Wohnraum, Umwelt usw.) folgende Kategorien: „Stabilität des Systems", „Deutschlands Ansehen in

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der Welt" sowie „kollektive Sicherheit und Ordnung", die in den von ihm analysierten Zeitungsartikeln nachweisbar waren.

Teun A. van Dijk (1993, S. 125f.) faßt das Resultat seiner diskursanalytischen Untersuchungen in Großbritannien und den Niederlanden, die durchaus übertragbar sind, dahingehend zusammen, daß der Rassismus durch den Elite- und Mediendiskurs induziert bzw. reproduziert wird. Seiner Meinung nach sind Presseorgane ein Teil des besagten Problems:

„Die Strategien, Strukturen und Verfahren der Nachrichtenbeschaffung, die Themenauswahl, der Blickwinkel, die Wiedergabe von Meinungen, Stil und Rhetorik richten sich alle darauf, 'uns' positiv und 'sie' negativ darzustellen. Minderheiten haben zudem einen relativ schwierigen Zugang zur Presse; sie werden als weniger glaubwürdig angesehen; ihre Sache gilt nur dann als berichtenswert, wenn sie Probleme verursachen, in Kriminalität oder Gewalt verstrickt sind oder wenn sie als Bedrohung der weißen Vorherrschaft dargestellt werden können."

Auch eine Analyse im Bereich des Fernsehens ergab, „daß Angehörige ethnischer Minderheiten als Teilnehmer an Sendungen aller Art, als Gestalter von Beiträgen und als Urheber von Informationen nur beschränkten Zugang zu Massenmedien haben." (Kühne-Scholand 1987, S. 83). Der (meist seit vielen Jahren in Deutschland lebende) Migrant ist zwar längst ein Teil unserer Gesellschaft, findet sich, seine Alltagssorgen und Hoffnungen auf dem Bildschirm aber kaum wieder: „Er taucht auf entweder als exotisches Wesen, das öffentlich vorgeführt wird, oder als Problemfall, als soziales Fürsorgeobjekt, dem man immer wieder einmal betulich und fürsorglich ein bißchen über den Kopf streichelt." (Winkler 1995, S. 63). Ausländer/innen erscheinen primär als Gegenstand politischer Aufmerksamkeit, administrativen Handelns oder fürsorgerischer Zuwendung. Sofern sie - meist beiläufig - in einem anderen thematischen Kontext auftauchen, bezieht sich die Darstellung gewöhnlich auf kulturgeschichtliche und alltagskulturelle Bereiche, die von der Mehrheitsgesellschaft für harmlos gehalten werden: Sport, Folklore, Musik, Mode, Gastronomie, Tourismus usw. (vgl. Kühne-Scholand 1987, S. 84).

Massenmedien spielen die Schlüsselrolle im Rahmen eines Prozesses, der als „Ethnisierung" zu bezeichnen ist, weil er die Soziogenese einer Minderheit auf ihre ethnischen Merkmale reduziert (vgl. Bukow/Llaryora 1993, S. 62ff). (Ethnische) Minderheiten werden mit Hilfe der Massen-

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medien als solche identifiziert und häufig kriminalisiert. Dies gilt insbesondere für Sinti und Roma, die fast ausschließlich als Kollektiv und im Zusammenhang mit Kriminalität und Konflikten erwähnt werden, folglich in erster Linie als Problem der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erscheinen (vgl. dazu: Hamburger 1988; Bohn u.a. 1993).

Überaus problematisch erscheint die Nennung der nichtdeutschen Herkunft von Tatverdächtigen und Straftätern in Zeitungsartikeln über Verbrechen, durch die zwangsläufig der Eindruck entsteht, als seien überproportional viele Ausländer kriminell. Identifizierende Hinweise auf Namen, Nationalität, Hautfarbe o.ä. sind im Rahmen der Kriminalitätsberichterstattung nur dann zu rechtfertigen, wenn die aktuelle Fahndung sie erfordert (vgl. Merten 1987, S. 77).

Allerdings bedarf es keiner tendenziösen Schlagzeile wie „Türken überfielen Tankstelle", um diese Nationalität zu diskriminieren und den Rassismus zu stimulieren. Schon eine scheinbar „objektive" Polizeistatistik zur Ausländerkriminalität, die nicht kommentiert oder falsch interpretiert wird, enthält die rassistische Botschaft, Menschen anderer Hautfarbe/Herkunft seien aufgrund ihrer biologischen oder kulturellen Disposition für Straftaten anfälliger. Simplifizierende und pauschalierende Titel tun ein Übriges, damit sich der Eindruck verfestigt, Ausländer/innen gefährdeten die Innere Sicherheit. [Fn 6: Siehe z.B. Kriminalität steigt alarmierend - 27% Ausländer-Anteil, in: Welt am Sonntag vom 15.3.1992.] Auch Journalist(inn)en, die Horrorstories z.B. über bettelnde „Zigeuner-Sippen", kurdische Dealer („islamische Drogen-Mafia") und polnische Autodiebe, Schlepperbanden oder Schwarzarbeiter veröffentlichen, fungieren als Wegbereiter/innen der rechtsextremistischen Gewalt. In Wirklichkeit sind Ausländer nicht krimineller als Deutsche, und es gibt kaum ein „Argument" von Rassisten, das durch kritische Reflexionen und sorgfältige(re) Recherchen überzeugender zu widerlegen wäre (vgl. Geißler 1993, S. 279ff.; Geißler 1995).

Während der unseligen Asyldiskussion 1991/93 wurden Flüchtlinge endgültig zu „Betrügern", „Sozialschmarotzern" und „Störenfrieden" gestempelt, die den Wohlstand und das friedliche Zusammenleben in der Bundesrepublik gefährden. In den Medien dominierten konservative Argumentationslinien, negative Assoziationsketten und pejorative Konnota-

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tionen. Genannt werden in diesem Zusammenhang „Killwörter" (Jürgen Link) wie „Scheinasylanten" und Kollektivsymbole wie „Asylantenfluten", verbunden mit der (karikaturistischen) Darstellung Deutschlands als „volles Boot" oder „Wohlstandsinsel", die angeblich unterzugehen drohten (vgl. Gerhard 1992). „Durch die unreflektierte Verwendung dieser Schlüsselbegriffe haben die Medien mit dazu beigetragen, bei bestimmten Gruppen Handlungsbereitschaften zur Gewalt zu erzeugen bzw. Gewaltanwendung als notwendig und legitim erscheinen zu lassen." (Brosius/ Esser 1995, S. 215).

BILD, auflagenstärkstes Boulevardblatt der Bundesrepublik, hatte die Stimmung gegen Flüchtlinge im Herbst 1991 so weit angeheizt (vgl. Quinkert/Jäger 1991), daß rechtsextreme Gewalttäter der Sympathie breiter Schichten sicher sein zu können glaubten. Nicht erst die Berichterstattung über das gewalttätige Vorgehen gegen Flüchtlinge in Hoyerswerda (September 1991) hat Nachahmungstäter auf den Plan gerufen, sondern die Berichterstattung über ostdeutschen Rechtsextremismus in den Wochen und Monaten zuvor entsprechend disponierte und noch schwankende, unentschlossene Leser ermutigt, sich an solchen Gewaltakten zu beteiligen oder sie verbal zu unterstützen (vgl. Busche-Baumann 1994, S. 225). Die Räumung von von Ausländer(inne)n bewohnter Unterkünfte nach den massiven Ausschreitungen in Hoyerswerda und Rostock bestärkte potentielle Gewalttäter in der Annahme, ihre rechtsextremen Vorstellungen durch die Anwendung von Gewalt verwirklichen zu können:

„Die überregionale Medienbotschaft bestand also darin, daß Gewalt ein 'erfolgreiches' Mittel ist, um bei Politikern rasch etwas zu erreichen." (Lüdemann/Erzberger 1994, S. 185).

1.2 „Deutsche zuerst!" - Ethnozentrismus und völkischer Nationalismus in den Medien

Seit der Wiedervereinigung treten innerhalb des etablierten Kulturbetriebes völkisch-nationalistische Tendenzen offen hervor. Fast scheint es so, als wandere der Rechtsextremismus „in die Mitte" hinein. Die populären Massenmedien bleiben davon natürlich nicht unberührt, sondern sind zum Teil selbst zu Trägern und Multiplikatoren des skizzierten Entwicklungsprozesses avanciert. Es geht um eine Reorganisation der „nationalen

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Identität" im vereinten Deutschland. Nora Räthzel (1993, S. 216ff.) hat gezeigt, wie die Asyldebatte in Zeitungen und Zeitschriften dazu benutzt wurde, ein homogenes deutsches Volk (als Opfer der Ausbeutung/Überfremdung durch „die Anderen") zu konstruieren.

Nach dem Fall der Berliner Mauer adaptierte die politische Klasse den traditionsreichen Begriff „Solidarität" und bog ihn (zur Bringschuld der West- gegenüber den Ostdeutschen) nationalistisch um (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 1990). Neben die „nationale" trat die „globale Solidarität", mit der man eine Neuorientierung der Außen- und Sicherheitspolitik verband. Konservative Medien stellten die Wiedervereinigung Deutschlands als Grund für seine wachsende „weltpolitische Verantwortung" im Sinne legitimer Großmachtambitionen dar. Durch den Hinweis auf die angebliche Notwendigkeit militärischer Kampfeinsätze der UNO und der NATO zu humanitären Zwecken rechtfertigte man den Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee (vgl. Link 1993; Ruf 1993).

Georg Hansen (1991, S. 111) vermutet, daß die Medien im europäischen Einigungsprozeß jene Funktion einer geistigen Formierung der Nation und Ausgrenzung aller „Gemeinschaftsfremden" übernehmen, die der allgemeinbildenden Schule im Rahmen der Reichsgründung 1870/71 zufiel. Ähnlich wie damals nehmen der politische Konformitätsdruck und die Erwartung, daß sich ein „guter Deutscher" als Teil einer im Rahmen des internationalen Standortwettbewerbs ökonomisch und wissenschaftlich-technologisch mit anderen Industriestaaten konkurrierenden Schicksalsgemeinschaft einfügt, spürbar zu.

Der organisierte Rechtsextremismus und die rassistische Gewalt treffen bei den Medienmachern so gut wie nie auf heimliche oder gar offen bekundete Sympathie. Sehr viel aufgeschlossener verhalten sich seriöse Presseorgane, Rundfunksender und Fernsehanstalten gegenüber der sogenannten Neuen Rechten, die seit geraumer Zeit völkisch-nationalistisches Denken wieder gesellschaftsfähig zu machen sucht. „Es handelt sich bei dieser Neuen Rechten nicht um eine feste Organisation, gar um eine Partei; vielmehr soll damit eine Vielzahl von Zeitschriften- und kulturellen Projekten, von Personen und Personengruppen bezeichnet werden, die als Multiplikatoren neurechter Gedanken in herkömmliche Organisationen und sogar Parteien hineinwirken; abgesehen von einigen wenigen, dann

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jedoch durchwegs dominanten Personen oder Zeitschriften, ändern sich die Glieder dieser Neuen Rechten ständig; von 'Mitgliedern' läßt sich mangels einer klar abgegrenzten Organisation nicht sprechen." (Gessenharter 1994, S. 13f).

Helmut Kellershohn (1994, S. 28) nennt sieben Kernideologeme des völkischen Nationalismus: erstens die Gleichsetzung von Volk und Nation, also die Vorstellung einer nach völkischen/rassischen Kriterien „homogenisierten" Nation; zweitens die Überhöhung des Volkes zu einem Kollektivsubjekt und die Relativierung spezifischer Interessen durch den Primat der „Volksgemeinschaft"; drittens die Rechtfertigung eines „starken" Staates, der die Volksgemeinschaft mittels national gesonnener Eliten und/oder einer charismatischen Führerfigur organisiert; viertens die Heroisierung des „Volksgenossen", also jenes „anständigen Deutschen", der sich mit Leib und Seele in den Dienst seiner Volksgemeinschaft stellt, für die er jedes Opfer bringt; fünftens die völkische/rassistische Konstruktion eines „inner(staatlich)en Feindes", der für Rückschläge bei der Realisierung der Volksgemeinschaft verantwortlich gemacht wird (Sündenbockfunktion) und als negative Projektionsfläche für die Volksgemeinschaft herhalten muß (identitätsstiftende Funktion); sechstens ein biopolitisches Verständnis des „Volkskörpers", das diesen durch Bevölkerungspolitik gesund und kräftig erhalten bzw. machen will; schließlich ein chauvinistisches Machtstaatsdenken, das die Formierung der Gesellschaft als Voraussetzung und Folge dessen begreift, daß der Staat die „nationalen Interessen" wirkungsvoll nach außen vertritt. „Der Primat der Außenpolitik beinhaltet darüber hinaus die Fixierung auf einen äußeren Feind (oder auch mehrere Feinde), der - in welcher Form auch immer - mit dem inneren Feind verknüpft wird."

Als publizistisches Sammelbecken neokonservativer, nationalliberaler und rechtsextremer Kräfte fungiert die JUNGE FREIHEIT mit symbolträchtigem Redaktionssitz in Potsdam. Das Sprachrohr der sogenannten Neuen Rechten, 1986 gegründet, erscheint seit dem 21. Januar 1994 als Wochenzeitung, ohne sich auf dem Zeitungsmarkt fest etablieren und seine finanzielle Basis durch Steigerung der Auflage und/oder wachsende Werbeeinnahmen stabilisieren zu können. Unterstützt wird das Projekt von Vertriebenenverbänden und Burschen- bzw. Gildenschaften, die sich durch den sektenhaft-elitären und eklektizistischen Stil der Zeitung, ihre

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eurozentrische Ausrichtung und (neo)rassistischen Inhalte, autoritären und etatistischen Züge sowie großdeutschen Visionen ansprechen lassen. Die JUNGE FREIHEIT repräsentiert einen modernisierten Deutschnationalismus und steht in der Tradition eines aufgeklärten Wilhelminismus, der „Konservativen Revolution" und des Kampfes gegen die Westintegration nach 1945. Ihre Autoren stellen die republikanisch-demokratischen Grundwerte (Gleichheit, Freiheit und Geschwisterlichkeit) unter Berufung auf Theoretiker wie Carl Schmitt und Ernst Jünger in Frage. Sie streiten für ein starkes Deutschland, eine „selbstbewußte" Nation und eine machtvolle Außenpolitik, wobei nicht nur die kulturelle und politisch-institutionelle „Westbindung" der Bundesrepublik kritisiert (siehe Zitelmann u.a. 1993; Schwilk/Schacht 1994), sondern auch für mehr Härte des Staates nach innen, d.h. Repressalien vor allem gegenüber der Linken, plädiert wird.

Neben der JUNGEN FREIHEIT nennt Wolfgang Gessenharter (1994, S. 196ff./206ff.) zwei überregionale Tageszeitungen, DIE WELT bzw. WELT AM SONNTAG und FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, als Beispiele für Printmedien, welche die sogenannte Neue Rechte unterstützen. Auch hier stehen die Nation und der Staat, also nicht die Individuen, ihre Freiheit und Selbstbestimmung, im Mittelpunkt des Interesses. Eliten sind wieder gefragt, die nach überkommenen Regeln leben, Traditionen hochhalten und Pflichtbewußtsein erkennen lassen. Leistungsfähigkeit, Heimatliebe, Patriotismus, Ehrgefühl und Verantwortungsbewußtsein sind Stichworte, die bei konservativen Führungskräften in Wirtschaft, Politik und Militär auf wachsende Resonanz stoßen.

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2. Migrant(inn)en als Opfer rassistischer Gewalt - mediale Darstellungen des Rechtsextremismus

Für Journalist(inn)en, die mit der Materie nicht oder nur ansatzweise vertraut sind, ist es äußerst schwer, das Problemfeld „Rechtsextremismus/Rassismus" in seiner ganzen Komplexität zu erfassen und Leser/innen, Radiohörer und Fernsehzuschauer in geeigneter Form mit dem Phänomen vertraut zu machen. Der (organisierte) Rechtsextremismus wird in den Medien praktisch nur thematisiert, wenn er Wahlerfolge erringt bzw. un-

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erwartete Stimmeneinbußen erleidet oder durch besonders spektakuläre Gewaltakte die öffentliche Aufmerksamkeit erregt.

Durch die Dominanz der Gewaltberichterstattung erscheint Rechtsextremismus primär als kriminelles Handeln und weniger als (gesellschafts)politisches Problem. „Das, was öffentlich sichtbar ist, wird aufgegriffen, und so wird den Lesern der Eindruck vermittelt, Rechtsextremismus sei ein Phänomen, das sich auf Straßen und öffentlichen Plätzen zeigt und Handlungsbedarf von seiten der Polizei und Justiz erfordere." (Busche-Baumann 1994, S. 163). Mit der - vornehmlich auf Gesetzesverstöße und Strafdelikte abstellenden - Kriminalberichterstattung über Rechtsextremismus korrespondiert eine Tendenz zur - ganz auf Action und Gewalttaten fixierten - (Bürger-)Kriegsberichterstattung, die sich weitgehend von der sozialen Realität löst.

Um den zwangsläufig eintretenden Gewöhnungseffekt auszugleichen und den Unterhaltungswert ihrer Berichte zu erhalten, reagierten die meisten Journalist(inn)en auf Wellen rassistisch motivierter Gewalt einer Art „Suchtlogik" folgend: Sie erhöhten die „Dosierung" der Gewaltberichterstattung, weil das Interesse der Rezipienten sonst bald nachgelassen hätte (vgl. Busche-Baumann 1994, S. 196). Gleichwohl informierten die Massenmedien nur punktuell über rechte Gewalttaten. Der Fernsehjournalist Thomas Leif (1995, S. 262) zog ein kritisches Fazit, als er feststellte, „daß keine kontinuierliche, auf durchdachten Programmgrundsätzen aufbauende Berichterstattung gefragt ist, sondern von Mal zu Mal ein Einzel-Ereignis hochgespült, dramatisiert und wieder vergessen wird."

Statt der gesellschaftlichen Ursachen und politischen Rahmenbedingungen des Rechtsextremismus, die nur schwer zu durchschauen und noch schwerer darzustellen sind, wurden bevorzugt individuelle Schicksale, spektakuläre Aufmärsche und gewalttätige Auseinandersetzungen ins Bild gerückt. Da die Rechtsextremisten handeln und Journalist(inn)en darauf reagieren, stehen die Täter eindeutig im Mittelpunkt des Medieninteresses, wohingegen die Urheber und die Hintermänner, aber auch die Opfer der rassistischen Gewalt im dunkeln bleiben. Brigitta Huhnke (1993, S. 243) hat einschlägige Berichte zweier großer Wochenzeitschriften (BILD AM SONNTAG/BamS und DER SPIEGEL) miteinander verglichen, beschreibt eindrucksvoll, was sie „Täter-Opfer-Umkehrung" nennt, und illustriert am Beispiel eines BamS-Artikels über die Ermordung eines Türken

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durch Skinheads, wie rechtsextreme Gewaltakte als Konsequenz einer gestörten Adoleszenz verharmlost wurden. Militante Skinheads erschienen als „verunsicherte Jugendliche", Neonazis und Rechtsterroristen, die es während der achtziger Jahre auch schon gab, als „verwirrte Einzeltäter".

Die REPublikaner wurden im Januar 1989 durch einen Fernsehspot bundesweit bekannt, der mit dem Titelsong des Films „Spiel mir das Lied vom Tod!" unterlegte Bilder von türkischen Kindern in Kreuzberg zeigte. „Die bewußte Provokation durch den Wahlwerbespot sorgte dafür, daß selbst in den Medien, die normalerweise wenig über Politik berichten, Name und Zielsetzung der Republikaner bekannt wurden. Dabei gelang es nicht nur, potentielle Wähler über die Existenz dieser neuen Partei zu informieren, sondern ihnen auch klarzumachen, daß hier eine Partei antrat, die 'endlich' etwas gegen die vielen Ausländer in der Stadt tun wollte. Die von Politikern und Medien unisono geäußerte Empörung vor allem über den ausländerfeindlichen Charakter des kritisierten Fernsehspots machte dies einfach, denn auch ohne weitere Kenntnisse über die Republikaner wurde die Partei dadurch zum Inbegriff für eine ausländerfeindliche Politik." (Friedrichsen u.a. 1995, S. 147). Die Berichterstattung der Springer-Presse zum Thema „Ausländer in Berlin" unterschied sich dadurch von anderen Zeitungen, daß (partei)politischen Akteuren weniger Bedeutung zukam, wodurch der Eindruck hervorgerufen wurde, daß sich kein Verantwortlicher um dieses Problem kümmere.

Hinsichtlich rassistischer Gewalt erfüllen die Massenmedien eine Initial- bzw. Katalysatorfunktion, was auch umgekehrt gilt: „Die Erwartungen von Gewalttätern und Medien sind (...) wechselseitig aufeinander bezogen und bestärken sich gegenseitig." (Esser/Dominikowski 1993, S. 24). Denn für Rechtsextremisten, die ein Flüchtlingswohnheim überfallen, ist das Medienecho oftmals wichtiger als der Gewaltakt selbst. Bei größeren Ausschreitungen potenzieren die Massenmedien deren Wirkung sogar doppelt: „Einerseits hat die direkte Präsenz von Medienvertretern vor Ort einen belohnenden Charakter für Gewaltakteure, die sich dadurch ins Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt fühlen. Zum anderen hat die überregionale Berichterstattung in den Medien einen Effekt auf potentielle Akteure im ganzen Bundesgebiet." (Lüdemann/Erzberger 1994, S. 185).

Besonders nach den pogromartigen Übergriffen in Hoyerswerda (September 1991) und Rostock-Lichtenhagen (August 1992) gab es Nach-

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ahmungswellen (auf unterschiedlich hohem Niveau). Wie Hans-Bernd Brosius und Frank Esser herausfanden, stimulieren die Medien gegen Ausländer/innen gerichtete Handlungen zumindest durch ihre ereignisbezogene und im Extremfall sensationslüsterne Berichterstattung. Der mentale „Ansteckungs-", besser würde man wohl sagen: „Anstiftungseffekt", ist für die Medienwissenschaftler allerdings mehr ein quantitatives als ein qualitatives Problem: „In erster Linie wirkte nicht die Art und Weise der Berichterstattung, sondern ihre Massivität." (Brosius/Esser 1995, S. 207).

In der Berichterstattung über Hoyerswerda und Rostock wurde entweder durch die Ausblendung des organisierten Rechtsextremismus der Eindruck erweckt, als habe sich dort der „Volkszorn" - quasi naturwüchsig - entladen (vgl. Dietzsch 1992, S. 52), oder durch die Konzentration auf jugendliche Neonazis so getan, als stünden diese außerhalb politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Bedingungszusammenhänge. Die Pogromnächte von Rostock-Lichtenhagen wurden als das Werk frustrierter und gegen soziale Mißstände demonstrierender Jugendlicher dargestellt. In einem Bericht der FRANKFURTER RUNDSCHAU kam der Schlüsselbegriff „Protest" nicht weniger als sechs Mal vor. Stand dieser Terminus zu Beginn noch verschämt in Anführungszeichen („Bürgerproteste"), so hieß es am Schluß, vor der gestürmten Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Lichtenhagen habe man die „Spuren des Protestes" zusammengekehrt. [Fn 7: Siehe „Die Scherben werden weggekehrt, der Ruf ist nicht zu kitten. Das schöne saubere Viertel, die Fremden und die Lebensqualität: Warum Tausende in Rostock dem Krawall applaudierten", in: Frankfurter Rundschau vom 25.8.1992.]

Aus den berühmt-berüchtigten „alten Nazis", die man jahrzehntelang für rechtsextreme Flugblätter und Hetzparolen verantwortlich gemacht hatte, wurde eine „neue APO" (vgl. Butterwegge 1995). In den Massenmedien wiedergegebene „Expertenmeinungen" stützten diese Interpretation. Ernst Uhrlau, Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, bestätigte gegenüber dem Nachrichtenmagazin FOCUS sowohl, daß der Rechtsextremismus „den Charakter einer Bewegung" annehme, wie auch Parallelen zur APO: „Die Konzeption sieht vor, in die Institutionen gehen zu müssen - so wie es die 68er versucht haben." [Fn 8: „Einheitliche Bewegung". Hamburgs Verfassungsschützer Ernst Uhrlau über die modernen Nazis, in: Focus vom 31.1.1994, S. 62.]

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Apostrophierte man die jugendlichen Rechtsextremisten nicht als „neue APO", so hielt man sie für ein Produkt bzw. den bewußten Widerpart der „APO-Generation" linker Lehrer und Erzieher/innen, die als Prügelknaben bzw. Sündenböcke für eklatante Fehlleistungen der liberal-konservativen Regierungskoalition herhalten mußten. Dieses Erklärungsmodell, das offen läßt, warum nicht die Häuser etablierter Oberstudienräte, sondern Flüchtlingsheime und die Wohnungen von Türk(inn)en angezündet wurden, setzte sich nach dem Rostocker Pogrom durch. Manch jugendlicher Randalierer, meldete der SPIEGEL, habe sich dabei „offenbar geradezu nach einer Tracht Prügel, nach Autorität, nach Grenzen" gesehnt. [Fn 9: Siehe „Ernstes Zeichen an der Wand", in: Der Spiegel vom 31.8.1992, S. 25.] Pate für diese Vermutung stand wohl nicht jener Skinhead, der nach Meinung des STERN gerade „aus Protest gegen die Erziehungsdiktatur" des DDR-Realsozialismus zum Radikalen geworden war. [Fn 10: Neonazis im Osten: Aufmarsch von rechts, in: Stern vom 15.11.1990, S. 34.]

Da sich die beiden Themenkomplexe „Asyl - Zuwanderung" und „Rassismus - rechtsextreme Gewalt - Fremdenangst" im Spätsommer 1992 miteinander verbanden, kann man, Guido Bröer (1995, S. 37) folgend, von einem „Asyl-Rassismus-Diskurs" sprechen, durch den der politische Druck auf die SPD und die FDP, eine Grundgesetzänderung im Sinne des später geschlossenen „Asylkompromisses" mitzutragen, wuchs. Der heimtückische Brandanschlag auf zwei von Türk(inn)en bewohnte Häuser in Mölln (November 1992) schuf insofern eine neue Lage, als zum Teil schon länger in Deutschland lebende Ausländerinnen die Opfer waren und sich seither die These vom Rechtsextremismus als ostdeutsches Phänomen nicht länger halten ließ. Jetzt schlug die Stimmung um: Der Mord an drei Frauen und kleinen Mädchen war zu abscheulich, um auch nur klammheimliche Freude aufkommen zu lassen. Erstmals artikulierte sich massenhafter Protest gegen die rechte Gewalt, der öffentlich wahrgenommen, wenn auch von den Regierungsparteien vereinnahmt wurde. Lichterketten und Mahnwachen unter der Beteiligung vieler Millionen Menschen verwischten um die Jahreswende 1992/93 im Ausland das Bild vom „häßlichen Deutschen", ohne als Protestaktionen mit politischer Aussage verstanden zu werden.

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Seit der Änderung des Artikels 16 GG (Mai 1993) und Inkrafttreten der Verfahrensänderungen zum 1. Juli 1993 ist das Thema „Asyl" praktisch über Nacht aus den Schlagzeilen verschwunden, obwohl sich das Weltflüchtlingsproblem eher zuspitzt und seine Folgen für (West-)Europa trotz oder gerade wegen der hierzulande betriebenen Abschottungspolitik prekär bleiben. Nach der Bundestagswahl vom 16. Oktober 1994 gaben die Medien auch hinsichtlich des Rechtsextremismus Entwarnung, zumal weitere spektakuläre Mordfälle ausblieben und die Mitgliederzahl im Neonazi-Bereich abnahm. [Fn 11: Vgl. z.B. „Rechtsextremistische Szene zeigt Verschleißerscheinungen", in: Märkische Allgemeine (Potsdam) vom 8.11.1994.] Tatsächlich ist der „harte Kern" des Rechtsextremismus mangels parlamentarischer Präsenz sowie aufgrund organisatorischer Rückschläge, persönlicher Rivalitäten und politisch-ideologischer Meinungsverschiedenheiten gegenwärtig nur weniger sichtbar als noch vor kurzem, ohne daß die Gefahr einer dauerhaften Beeinträchtigung der politischen Kultur durch sich in der Mitte etablierende deutschnationale Ideologien gesunken wäre.

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3. Alternativen zur bisherigen Medienpraxis

Genausowenig, wie der Rassismus ein Produkt der Massenmedien ist, genausowenig können sie ihn wieder verschwinden lassen (vgl. Hundseder 1993, S. 81). Keine geeignete Lösung stellt die Tabuisierung des Problems dar: „Das Verschweigen bringt rechtsextreme Tendenzen nicht zum Verschwinden. Es setzt aber das Vertrauen aufs Spiel, daß die Medien in zuverlässiger Weise zur Sprache bringen, was aus dem Alltag bekannt ist und wichtig genommen wird." (Weiß 1994, S. 487). Durch die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus sowie die systematische Aufklärung über seine Wurzeln, Methoden und Ziele ist es möglich, einer weiteren Vergiftung der politischen Kultur entgegenzuwirken.

Wenn deutsche Medienmacher/innen etwas gegen den Rassismus tun wollen, heben sie häufig die Vorteile vermehrter Zuwanderung für die Bundesrepublik, deren Wirtschaft und das System sozialer Sicherung hervor. Dies war früher genauso: Seit 1955 wurden „Gastarbeiter" angeworben, denen in der Bundesrepublik keineswegs immer ein freundlicher Empfang

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beschieden war, sondern die auch auf Ressentiments und rassistische Klischees stießen. Schon damals suchten die Medien solchen Tendenzen durch Informationen über den volkswirtschaftlichen Nutzen der Ausländerbeschäftigung entgegenzuwirken (vgl. Seidel-Pielen 1995, S. 75ff.). Heute weisen die Massenmedien zusätzlich auf demographische Probleme (drohende „Vergreisung") Deutschlands hin und betonen, daß sich unser Lebensstandard ohne die Aufnahme junger, möglichst kinderreicher Migrant(inn)en auf Dauer nicht halten lasse. Typisch dafür sind die Überschriften zweier Artikel von Heiner Geißler in der ZEIT: Unter dem Motto „Wir brauchen die Ausländer" bzw. „Wir sind ein Einwanderungsland. Die begrenzte Zuwanderung liegt im nationalen Interesse der Bundesrepublik" suchte der CDU-Politiker seine Leser/innen davon zu überzeugen, daß Deutschland erheblich mehr Einwanderer brauche als bisher. [Fn 12: Siehe Heiner Geißler: Wir brauchen die Ausländer. Ein Plädoyer gegen die völkische Renaissance der Deutschen, in: Die Zeit vom 11.10.1991; ders.: Wir sind ein Einwanderungsland. Die begrenzte Zuwanderung liegt im nationalen Interesse der Bundesrepublik, in: Die Zeit vom 15.11.1991.]

Daraus ergibt sich für deutsche Durchschnittsleser die in ihrem Kerngehalt rassistische Botschaft: Wir müssen (nur) so lange nett zu Ausländern sein, wie sie uns nützen (vgl. Tsapanos 1993, S. 95). Wer im Sinne eines „funktionalen Antirassismus" das Kosten-Nutzen-Kalkül bemüht und damit den Egoismus potentieller Ausländerfeinde anspricht, erreicht das Gegenteil seines eigentlichen Ziels. Ungewollt fördert er mit dem Konkurrenzdenken einen - unter bestimmten Umständen - Rassismus auslösenden Mechanismus und den für Rechtsextremismus in Westeuropa geradezu konstitutiven Wohlstandschauvinismus.

Man kann ausländische Flüchtlinge als Konkurrent(inn)en um knapper werdende Ressourcen (z.B. Arbeitsplätze, Wohnungen, Sozialleistungen), als lästige Parasiten („Schmarotzer") und als Gefahr für den eigenen, oftmals bescheidenen Wohlstand, aber auch als Menschen in Not darstellen. Die unsägliche Asyldebatte hat das Bild des Durchschnittsdeutschen vom ausländischen Flüchtling jedoch derart verdunkelt, daß es in nächster Zeit schwerfallen dürfte, wieder für Wahrhaftigkeit und mehr Aufgeschlossenheit zu sorgen.

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Entsprechende Artikel/Sendungen sollten Mitleidsbekundungen und Moralappelle auf jeden Fall vermeiden, zumal sie leicht Aggressionen wecken, die aus Wut über das eigene schlechte Gewissen entstehen (vgl. Groebel 1994, S. 17). Außerdem können moralische Appelle zugunsten ausländischer Mitbürger/innen fundierte Informationen über deren Alltag nicht ersetzen. Bislang fehlen dieser Berichterstattung inhaltlicher Tiefgang und Kontinuität: „Wichtiges auf der Tagesordnung zu halten, obwohl, also weil es chronisch geworden ist, darin liegt heute eine der größten und anstrengendsten Leistungen aller Medienarbeit, deren Charakteristikum und Schicksal doch zu sein scheint, alle Tage mit Neuigkeiten aufwarten zu müssen, wobei die letzte die jeweils vorletzte erledigt." (Janke 1987, S. 63).

Im Bereich der audiovisuellen Medien müßten ein interkultureller Rundfunk und ein interkulturelles Fernsehen verwirklicht werden. „Wir brauchen mehr Informationen über andere Kulturen, und dies in den unterschiedlichen Programm-Genres." (Winkler 1995, S. 64). Für zugewanderte Minderheiten, deren Sprache in den Schulen des Aufnahmelandes nicht unterrichtet wird, sind eigene Radio- und Fernsehprogramme, die am ehesten von Lokalradios ausgestrahlt werden, wichtig (vgl. Busch 1994, S. 277). Spartenprogramme für Ausländer/innen nach Art einer „Multi-kulti"-Welle im Fernsehen, wie sie Fritz Pleitgen (1995, S. 46) vorschwebt, dürfen freilich nicht dazu führen, daß die ethnischen Minderheiten im Vollprogramm noch weniger vertreten sind als bisher. Was - unter dem Stichwort „Multimedia" zusammengefaßt - die Datenverarbeitung wie die Mediennutzung revolutioniert, ist keineswegs gleichbedeutend mit „Multikulti"-Programmen, eröffnet dafür aber neue Möglichkeiten (z.B. des „interaktiven Fernsehens"), die genutzt werden müssen, soll sich der Rassismus verringern.

Die Möglichkeit zur interkulturellen Kommunikation basiert nicht nur auf der Information über fremde Kontinente, Völker und Religionen. Vielmehr bedarf es zur Durchsetzung multikultureller Programmangebote überdies der Repräsentanz von Mitarbeiter(inne)n unterschiedlicher ethnischer Herkunft in Rundfunk- und Fernsehanstalten, einer Veränderung der innerbetrieblichen Strukturen sowie eines aufgeschlossenen Managements, ohne das die Integration der Neuen leicht mißlingt (Klute 1995, S. 78).

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Statt über Ausländer/innen sollte mehr mit Ausländern gesprochen werden, auch in Radio- und Fernsehsendungen. Einwanderer und deren Kinder würden als Mitarbeiter/innen der Medien aufgrund ihrer Kenntnis unterschiedlicher Kulturen ein genaueres Bild der Ausländerwirklichkeit zeichnen und das Vorurteil, „Gastarbeiter" und Flüchtlinge seien größtenteils Kriminelle bzw. „Asoziale", die „uns Deutschen auf der Tasche liegen", sichtbar widerlegen (vgl. Merten 1987, S. 78). Eine positive Veränderung des Meinungsklimas in Teilen der Öffentlichkeit würde zweifellos erleichtert, wenn mehr Migrant(inn)en in Zeitungsredaktionen und Funkhäusern eine Anstellung fänden und eigene Akzente setzen könnten - nicht nur als Fachleute für „Ausländerfragen", sondern auch als Menschen mit einem anderen Blick auf die deutsche Gesellschaft (vgl. Tolmein 1994, S. 8).

Notwendig erscheint mir eine Änderung der Wahrnehmung: Man muß die Gewaltopfer in den Medien häufiger selbst zu Wort kommen lassen, ohne sie auf eine Opferrolle zu reduzieren (vgl. Winkler 1994, S. 97). Ausländer/innen brauchen nicht als wehrlose Gewaltopfer dargestellt zu werden, will man auch potentiellen Tätern die Opferperspektive vermitteln. Mediale Aufklärung deutscher Rezipienten über die schwierige Lage von Migrant(inn)en würde das Verständnis füreinander wecken und friedliches Zusammenleben erleichtern. Statt - häufig mit einem Anflug von Sensationsgier - über Probleme zu berichten, die Asylsuchende machen, könnte etwa das Fernsehen mehr und genauer über Probleme berichten, die sie haben (Fluchttraumata, Angst vor Abschiebung und Anschlägen, Diskriminierung und Ausgrenzung, Vereinsamung im Alter).

Lebensweltliche Zusammenhänge zwischen der nichtdeutschen Nationalität und meist negativen Erlebnissen müßten sich in den Medien widerspiegeln. „Der Rassismus lebt von Feindbildern. Eine einfühlsame Darstellung, wie der Alltag von Nachbarn ausländischer Staatszugehörigkeit beschaffen ist, welche Motive für sie eine Rolle spielen, was sie beschäftigt usf., kann daher die Dämonisierung der Fremden angreifen." (Weiß/ Nebel 1993, S. 51). Erfahrungen mit rassistischen Verhaltensweisen im Alltag und die Folgen für Betroffene werden viel zu selten thematisiert, obwohl sich hier gerade für die Lokalberichterstattung ein weites Feld auftut. Fälle, wo Afrikaner nur wegen ihrer Hautfarbe verdächtigt und

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festgenommen werden, ohne daß sie irgend etwas Verbotenes getan hätten, [Fn 13: Vgl. z.B. „Schwarz zu sein ist schon verdächtig". Die Erfahrungen eines unbescholtenen Afrikaners mit der Polizei - In Handschellen auf die Wache, in: Bremer Nachrichten/Weser-Kurier vom 28.8.1995.] gibt es wahrscheinlich überall in Deutschland.

Stereotype Redewendungen sollten hinterfragt. Kollektivsymbole wie etwa das „volle Boot" und die Flutmetaphorik („Asylantenfluten" mit der Assoziation brechender Dämme) aus dem Wortschatz von Redakteuren, Moderatoren und Journalist(inn)en verbannt werden. Die „Solidität des Denkens" und die „Sensibilität der Sprache" müssen jedoch durch eine „Solidarität des Handelns" ergänzt werden. Gefordert ist Zivilcourage, wohlgemerkt: nicht „zuviel Courage", d.h. kein Heldenmut gegenüber mit Baseballschlägern ausgerüsteten Skinheads, sondern die Bereitschaft, alltägliche Diskriminierungen zurückzuweisen und sich rassistische Witze zu verbitten.

Da die öffentlich-rechtlichen ebenso wie die privaten Fernsehanstalten unter dem Damoklesschwert sinkender Einschaltquoten und Werbeeinnahmen stehen, ist es höchst fraglich, ob ein journalistischer Berufskodex die verantwortungsvolle Berichterstattung über Fremdenfeindlichkeit und Gewalt gegen Ausländer/innen sicherstellen kann. Wahrscheinlich lassen sich nur die schlimmsten Auswüchse des Sensationsjournalismus eindämmen, beispielsweise von skrupellosen Fernsehreportern inszenierte Gewaltakte: „Wer andere zu Gewalt oder kriminellen Handlungen auffordert, sie gar dafür bezahlt, um entsprechend spektakuläre Bilder zu erhalten, setzt nicht nur die Glaubwürdigkeit des Mediums aufs Spiel, sondern handelt selbst kriminell." (Stolte 1993, S. 109).

Wer über die Verantwortung der Journalist(inn)en, Reporter und Kameramänner spricht, darf zur Verschlechterung der Arbeits- und Produktionsbedingungen im Medienbereich nicht schweigen, Georgios Tsapanos weist darauf hin, daß der Zeitdruck, unter dem die Medienmacher/innen stehen („Diktat der Deadline"), immer stärker wird, und betont, „daß die wachsende (kommerzielle) Konkurrenz im Bereich des Privatfernsehens ebenso wie die zunehmende Konzentration im Bereich der Printmedien im Hinblick auf die Qualität eher negative Effekte mit sich bringt." (Tsapanos 1993, S. 97). Unter den verschärften Konkurrenzbedingungen eines pri-

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vatwirtschaftlich dominierten Medienmarktes finden Journalist(inn)en immer weniger Gelegenheit, sich beruflich weiterzubilden, sich umfassend über ein Thema zu informieren und sorgfältig zu recherchieren. Die Neigung, zu simplifizieren und nur noch Klischeevorstellungen (über Ausländer/innen) zu transportieren, nimmt aus den genannten Gründen tendenziell zu.

Beate Winkler (1995, S. 63) verlangt nach einer „Medienbewegung", die sich kritisch mit Wirkungen von Massenmedien auseinandersetzen, einen gesellschaftlichen Diskussionsprozeß über Lösungen initiieren und geeignete Kriterien dafür formulieren soll. Um den Rechtsextremismus zurückdrängen und die rassistische Gewalt eindämmen zu können, bedarf es grundlegender demokratischer und sozialer Reformen, nicht zuletzt im Medienbereich selbst. Obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiterhin unter finanziellem wie politischem Druck steht und neue Privatisierungsoffensiven drohen, gehört eine demokratische Restrukturierung des dualen Systems auf die politische Tagesordnung.

Journalist(inn)en müßten sich stärker sozialen Problemen, beispielsweise Massenarbeitslosigkeit, Armut, Mietwucher und Wohnungsnot zuwenden, Benachteiligte - Deutsche wie Ausländer/innen! - mehr zu Wort kommen lassen und deren Forderungen gegenüber der Politik (Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes) unterstützen, statt sich in liberal-konservative Strategien der Standortsicherung und des Sozialabbaus einbinden zu lassen. „Die rechtsradikale Weltanschauung bezieht ihre Attraktivität aus dem Umstand, daß sie eine demagogische Antwort auf eine wirkliche Frage gibt. (...) Eine konkurrierende Rethematisierung des Sozialen, die die Ursprünge sozialer Unsicherheit zur Sprache bringt und Lösungswege debattiert, stellt daher stets einen Angriff auf das rechtsradikale 'Angebot' dar." (Weiß/Nebel 1993, S. 50). Während rechtsextreme bzw. -populistische Parteien die soziale und die nationale Frage miteinander verbinden, könnten Medien die demokratische und die soziale Frage miteinander verbinden.

Deutschen, die Angst vor Fremden haben, weil sie um ihren - oftmals bescheidenen - Lebensstandard fürchten, sollte vermittelt werden, daß es ihren eigenen Interessen keinesfalls widerspricht, wenn die Gleichheit der Menschen realisiert wird. Ansatzpunkte für antirassistische Strategien, Maßnahmen und Projekte im Medienbereich (vgl. z.B. Meier-Braun/

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Kilgus 1991) gibt es genug; sie müßten in der Öffentlichkeit nur mehr bekanntgemacht werden, wobei den Kommunikationsmedien wiederum eine Hauptaufgabe zufällt.

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