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TEILDOKUMENT:

Arbeitsgruppe 3:
Förderung der Integration durch Wohnungsbau und Stadtplanung


[Seite der Druckausg.: 103 ]


Karin Veith
Wohnungs- und Städtebau: ein kommunales Handlungsfeld zur Förderung der Integration von Ausländern und Aussiedlern


Neben der Möglichkeit zur Erwerbsarbeit trägt die Wohnung und das Wohnumfeld entscheidend zum Gelingen von Integration bei. Mit den steigenden Problemen auf dem Arbeitsmarkt gewinnen sie daher zunehmend an Bedeutung. Der folgende Beitrag möchte erstens die Wohnsituation der Zuwanderer grob skizzieren und zweitens Lösungsansätze für deren Verbesserung im Rahmen des Wohnungs- und Städtebaus darstellen.

Die Situation der Zuwanderer auf dem Wohnungsmarkt ist prekär. Ursache dafür ist, daß sie auf eng begrenzte Wohnungsteilmärkte angewiesen sind. Zuwanderer sind, nicht alle, aber überproportional häufig, einkommensschwach; sie leben in großen kinderreichen Haushalten, und auf Seiten der privaten Vermieter bestehen erhebliche Vorbehalte. Sie sind also angewiesen auf Wohnungen, die die deutsche Mittelschicht nicht mehr bewohnen will oder auf Sozialwohnungen. Sie stehen damit in Konkurrenz mit einkommensschwachen deutschen Haushalten.

Zukünftig wird sich die Konkurrenz auf diesen Wohnungsteilmärkten noch verschärfen, weil einerseits Belegungsbindungen im sozialen Wohnungsbau auslaufen oder durch Standardverbesserungen preiswerter Wohnraum verlorengeht. Andererseits wird die bedürftige Bevölkerung, die auf diesen Wohnraum angewiesen ist, zunehmen durch die Arbeitsmarktentwicklung, durch den Abbau an sozialen Absicherungen und auch durch weitere Zuwanderung.

Die Angewiesenheit auf bestimmte Wohnungsteilmärkte führt zu hohen Konzentrationen in wenigen Stadtteilen oder Siedlungen. Dabei ist Konzentration zunächst nicht unbedingt negativ für die Integration zu bewerten. Sie kann in der Anfangsphase sogar stabilisierend wirken. Konzentration wird aber dann negativ, wenn sie nicht freiwillig ist; wenn Zuwandererhaushalte nicht in diesem Stadtteil wohnen möchten, aber woanders

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keine Wohnung bekommen. Sie ist insbesondere auch nachteilig oder problematisch für die deutsche Bevölkerung, die eigentlich nicht mit Ausländern zusammen wohnen möchte, aber zusammen wohnen muß, weil auch ihnen die finanziellen Ressourcen fehlen, in anderen Stadtquartieren/Siedlungen eine Wohnung zu finden.

Von derartigen Problemen betroffene Stadtquartiere oder Siedlungen sind:

  • Altbauquartiere, die noch nicht saniert sind,

  • Schlichtwohnungen aus den fünfziger Jahren,

  • Großwohnsiedlungen,

  • Sozialer Wohnungsbau, wobei hier insbesondere der soziale Wohnungsbau problematisch ist, der in den letzten zwei/drei Jahren fertiggestellt und belegt wurde. Aufgrund der geltenden Belegungsmechanismen kommt es zumindest in den alten Ländern zu Zuwandererkonzentrationen von 40%, 50% bis zu 60%, was insbesondere ohne gewachsene Sozialstruktur zu erheblichen Konflikten führt.

Gemeinsam ist allen diesen vier Quartierstypen oder Siedlungen, daß dort hohe Anteile an Arbeitslosen, an Sozialhilfeempfängern ... leben, das heißt Bevölkerungsgruppen, die um preiswerte Wohnungen, aber auch um Arbeitsstellen konkurrieren. Es ist selbstverständlich, daß es hierbei zu vielfältigen Konflikten kommt: zwischen Deutschen und Ausländern; zwischen Ausländern, die schon seit langem hier leben und Ausländern, die vor kurzem zugewandert sind; zwischen Ausländern und Aussiedlern.

Für die Zukunft wird befürchtet, daß die soziale Entmischung und die Konzentration von Zuwanderern in diesen Stadtteilen/Siedlungen noch zunimmt. Diese Befürchtungen sind nicht unbegründet, weil zum einen belegungsgebundene Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus aus den fünfziger und sechziger Jahren wegbrechen - Sozialwohnungen, die noch relativ dezentral über die Stadt verteilt waren. So bleiben zur Belegung lediglich die hochkonzentriert gebauten Sozialwohnungen Ende der siebziger Jahre. Des weiteren wird eine beschleunigte Konzentration insbesondere von transferabhängigen Zuwanderern befürchtet, da durch die Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ökonomisch stabile/etablierte Bevölkerungsgruppen diese Gebiete verlassen. Sozial und ökonomisch instabile Haushalte, darunter ein hoher Anteil Neuzuwanderer, rücken nach.

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Hohe Konzentration von Zuwanderern gibt es aber nicht nur in städtischen Quartieren. Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es in ländlichen Räumen z.T. hohe Aussiedlerkonzentrationen, und zwar in Regionen, die in der Mitte der achtziger Jahre um Aussiedler geworben haben, und in Gegenden, bei denen Militär abgezogen wurde und die Kasernen mit Aussiedlern belegt worden sind. Es gibt mittlerweile Ortschaften mit bis zu 30 bis 40% Aussiedlern. Die soziale Infrastruktur - Schulen, Kindergärten ... - entspricht überhaupt nicht mehr dem Bedarf und natürlich entstehen in diesen Orten Probleme, die es vorher in ländlichen Räumen nicht im heutigen Ausmaß gab: Schiebereien, Drogenkonsum und Jugendkriminalität führen dort zu erheblichen Spannungen und Konflikten.

Allerdings soll hier nicht der Eindruck entstehen, daß die Integrationsprobleme auf die oben aufgeführten Gebiete beschränkt sind. Vielmehr soll hier deutlich daraufhingewiesen werden, daß es die deutsche Bevölkerung in den anderen Stadtteilen ganz hervorragend versteht, Zuwanderer nicht in ihren Wohnquartieren zu akzeptieren, ihre Schulen, ihre Kindergärten 'zuwandererfrei' zu halten und sich damit bei der gesellschaftlichen Aufgabe der Zuwandererintegration zu entsolidarisieren.

Wie versuchen Kommunen, diese Problemlagen zu entschärfen und was kann Wohnungs- und Städtebau dazu beitragen?

Die Zielvorstellungen der Kommunen sind sehr verschieden, z.T. in sich widersprüchlich. Sie liegen zwischen den Polen:

  • Vermeidung von weiterer sozialer Entmischung

Ziel ist, die Bevölkerungs- und Sozialstruktur dieser Stadtquartiere/Siedlungen zu stabilisieren, weitere Verarmungsprozesse zu vermeiden. Zuwanderer, die es geschafft haben, sich ökonomisch und sozial zu integrieren, sollen in diesen Wohnquartieren als soziale Stütze bleiben.

(Kritischer Einwand: Wird damit nicht eine weitergehende Integration dieser Zuwanderer verhindert? Wohin mit den neu hinzukommenden Zuwanderern?)

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  • Reduktion des Zuwandereranteils

Ziel ist, den Zuwandereranteil in Siedlungen mit Belegungsbindungen zu reduzieren, indem deutsche Haushalte solange bevorzugt werden, bis der angestrebte Prozentsatz erreicht ist.

(Kritischer Einwand: Sind die Deutschen, die bevorzugt werden, wirklich Stabilisatoren für diese Siedlungen? Wohin mit den Zuwandererhaushalten, deren Anzahl zunimmt?)

Welche Zielvorstellungen und Handlungsansätze konkret gewählt werden, hängt eng mit der Situation vor Ort ab: Ist es den ausländischen Haushalten bereits gelungen, eine eigene soziale und gewerbliche Infrastruktur aufzubauen? Gibt es hierzu überhaupt Möglichkeiten? Handelt es sich um eine gewachsene Sozialstruktur oder um eine willkürlich, ad hoc zusammengesetzte?

Entscheidend für die Förderung von Integration sind arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen. Ihre Wirkung wird jedoch durch wohnungs- und städtebauliche Maßnahmen gefördert. Grundsätzlich setzen sich die Strategien im wohnungs- und städtebaulichen Bereich aus unterschiedlichen Handlungsbereichen zusammen mit folgenden Zielsetzungen:

1. Beeinflussung der räumlichen Verteilung

Die Möglichkeiten hierzu sind sehr begrenzt. Ansatzpunkte sind:

  • Ausweisung von Bauland, die Bevölkerungsgruppen mit besonderem Bedarf (z.B. kinderreiche Haushalte) speziell berücksichtigt. Des weiteren kann bei der Baulandausweisung für sozialen Wohnungsbau darauf geachtet werden, daß kleinere Wohneinheiten vorgesehen werden und damit hochkonzentrierter sozialer Wohnungsbau in der Peripherie vermieden wird;

  • Kauf/Tausch von Belegungsbindungen in Stadtteilen mit geringem Zuwandereranteil;

  • ergänzender sozialer Wohnungsbau in Stadtteilen mit geringem Zuwandereranteil;

  • Festlegung von Quoten für sozialen Wohnungsbau;

[Seite der Druckausg.: 107 ]

  • gezielte Information/Beratung von privaten Vermietern zum Abbau von Vorbehalten gegen Zuwanderer.

2. Sicherung/Schaffung von ausreichendem und preiswertem Wohnraum

Hierbei geht es vorrangig darum, preiswerten Wohnraum zu erhalten, neu zu erstellen bzw. Schwellenhaushalte (Haushalte mit geringem Einkommen) zu Eigentum zu verhelfen. Ansatzpunkte sind:

  • konsequente Anwendung der Milieuschutzsatzung zur Sicherung der angestammten Bevölkerung und damit der gewachsenen Strukturen trotz Sanierung;

  • Förderung von Altbaumodernisierung mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus;

  • Förderung von Selbsthilfe bei Modernisierungsmaßnahmen;

  • Förderung von genossenschaftlichem Bauen;

  • Förderung von Sozialwohnungsneubau;

  • Kauf von Belegrechten;

  • Förderung von Wohneigentum bei Schwellenhaushalten (durch Förderung von genossenschaftlichem Bauen, preiswerter Baulandbereitstellung).

3. Erhöhung der Identifikation mit dem Wohnquartier/Stadtteil durch ergänzende soziale Dienstleistungen im Wohnbereich

Neben dem investiven Bereich im Wohnungs- und Städtebau gewinnt der ergänzende soziale Dienstleistungsbereich insbesondere für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen an Bedeutung. Ansatzpunkte sind:

  • Förderung eines Belegungsmanagements im sozialen Wohnungsbau oder bei großen Wohnungsunternehmen, das den Mietern Mitgestaltungsrecht einräumt;

  • Förderung von Sozialmanagement im sozialen Wohnungsbau und bei großen Wohnungsunternehmen, das bei der laufenden Bewirtschaftung

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    und Wohnumfeldgestaltung Entscheidungskompetenzen an die Mieter delegiert und die notwendigen Mittel dafür zur Verfügung stellt;

  • Förderung von Stadtteilmanagement in Form von Stadtteilbüros, die die verwaltungsinternen und -externen Maßnahmen vernetzen und gemeinsam mit den Akteuren des Stadtquartiers entsprechend dem Bedarf der Bewohner optimieren.

4. Verbesserung der Versorgungssituation mit sozialer, gewerblicher und kultureller Infrastruktur

Die Verbesserung der Möglichkeiten, eigene gewerbliche und soziale Infrastruktur aufzubauen, erleichtert es den Zuwanderern, ihre ökonomischen und sozialen Potentiale besser zu verwirklichen. Ansatzpunkte sind:

  • Berücksichtigung ethnienspezifischer Infrastruktureinrichtungen im Flächennutzungsplan;

  • Erleichterung der Umwidmung von Wohnungen für soziale/gewerbliche Zwecke insbesondere in Großwohnsiedlungen, um die Monofunktionalität aufzubrechen;

  • Lockerung der Funktionstrennung zur Förderung ethnienspezifischer Ökonomie.

Die aufgeführten Maßnahmen zielen überwiegend auf Gebiete mit hohen Zuwandereranteilen. Allerdings werden diese Maßnahmen bei anhaltender Zuwanderung und sich verstärkender sozialer Polarisierung nicht ausreichen, die Konfliktpotentiale in diesen Stadtteilen in den Griff zu bekommen. Vielmehr dürften sie zunehmen. Politisches Handeln muß zukünftig stärker darauf ausgerichtet sein, die notwendigen Integrationsleistungen auf seiten der deutschen Bevölkerung bzw. die sozialen und ökonomischen Folgekosten der Zuwanderung gleichmäßiger auf die Bevölkerung zu verteilen. Die Förderung der Integrationsbereitschaft gerade bei den Bevölkerungsgruppen, die sich bisher bei dieser Aufgabe entsolidarisiert haben, muß auch - soweit möglich - bei den Maßnahmen im Rahmen des Wohnungs- und Städtebaus an Bedeutung gewinnen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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