ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
DEKORATION

Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Horst Groschopp, „Los von der Kirche!“. Adolph Hoffmann und die Staat-Kirche-Trennung in Deutschland (Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin, Bd. 2), Alibri Verlag, Aschaffenburg 2009, 160 S., kart., 15,00 €.

Ein Vorkämpfer für die Trennung von Kirche und Staat war der Sozialdemokrat und Mitbegründer der USPD Adolph Hoffmann (1858-1930). Geboren in Berlin als außerehelicher Sohn eines kurz nach seiner Geburt verstorbenen Dienstmädchens, wuchs er in armen Verhältnissen auf und musste bereits als Neunjähriger für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen. Er konnte nur wenige Jahre die Gemeindeschule besuchen, eignete sich später aber als Autodidakt ein umfangreiches Wissen an. Nach einer Lehre als Graveur und Vergolder arbeitete er aus gesundheitlichen Gründen vor allem als Händler. Seit 1873 besuchte Hoffmann die Veranstaltungen der Freireligiösen Gemeinde, der er von 1913 bis 1926 vorstand. 1881 war er Mitbegründer des Deutschen Freidenkerbunds, fünf Jahre später trat er aus der evangelischen Kirche aus.

1876 schloss sich Hoffmann der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands an, in der er sich als Vertrauensmann engagierte. 1884 zog er nach Halle an der Saale um, wo er zur Leitung der sozialdemokratischen Wahlkreisorganisation für die Provinz Sachsen und Thüringen zählte und Parteitagsdelegierter wurde. Ab 1890 war er Herausgeber und Redakteur des „Volksboten“ in Zeitz und wurde aufgrund von kritischen Artikeln mehrfach zu Gefängnisstrafen verurteilt. In seinem Verlag publizierte Hoffmann neben eigenen Vorträgen und populären Theaterstücken zur politischen Aufklärung vor allem Broschüren und Literatur für Arbeiter.

In Parlamenten war Adolph Hoffmann besonders wegen seiner pointierten Zwischenrufe bekannt: Von 1900 bis 1921 war er Stadtverordneter von Berlin, 1902 bis 1906 und 1920 bis 1924 Mitglied des Reichstags und von 1908 bis 1921 sowie 1926 bis 1930 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. 1917 gründete der überzeugte Kriegsgegner die USPD mit, 1920/21 zählte er zur VKPD beziehungsweise zur Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft, die er jedoch bald verließ. 1922 schloss er sich der SPD an.

Zentrales Anliegen Hoffmanns war die Bekämpfung der Kirchen, die er als einen wesentlichen politischen und gesellschaftlichen Machtfaktor verstand. Daher engagierte er sich in der Kirchenaustrittsbewegung. Sein 1891 publizierter Vortrag „Die zehn Gebote und die besitzende Klasse“ wurde in über 100.000 Exemplaren gedruckt und brachte ihm den Spitznamen „Zehn-Gebote-Hoffmann“ ein. 1908 folge die Schrift „Los von der Kirche!“. In seiner kurzen Zeit als preußischer Kultusminister im November/Dezember 1918 erließ er zusammen mit Konrad Haenisch (1876-1925) von der SPD Maßnahmen zur Trennung von Kirche und Staat und besonders von Schule und Religion, die allerdings bald darauf abgemildert wurden. Bestehen blieb jedoch die Möglichkeit, sich vom Religionsunterricht und seiner Erteilung abzumelden, die auch in die Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung, die noch heute Bestandteil des Grundgesetzes sind, einfloss.

Aus Anlass des 150. Geburtstags Adolph Hoffmanns veranstaltete die Humanistische Akademie Berlin eine Tagung, deren Vorträge zum 90. Jahrestag der Weimarer Reichsverfassung publiziert worden sind. In sechs Beiträgen werden Leben und Werk dieses herausragenden Politikers gewürdigt sowie das Projekt einer Stiftung für die Villa Hoffmann in Fredersdorf-Vogelsdorf vorgestellt und zwei Texte Hoffmanns abgedruckt: „Minister Haenischs Gang nach Canossa“ (1919) und „Unter den Linden 4“ (1920). Eine Auswahlbibliografie der Werke Hoffmanns beschließt den Band, ein Verzeichnis der Veröffentlichungen über ihn und ein Register fehlen leider.

Gewünscht hätte man dem Band eine sorgfältige Redaktion, da es etliche Überschneidungen zwischen den Texten gibt und diese zum Teil sprachlich hätten optimiert und Unklarheiten beseitigt werden können. So wird der Umzug Hoffmanns von Berlin nach Halle 1894 einmal als Ausweisung (S. 11), sonst als Übersiedlung (S. 34, 77) bezeichnet. Leider sind nicht alle Sachaussagen belegt, manche bibliografischen Angaben bleiben unvollständig. Nicht immer sind Fakten und Bewertung klar getrennt. Im Beitrag Gernot Bandurs werden ohne klare Definition beziehungsweise Differenzierung Begriffe wie „die herrschende Klasse“, „die Junker“, „die Justizorgane“ (S. 42) benutzt.

Insgesamt wirken einige Beiträge sehr emotionalisiert. So bezeichnet es der Herausgeber als „wissenschaftspolitische[n] Skandal, dass es bisher über Adolph Hoffmann keine historisch-kritische Biographie gibt“ (S. 8). Auch seine Behauptung, dass Hoffmann „politisch dauerhaft hingerichtet werden“ musste (S. 26), ist fragwürdig. Formulierungen wie „Judaslohn“ (S. 32), „riss er ihnen die Biedermannsmaske vom Gesicht“ (S. 40), „Polizeibüttel“ (S. 58) tragen nicht zu einer angemessenen Auseinandersetzung mit Hoffmann bei. So bleibt das Verdienst dieses Buches, auf die Bedeutung dieses sozialdemokratischen Politikers und Freidenkers hingewiesen und wichtige Informationen zusammengetragen zu haben. Zu hoffen ist, dass bald eine umfassende wissenschaftliche Biografie Adolph Hoffmanns vorgelegt wird.

Rainer Hering, Schleswig


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