ARCHIV FÜR SOZIALGESCHICHTE
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Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online

Ralf Ahrens, Die Dresdner Bank 1945-1957. Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes. Unter Mitarbeit von Ingo Köhler, Harald Wixforth und Dieter Ziegler, Oldenbourg Verlag, München 2007, 504 S., Ln., 49,80 €.

Vor rund drei Jahren legte die Expertenkommission zur Erforschung der Geschichte der Dresdner Bank in der NS-Zeit ihre voluminöse Publikation in vier Bänden mit über 2000 Textseiten vor. Ein Jahr später erschien dann die thematisch daran anschließende Studie von Ralf Ahrens - unter Mitarbeit von Ingo Köhler, Harald Wixforth und Dieter Ziegler - der Jahre von 1945 bis zur Wiederherstellung der Dresdner Bank AG 1957. Damit dürfte die Dresdner Bank zu den historisch am besten erforschten Bankinstituten gehören.

Ahrens Studie beginnt unmittelbar nach dem Zusammenbruch des ,Dritten Reichs' und schildert eindrucksvoll und detailliert die einzelnen Phasen der unsicheren Nachkriegsjahre und des Wiederaufbaujahrzehnts bis 1957. Sich als politische Unternehmensgeschichte verstehend, behandelt ein Großteil der Studie die zahlreichen politischen Weichenstellungen auf dem Wirtschafts- und Bankensektor und deren Bedeutung bzw. Rückwirkungen für die Dresdner Bank. Dieser Ansatz, der hauptsächlich die großen Zäsuren und Wegmarken der Bank behandelt, lässt die wirtschaftliche Entwicklung zwar nicht außer Acht, jedoch z.T. spürbar in den Hintergrund treten. Ralf Ahrens setzt in seiner Darstellung vor allem auf die Wechselwirkung von Politik und Wirtschaft, was aufgrund der engen Verzahnung beider Felder eine legitime Herangehensweise ist.

Nach dem Kriegsende bestimmten zunächst politische Entscheidungen die künftige Ausrichtung der Dresdner Bank. In der sowjetisch besetzten Zone wurde die Berliner Filiale der Dresdner Bank geschlossen bzw. enteignet, zudem gingen jegliche, nun im Herrschaftsbereich der Sowjetunion liegende, Auslandsbeteiligungen verloren. Die Westalliierten zergliederten die Großbank in regionale Einheiten, die erst zum 1. Januar 1957 durch das Bankengesetz rechtlich wieder zusammengeführt wurden.

Durch die Verstrickungen der Bank in die Verbrechen des NS-Regimes bestimmten insbesondere Wiedergutmachungsansprüche aus ,Arisierungen' und die ,Entbräunung' des eigenen Instituts die ersten Geschäftsjahre. Zunächst änderte sich personell jedoch wenig. Karl Rasche, der mächtige Generaldirektor und NS-Aufsteiger, wurde zwar in Nürnberg verurteilt, jedoch schieden aus der Unternehmensführung nur vereinzelt zentrale Akteure aus. Nach seiner Haftentlassung versuchte Karl Rasche vergeblich einen Wiedereinstieg in die Dresdner Bank. Die nun an den Schalthebeln sitzende alte Bankierselite wusste dies jedoch erfolgreich zu verhindern. Rasche galt aufgrund seiner NS-Vergangenheit als imagestörender Faktor und passte nicht in die Politik der Dresdner Bank, die, und das ist ein zentrales Ergebnis der Studie von Ahrens, bis 1957 auf allen Feldern versuchte den Normalzustand (sprich: vor 1933) wiederherzustellen. Sei es auf dem ökonomischen Feld in Form von verstärkter Liquiditätsorientierung als auch auf politischem Terrain. Durch geschickte juristische Schachzüge stellten die zahlreichen Wiedergutmachungsansprüche, die vor allem von jüdischer Seite an die Bank gestellt wurden, kein betriebswirtschaftliches Problem dar. Es gelang der Bankdirektion, über Ausgleichsforderungen einen Großteil der Anträge an den Staat weiterzugeben, da die Wiedergutmachungsansprüche eben auch den Staat als zentralen involvierten Akteur einbezogen. So war der Umgang der Dresdner Bank mit Wiedergutmachungsansprüchen primär am ,,eigenen betriebswirtschaftlichen Interesse" orientiert, während ,,eine Wiedergutmachung im Sinne der Geschädigten" nachrangig war (S. 411). Sobald es um die Auseinandersetzung mit der eigenen historischen Verantwortung ging, war die Reaktion auf die Ansprüche seitens der Bank grundsätzlich ablehnend. Die Dresdner Bank zeigte auch gegenüber den eigenen ehemaligen jüdischen Angestellten keine besondere Bereitschaft zur Unterstützung oder Entschädigung. Das strikte Einhalten der Gesetze und die Ausnutzung des größtmöglichen Spielraums zum eigenen Vorteil kennzeichnete den Umgang der Dresdner Bank mit den Opfern des NS-Regimes.

Ganz besonders gelungen ist die Herausarbeitung der ,,Unternehmensidentität", also des Selbstverständnisses der Dresdner Bank bis 1957 (und auch danach, schließlich dauerte es bis 1997, ehe ein Forschungsprojekt auf seriöser Basis in Auftrag gegeben wurde). In der obersten Etage der seit 1957 wieder firmierenden Zentralbank herrschte die Auffassung, dass ein paar Schwarze Schafe die Bank in der NS-Zeit in die Mittäterschaft geführt hätten. Allerdings wurde auch hier nur eine begrenzte Mitverantwortung eingestanden.

Ralf Ahrens hat eine hervorragende Studie zur Dresdner Bank nach 1945 vorgelegt, die nahtlos an die bravouröse Gesamtdarstellung der Bank im ,Dritten Reich' anschließt. Sie gibt nicht nur detaillierte Einblicke in die wirtschaftliche Entwicklung des Bankensektors nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern zeigt vor allem die Wechselwirkung zwischen politischen und ökonomischen Entscheidungen auf. Der flüssige Schreibstil und der angemessene Umfang runden das Bild einer rundherum gelungenen Studie ab.

Benjamin Obermüller, Bochum


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